Eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen Bürger:innen und der Verwaltung sind Formulare. Von Anträgen auf Wohngeld bis zur Anmeldung eines Hundes: Über das Ausfüllen eines (Online-)Formulars erhalten Bürger:innen Zugang zu zahlreichen Dienstleistungen, die wesentlich für unser Zusammenleben sind.
Diese Anträge sind für Bürger:innen nicht immer leicht einzureichen. Nicht selten ist das Ausfüllen von Formularen sogar mit Stress oder Ängsten verbunden. Die Verwendung einer verwaltungsnahen Sprache, welche mitunter als “Amtsdeutsch” bezeichnet wird, mag zwar für Mitarbeiter:innen naheliegend sein, stellt aber Nutzer:innen oft vor große Herausforderungen. Und Informationen, die mehrfach abgebildet werden, können teilweise für Verwirrung als für Klarheit sorgen. Aspekte wie die Sprache, die im Antrag verwendet wird, oder die Struktur des Antrags können die Nutzer:innenerfahrung beim Ausfüllen negativ beeinflussen.
Einfache Online-Formulare mit der Zielgruppe zusammen entwickeln
Im Herbst 2021 starteten wir zusammen mit der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport das Pilotprojekt Digitalwerkstatt Verwaltung. Die Mission: Digitale Formulare nutzer:innenfreundlicher zu gestalten und zwar zusammen mit der Zielgruppe. In drei digitalen Workshops haben 25 Berliner:innen – ausgewählt durch ein offenes Bewerbungsverfahren und stellvertretend für diverse Bevölkerungsgruppen der Stadt – drei Anträge getestet:
- Bestellung einer Eheurkunde
- Antrag auf KFZ-Schadenersatzleistung
- Antrag zur Aufnahme eines Kindes in eine andere öffentliche Grund- oder Gemeinschaftsschule
Ihre Anmerkungen zu der Nutzer:innenerfahrung – positiv und negativ – haben die Teilnehmenden auf einem Miro-Board erfasst und in Kleingruppen diskutiert. Im Anschluss hat unser Team die Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge analysiert und sortiert. Diese Auswertung bildete die Grundlage für die weitere Arbeit, um die Nutzer:innenfreundlichkeit von Formularen und Anträgen zu verbessern.
Bürgernahe Eheurkunde als Prototyp
Im Juni 2022 haben wir die Ergebnisse im Rahmen des Popup-Projekts Mall Anders gemeinsam mit Bürger:innen weiterentwickelt.
Auf Grundlage der aus diesen zwei Initiativen gewonnenen Erkenntnisse haben wir modellhaft ein neues Formular entworfen, das die zahlreichen Anregungen aufgreift. Neben ganz konkreten Verbesserungsvorschlägen enthält es auch einige Best Practice-Empfehlungen für die Gestaltung von Online-Formularen im Allgemeinen. Die fünf wichtigsten Learnings wollen wir hier mit euch teilen. Neben diesen Erkenntnissen stellen wir Bilder-Galerien dazu. Auf den Bildern werden spezifische Elemente des neuen Antrags hervorgehoben, die zu einer verbesserten Nutzer:innenerfahrung führen.
Ziel unseres Projekts war es, in einer Design-Studie Anregungen aus Nutzer:innensicht zu sammeln, wie Formulare zugänglicher gestaltet werden können. Diese Anregungen können nicht 1:1 umgesetzt werden, da die Verwaltung aufgrund diverser Gesetze und Vorschriften einen eingeschränkten Gestaltungsspielraum hat. Wir hoffen, mit dem Projekt eine Diskussion darüber anzustoßen, wie digitale Verwaltungsleistungen in Zukunft stärker aus Sicht der Nutzenden gedacht werden können.
Aus der Perspektive der Nutzer:innen denken, nicht der Sachbearbeiter:innen
Eine erste Erkenntnis: Formulare sollten Eingabefelder in einer Reihenfolge und mit einer Bezeichnung anzeigen, wie es für die Nutzer:innen sinnvoll ist – diese muss nicht immer der Logik aus Perspektive der Sachbearbeiter:innen entsprechen. Das bedeutet zum Beispiel, dass Datenschutzerklärungen eher am Ende des Formulars stehen sollten – Nutzer:innen kann es überfordern, die Bearbeitung ihrer Daten einzuwilligen, bevor sie überhaupt wissen, nach welchen Daten sie eigentlich gefragt werden. Manchmal gibt es auch sogenannte “Ausschlussfragen”, die feststellen, ob ein:e Antragsteller:in überhaupt alle Anforderungen erfüllt, um den Antrag einzureichen. Solche Fragen sollten zuerst geklärt werden. Sonst kann es vorkommen, dass Bürger:innen schon mehrere Schritte bearbeitet haben, bis sie feststellen, dass sie gar nicht berechtigt sind, den Antrag einzureichen.
