Wie sieht moderne Arbeitskultur in der Berliner Verwaltung aus? Kollaborative Softwarelösungen sind aus dem Alltag vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken, in öffentlichen Verwaltungen sind diese oft noch nicht im Einsatz. openDesk soll nun Abhilfe schaffen: Die vom Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) auf Open Source entwickelte Kollaborationssuite verspricht, klassische Büro-Hürden wie Dokumentenablage, Datei-Sharing, Projektmanagement und Chat-Funktionen zu lösen – alles auf einer offenen und sicheren Plattform.
Gemeinsam mit dem IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) Berlin führt das CityLAB im November einen zweiwöchigen User Acceptance Test durch, um zu überprüfen, inwieweit openDesk den Bedürfnissen Bedarfen der Mitarbeitenden der Berliner Verwaltung entspricht.
In einem Interview gaben Daniela Schacht und Alexander Peschel vom Open Source Kompetenzzentrum (OSK) im ITDZ Berlin sowie Markus Sperl vom CityLAB Berlin erste Einblicke in das Projekt.
Alexander, welche Rolle spielt Open Source Software aktuell in der Berliner Verwaltung und welche Potenziale siehst du für die Zukunft?
Alexander: „Die Rolle von Open Source in der Berliner Verwaltung hat noch viel Potenzial. Vor etwa zehn Jahren gab es bereits eine erste aktive Open Source Bewegung, damals aber war der Zeitpunkt noch nicht der Richtige. Heute, in einer Zeit, in der Themen wie digitale Souveränität und die Unabhängigkeit von großen Monopolisten immer wichtiger werden, sehen wir, dass Open Source Software eine Schlüsselrolle spielen kann. Besonders im Hinblick auf Anpassbarkeit, Flexibilität und die Unabhängigkeit kann Open Source viele Vorteile für die Berliner Verwaltung bringen.“
Inwiefern?
Alexander: „Der Wille, Open Source stärker zu nutzen, ist vorhanden. Wir merken es daran, dass immer mehr Anfragen an das Open Source Kompetenzzentrum herangetragen werden. Auch hier im CityLAB, mit den drei Testgruppen aus Bezirk, Senatsverwaltung und Senatskanzlei, sehen wir, dass die behördenübergreifende Zusammenarbeit gut funktioniert und Open Source Software eine wichtige Rolle dabei spielen kann. Die Möglichkeit, die Software an die speziellen Bedürfnisse der Berliner Verwaltung anzupassen, ist eine der Stärken von Open Source.“
Daniela, wie stellst du dir die Berliner Verwaltung in zehn Jahren vor, speziell im Hinblick auf Open Source?
Daniela: „Wenn ich mir die Berliner Verwaltung in zehn Jahren vorstelle, wünsche ich mir, dass wir nicht mehr so viele E-Mails schreiben oder PowerPoint-Präsentationen verschicken, sondern dass wir neue, innovative Arbeitsmethoden entwickeln. Meine Idealvorstellung ist es nicht, dass wir alle bestehenden Tools durch Open Source-Lösungen ersetzen, sondern dass wir auch wirklich zu einem anderen Arbeiten finden. Für mich ist Open Source eine Möglichkeit, Wahlfreiheit zu schaffen.“
Was heißt das konkret?
Daniela: „Es geht darum, im Voraus zu bedenken, wie der Wechsel von Anbietern oder der Zugriff auf Daten aussehen könnte, und diese Dinge von Anfang an mitzuplanen. Es geht nicht darum, Misstrauen gegenüber den großen Anbietern zu zeigen, sondern darum, souveräner Entscheidungen zu treffen und Open Source als Teil des Portfolios zu integrieren. Ich hoffe, dass wir durch Open Source flexibler und unabhängiger agieren können.“
openDesk ist eine von vielen OpenSource Lösungen auf dem Markt. Markus, du leitest das Projekt Smart City Testlabor, warum habt ihr euch gemeinsam mit dem ITDZ Berlin dazu entschieden, gerade dieses Tool zu testen?
