Gemeinsam mit dem Team des Projekts „Partizipation Digital“ (kurz: PaDi) haben wir an der Entwicklung einer digitalen Plattform für Ankommende in Berlin mitgearbeitet. Dabei haben wir allerhand gelernt – und dieses Wissen möchten wir mit Euch teilen!
Die Herausforderung: Ankommen in Berlin
Jedes Jahr kommen zehntausende Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit aus aller Welt nach Berlin, um zu bleiben. Die Gründe sind vielfältig: Die Flucht vor Krieg und Terror, die Suche nach besseren Lebensbedingungen oder einfach die Lust in Berlin zu leben und zu arbeiten. Und so vielfältig wie die Ankommenden selbst sind auch die Informationen und Beratungsangebote, die sich an sie richten.
Was, wenn das Angebot für Berliner:innen aus Drittstaaten so vielfältig ist, dass der Überblick schwerfällt? Gerade staatlichen Angebote und Informationen können für Ankommende herausfordernd sein, etwa mit Blick auf ihre individuellen Bedürfnisse, Sprach- und Bildungsniveaus. Wann muss ich zu welcher Behörde und mit welchem Bescheid gehen, um zum Beispiel den Aufenthaltsstatus zu verlängern oder eine Arbeitserlaubnis zu bekommen? Diese und weitere Fragen stellen viele vor eine Herausforderung.
Wir fragen uns: Wie kann man das Ankommen in Berlin erleichtern? Eines der Projekte, die wir in dem Themenbereich begleiten, ist das Projekt „Partizipation Digital“ (kurz: PaDi) das von dem Projektträger Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung gGmbH und der Beauftragten des Berliner Senats für Partizipation, Integration und Migration durchgeführt wird. Ein Ziel des Projekts ist die Erstellung einer digitalen Informationsplattform, die als zentrale Anlaufstelle für alle Ankommenden in Berlin fungiert und langfristig Teil eines neuen digitalen Willkommenszentrum sein soll.
Dieses digitale Willkommenszentrum wird das Angebot des physischen Willkommenszentrums ergänzen und es somit im besten Fall entlasten. Eine der Kernkompetenzen bei uns im CityLAB ist es konkrete potenzielle Nutzer:innen miteinzubeziehen – also Partizipationsprozesse zu gestalten, um Konzepte oder konkrete Prototypen digitaler Anwendungen zu entwickeln. Dementsprechend war uns schnell klar, dass wir das Projekt unterstützen können und möchten. Nach einer Phase des Kennenlernens zu Beginn dieses Jahres haben wir uns darauf geeinigt, dass das CityLAB das Projektteam in einer ersten Phase bei einem Anforderungsmanagement für die digitale Informationsplattform unterstützen wird.
Die Explorationsphase – wo ist der Wald zwischen den Bäumen?
Im Mai 2024 ging es dann ganz offiziell mit einem gemeinsamen Kick-Off-Workshop los. Wir haben uns nachmittags in der Technologiestiftung Berlin getroffen und mit Blick auf das idyllische Schöneberg an konkreten Fragen gearbeitet:
- Welche Anforderungen haben die jeweiligen Projektpartner:innen an die Plattform, wo sind Anschlüsse und Schnittmengen und über welche blinden Flecken muss noch geredet werden?
- Haben die Ankommenden, die sich vor allem über Social-Media und Peer-Communities vernetzen, dieselben Bedarfe wie Personen, die das physische Willkommenszentrum besuchen?
- Wie kann man eine Plattform konzipieren, die all diese verschiedenen Zielgruppen gleichermaßen abholt?
Nach Stunden voller Diskussion und Unmengen an Post-Its haben wir uns Arbeitspakte gepackt, um direkt ins Tun zu kommen. Schon hier wurde klar, wir stehen noch nicht da, wo wir uns eigentlich befinden müssten, um Anforderungen definieren zu können. Unser ambitionierte Plan: zweieinhalb Monate später die Anforderungen an ein Minimal Viable Product (MVP) benennen zu können.
In unserem Handbuch öffentliches Gestalten kann man es nachlesen: Wir sind der Ansicht, dass man sich, bevor man sich an die Lösung eines Problems wagt (z. B. durch die Erstellung eines MVPs), erst einmal grundlegend dem Problem widmen sollte. Mit der Analyse des Problems hatte das PaDi-Team auch schon begonnen, allerdings haben sich – wie so oft in größeren Projektteams – Wissenssilos und blinde Flecken gebildet. Doch wie diese Silos überwinden?
“Wir haben gelernt: das gemeinsame Ziel und der Weg dahin muss stetig expliziert werden – gerade in organisationsübergreifenden Projektteams.”
Pauline Boos, Projektmanagerin Verwaltungsinnovation CityLAB Berlin
Jetzt galt es für uns, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu übersehen. Also ging es entlang zwei verschiedener Arbeitspakete, die wir nach dem Workshop definiert haben, direkt ins Machen.