Assistenz während des gesamten Prozesses anbieten
Es ist für Nutzer:innen nicht immer ersichtlich, was ein bestimmter Begriff bedeutet oder welche Eingabe bei einem Feld erwartet wird. Hier können Umformulierungen helfen (z.B., statt nach dem Namen einer Person zu fragen, lieber “Name, wie er auf dem Ausweis steht” zu verwenden) oder auch Tooltips, die bestimmte Begriffe definieren oder klären. Mehr Klarheit wird auch erreicht, indem der Antrag eindeutig und transparent mit anfallenden Kosten umgeht: diese sollen so früh wie möglich im Antrag angezeigt werden. Eine “Warenkorb”-Ansicht kann dabei unterstützen, dass Nutzer:innen stets eine Übersicht der zu zahlenden Kosten behalten. Und eine einfache Darstellung der Prozessschritte des Antrags — inklusive einer Darstellung der Bearbeitungsschritte nach dem Einreichen des Antrags — stellt sicher, dass Nutzer:innen immer verstehen, wo genau sie sich in dem gesamten Prozess gerade befinden und was sie für den weiteren Verlauf erwarten können. Übrigens, was das Bezahlen angeht: Nutzer:innen freuen sich immer, diverse und moderne Zahlungsmöglichkeiten zu haben. Insbesondere solche, die direkt online abgewickelt werden können.
Mehr Effizienz durch intelligente Verknüpfungen
Für Bürger:innen kann es frustrierend sein, das Gefühl zu haben, dass dieselben Informationen wiederholt angegeben werden müssen. Deshalb sollten digitale Anträge es so leicht wie möglich machen, Angaben aus anderen Quellen (z. B. persönliche Details aus einem existierenden Servicekonto-Profil oder aus dem ePerso) in den Antrag zu überführen. Dabei ist es wichtig, dass Nutzer:innen jederzeit völlige Transparenz und Kontrolle darüber haben, welche Daten zu welchem Zeitpunkt geteilt werden. Das kann zum Beispiel mit einem sogenannten Daten Opt-in sichergestellt werden. Damit geben Nutzer:innen der Verwaltung kontextbezogen die Erlaubnis, Daten zu teilen.
Mit Erklärungen und Transparenz gegenseitiges Vertrauen schaffen
Die Vorraussetzungen, die es braucht, um einen Antrag einzureichen, sind für Nutzer:innen nicht immer leicht nachzuvollziehen: Warum genau ein spezifisches Dokument in einer besonderen Art und Weise gebraucht wird, ist selten verständlich erklärt. Solche Erklärungen können dabei helfen, mehr Transparenz und Verständlichkeit im Prozess zu schaffen und Ängste zu nehmen. Dementsprechend hilft es, an einigen Stellen mehr Kontext zu bestimmten Anforderungen des Antrags anzubieten (z.B. mit Erklärtext neben den Antragsfeldern). Nutzer:innen möchten auf Augenhöhe angesprochen werden. Das kann zum Beispiel durch die Verwendung von “Du” anstatt “Sie” ermöglicht werden. Die Haltung ist generell ein wichtiges Thema, um mehr Vertrauen zwischen Verwaltung und Bürger:innen zu schaffen. Bei der Wirkung dieser Haltung nimmt die Sprache der Formulare eine zentrale Rolle ein.
Die Antragssprache barrierefrei denken
Um die Inhalte eines Antrags so zugänglich wie möglich zu gestalten, sind zwei Aspekte entscheidend: Mehrsprachigkeit und Leichte oder Einfache Sprache. In einer internationalen Metropole wie Berlin gibt es viele Berliner:innen, die andere Sprachen besser verstehen als Deutsch. Die Erwartung, Formulare in jede beliebige Sprache zu übersetzen, ist dabei unrealistisch: Spezifische, rechtliche Begriffe können nicht rein maschinell übersetzt werden, sondern müssen von einem Menschen individuell geprüft werden.
Eine Übersetzung in die am meisten gesprochenen Fremdsprachen würde die Zugänglichkeit dieser Bürgerdienste für eine große Anzahl von Berliner:innen erhöhen. Um die Barrierefreiheit von Anträgen zu verbessern, ist eine Übersetzung in Leichte Sprache und/oder Einfache Sprache – bei gleichzeitiger Einhaltung der Rechtssicherheit – sinnvoll. Wie schon angemerkt, verwenden Verwaltungsanträge oft eine besondere Art von Amtssprache, die für viele Person schwer zu verstehen ist. Durch eine angepasste Sprache können Inhalte auf das Wesentlichste heruntergebrochen und dadurch mehr Klarheit für viele Bürger:innen geschaffen werden. Eine Leichte Sprache und Einfache Sprache ist besonders hilfreich für Personen, die aus verschiedenen Gründen Schwierigkeiten beim Lesen der deutschen Sprache haben (darunter zählen Personen, die Deutsch als Fremdsprache sprechen, aber auch deutsche Muttersprachler:innen).
Fazit
Das Zusammenspiel von gesetzlichen Vorgaben, technischen Möglichkeiten und diversen Nutzer:innenbedarfen führt dazu, dass die Anpassung und Modernisierung von Verwaltungsanträgen kein Anliegen ist, das von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Aber dank der Mitwirkung von Bürger:innen sowie Partner:innen aus der Berliner Verwaltung, konnten wir mit unserer Designstudie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, wie Verwaltungsanträge zukünftig nutzer:innenfreundlicher gestaltet werden können.