Markus: „openDesk ist in vielerlei Hinsicht ein interessanter Case. Zum einen versucht es nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern arbeitet mit seit langer Zeit existierenden, bewährten Open Source-Komponenten und verspricht dadurch gute Funktionalität. Lösungen wie OpenProject, Element und Nextcloud sind bereits erprobt. Zum anderen liegt hier, und das ist für Open Source-Projekte nicht immer üblich, ein durchaus sichtbarer Fokus auf Nutzendenfreundlichkeit. Damit holt man Open Source aus der Wahrnehmung als “techy Bastelecke” und zeigt, dass durchaus für jede:n nutzbare Tools existieren. Und vor allem bedient openDesk unterschiedliche uns im CityLAB seit längerem bekannte Schmerzpunkte der Berliner Verwaltung – eine funktionsfähige, geteilte Ablage und zeitgleiche Bearbeitung von Dokumenten beispielsweise.“
Und was können wir uns unter User-Acceptance-Tests vorstellen?
Markus: „Das Testen innovativer Lösungen gehört für uns als Innovationslabor zum etablierten Portfolio – die Probefahrt ist hier eine ganz passende Analogie. Um zu evaluieren, ob auf dem Markt befindliche Produkte für die Nutzenden geeignet und hilfreich sind, haben wir Formate entwickelt, in denen diese Nutzenden Anwendungen selbst ausprobieren und für sich bewerten können. Oftmals beschaffen wir als kleine Organisation einfach schneller, legen dann im begleiteten Test den Fokus auf Usability und Zweckerfüllung – fällt hier die Beurteilung positiv aus, kann man die nächsten, langwierigeren Schritte der Einführung von IKT in Angriff nehmen, wenn man sich wirklich sicher ist.“
Daniela: „Die Idee, die Tests aus der Nutzerperspektive zu gestalten, finde ich wirklich spannend. Normalerweise würde man lange Anforderungskataloge von spezialisierten Teams erstellen, die ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen haben, aber wir haben uns entschieden, die Tests offen zu gestalten und die Nutzenden selbst entscheiden zu lassen, was für sie funktioniert und was nicht. Wir wollen praktisch sehen, welche Funktionen nützlich sind und wo noch Verbesserungspotenzial besteht. Die Zusammenarbeit mit dem CityLAB war für uns besonders, weil ihr innovative Methoden habt, die wir so in anderen Bereichen nicht finden würden.“
Zum Schluss: Wie geht es geht jetzt weiter mit dem Testen und Open Source, bzw. openDesk für die Berliner Verwaltung?
Markus: „Für uns war aus Service Design-Perspektive vor allem die Frage spannend, wie wir den Test gestalten, um sowohl die Nutzenden zu motivieren die ganze Bandbreite an Funktionen auszuprobieren, als auch ausreichend genaues Feedback zu generieren, um zu einem fundierten Ergebnis zu kommen.
Wenn wir ehrlich sind – Office-Anwendungen sind jetzt nicht das spannendste, was man sich vorstellen kann, erst recht, wenn man bereits ein Setup vor sich hat, an das man gewöhnt ist. Wir haben den Weg über spielerischen Zugang und aufwändige Gestaltung der Testmaterialien gewählt: einzelne Funktionen/Tools sind als Stationen einer Reise konzeptualisiert, auf der die Testenden für Dinge, die sie mit openDesk ausprobieren, Punkte sammeln können. Die Gewinner:innen können sich auf ewig mit Ruhm und Ehre schmücken (und erhalten eine kleine Aufmerksamkeit). Soweit der Plan: Ich bin gespannt, ob alles so aufgeht, wie wir uns das vorgestellt haben.“
In den kommenden Wochen wird das Feedback der User Acceptance Tests ausgewertet und die Ergebnisse an das OSK und die Berliner Verwaltung zurückgespielt.
Die Verwaltung steht damit vor einem großen Schritt: Open Source könnte ihr nicht nur digitale Souveränität, sondern auch einen modernen, flexiblen Arbeitsstil bringen. Wir bleiben gespannt, wie das Fazit der Testerinnen und Tester nach zwei Wochen aussieht.