Unser erste Arbeitspaket bestand darin, das bestehende Wissen des PaDi-Teams zusammenzuführen und zu kartieren, um daraus die Bedarfe der Nutzer:innen ableiten zu können. Auf einem Miro-Board entwickelte das CityLAB entsprechende Templates und wartete optimistisch darauf, dass das PaDi-Team ihr Wissen einfügen würde – erstmal vergebens. An dieser Stelle im Prozess mussten wir lernen, dass wir in unserer Kommunikation noch Verbesserungspotenzial haben. Wir hatten versäumt klarzumachen, weshalb es so wichtig ist, das gesammelte Wissen zu sammeln und zu kartieren – und dass wir uns hier keineswegs einen Schritt zurück, sondern einen großen Schritt nach vorne bewegen. Das Warum fehlte in unserer Kommunikation. Das war der Anlass für uns, unsere methodische Herangehensweise noch stärker in den Vordergrund zu stellen und diese in Form eines Leitfadens (in 14 Schritten zum MVP) sowie konkreten Leitfragen dem PaDi-Team zugänglich zu machen. Von da an lief es wie geschmiert: Wir hatten ein gemeinsames Ziel, nämlich bis zum Abschlussworkshop dieser kurzen Explorationsphase konkrete Erkenntnisse präsentieren zu können.
Das Problem verstehen – wobei soll ein digitales Angebot helfen?
Das zweite Arbeitspaket wiederum bestand aus der Bestimmung der Zielgruppe des physischen Willkommenszentrums. Das Ziel war herauszufinden, weshalb die Menschen dieses aufsuchen und wie eine digitale Plattform ihnen helfen könnte, einen Besuch zu vermeiden. Dieses Arbeitspaket lief schnell an, im Willkommenszentrum wurden Statistiken ausgegraben und neue geführt, wir sprachen mit den verschiedenen Rollen, die es im Willkommenszentrum gibt und führten mit der Unterstützung des PaDi-Teams ein Shadowing durch, bei dem wir einen Tag im Willkommenszentrum Mäuschen spielen durften. Wir saßen am Tisch der Sprachmittler:innen, in Hör- und Sichtnähe des Anmeldedesk, im Wartezimmer und beobachteten die Abläufe, führten Interviews und dokumentierten die Prozesse und Bedarfe der Beteiligten kleinteilig. Wir konnten verschiedene Erkenntnisse sammeln, allerdings fehlte uns ergänzend zu diesen Erkenntnissen eine ausführliche Besucher:innen-Statistik, die aber in Zukunft eingeführt werden soll.
Mitte Juli trafen wir uns wieder – dieses Mal in den Räumen der Berliner Integrationsbeauftragten Katarina Niewiedzial. In unserem Abschlussworkshop warfen wir einen Blick zurück und diskutierten noch offen gebliebene Fragen – und die hatten es in sich:
- Wie kann die bedarfsorientierte Lösung, die wir uns vorstellen, auch technisch umgesetzt werden?
- Welche organisatorischen Wege müssen dafür eingeschlagen werden?
- Außerdem wurde deutlich, dass noch immer ein paar Punkte offen sind, die für eine Anforderungserhebung geschlossen werden müssen. Diese betreffen die expliziten Inhalte.
Das Phänomen “Angst vor dem leeren Blatt”, also sich nach all der Recherche an einen tatsächlichen Entwurf zu wagen – das gibt es auch bei diesem Projekt. Genau deswegen haben wir uns vorgenommen, auf leeren Blättern an konkreten Konzepten zu arbeiten. Ein Modul des Workshops bestand aus einem Paper-Prototyping, bei dem wir in Teams unsere Visionen eines digitalen Willkommenszentrums festhielten.
Zu guter Letzt: die Stränge zusammenführen und die Erkenntnisse reifen lassen
Am Ende gehen wir mit voller Euphorie aus dem Workshop. Auch wenn die Ziele, die wir uns gesteckt haben, etwas zu ambitioniert waren, hat der Austausch seine Früchte getragen: Das PaDi-Team hat einen Fahrplan für die MVP-Entwicklung für die nächsten Monate und wir haben ebenfalls viel gelernt:
- Auch bewährte Methoden sollten immer wieder hinterfragt und korrekt angewendet werden. So vergessen wir selbst ab und an unser Credo transparenter Kommunikation und müssen uns immer wieder daran erinnern.
- Anforderungen können äußerst komplex und divers sein – es gibt nicht immer eine Lösung für alle. So auch bei einem digitalen Willkommenszentrum, das sich an Menschen in allen möglichen Lebenssituationen richtet.
- Da draußen gibt es auch bereits einige kreative Ideen und nutzer:innenzentrierte Angebote. So auch außerhalb der Verwaltung und für unsere Zielgruppen – die Frage ist also, welche Bedürfnisse eine bestimmte Plattform abdecken kann und welche vielleicht auch nicht.
Wir sagen: Die Geschichte hat ein richtiges Happy End. Gleichzeitig sind wir gespannt, was noch kommt und an welchen Stellen des Prozesses das PaDi-Team und wir uns wiedersehen, um weiter zusammenzuarbeiten. Wir hoffen, dieser Blick hinter die Kulissen und unsere Leitfragen können auch Euch bei Eurem nächsten Projekt helfen!