Bei unserer Mitarbeit im Projekt Bürgeramt der Zukunft werfen wir einen genauen Blick auf den Arbeitsalltag und die Abläufe in Berliner Bürgerämtern, um daraus gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen und direkt zu testen. Eine ganz zentrale Frage war: Welche Arbeitsabläufe im Ausbildungsbürgeramt können optimiert werden, damit das 14-Tage-Ziel in Berlin – also die Möglichkeit, innerhalb von 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt zu erhalten – besser erreicht werden kann? In Teil 1 und Teil 2 des Projekts haben wir darüber berichtet, wie wir mithilfe einer Tagebuchstudie und einem Shadowing die Abläufe im Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg besser verstehen und somit einen wertvollen Einblick in die aktuellen Herausforderungen gewinnen konnten.
In diesem dritten Teil widmen wir uns einer weiteren Erkenntnis aus der Recherchephase, die wir gemeinsam mit dem Amt für Bürgerdienste Friedrichshain-Kreuzberg und der Senatskanzlei vertieft untersucht haben: Bei den Terminen für eine An- und Ummeldung im Bürgeramt kommt es häufig zu Abbrüchen, weil Unterlagen fehlen oder die falschen Dokumente mitgebracht wurden. Wie können diese Abbrüche reduziert werden? Um diese Frage zu beantworten, haben wir Interviews mit Mitarbeitenden des Bürgeramtes durchgeführt und auf deren Grundlage einen Prototypen entwickelt – den “Anmelde-Check“, eine digitale Checkliste, die Bürger:innen dabei unterstützen soll, die richtigen Dokumente für ihren individuellen Fall mitzubringen.
Wie wir genau vorgegangen sind und wie der Anmelde-Check sich im Praxistest mit den Bürger:innen geschlagen hat, erfahrt Ihr in diesem Blogbeitrag!
Der Prototyp “Anmelde-Check”
Für die Entwicklung des Prototyps haben wir uns mit der Frage beschäftigt, warum Unterlagen für den Bürgeramtstermin fehlen oder unvollständig sind. Die These war, dass die aktuellen Beschreibungen der Dokumente für Bürger:innen nicht immer leicht verständlich sind, und es ihnen teilweise nicht klar ist, welche Dokumente für ihren individuellen Fall benötigt werden. Auf der Grundlage dieser Annahme wurde ein Useflow erstellt, also eine Übersicht darüber, welche Fälle es gibt, und welche Informationen dafür relevant sind.
Die Informationen wurden dann in Fragen übersetzt, die im “Anmelde-Check” Schritt-für-Schritt abgefragt werden. Nach Beantwortung der Fragen wird eine Auflistung aller benötigen Dokumente angezeigt, die bei Bedarf durch eine Checkbox abgehakt und heruntergeladen werden können.
Unser Prototyp auf dem Prüfstand
Um die Wirkung des Prototyps auf die Terminabläufe für die An- und Ummeldung im Bürgeramt zu testen, wurde eine Testwoche in Zusammenarbeit mit dem Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg organisiert. Während dieser Woche wurden ausschließlich Termine für die Anmeldung oder Ummeldung einer Wohnung vergeben. Drei Tage vor den Terminen erhielten die Bürger:innen eine E-Mail mit dem Link zum Prototypen, damit sie diesen vorab ausprobieren und testen konnten. Um eine aussagekräftige Datenerhebung zu erfassen, wurde die Anzahl und die Gründe von Terminabbrüchen sowohl in der Woche vor dem Test als auch während der Testwoche festgehalten. Dies erfolgte mithilfe eines Onlinetools und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden aus dem Ausbildungsbürgeramt.
Während der Testwoche waren Mitarbeitende des CityLAB vor im Ausbildungsbürgeramt, um mit den Bürger:innen über ihre Erfahrungen mit dem Prototyp zu sprechen und herauszufinden, welche Funktionen besonders hilfreich waren. Am Ende ihres Termins wurde darauf aufmerksam gemacht, dass eine quantitative Befragung stattfindet. Dazu erhielten die Bürger:innen Tischtennisbälle, mit denen sie schnell und unkompliziert abstimmen konnten, ob der Prototyp hilfreich war oder nicht. Diese Methode ermöglichte eine erste Einschätzung zur Akzeptanz des Prototyps und zeigte, wer ihn tatsächlich genutzt hatte. Insgesamt führten wir Gespräche mit 20 Bürger:innen, die uns ihr Feedback zur Nutzung des Prototyps mitteilten.
Unsere Erkenntnisse: Die Auswertung der Testphase
Wir freuen uns, denn die Rückmeldungen der Bürger:innen waren überwiegend positiv. Viele fanden den Prototyp verständlich und sehr hilfreich für die eigene Terminvorbereitung. Einige berichteten, dass sie nur dank der im Prototyp aufgeführten Dokumentenliste an bestimmte Formulare gedacht hatten. Unser Ziel, die Terminabbrüche aufgrund fehlender Dokumente zu verringern, konnte in diesen Fällen erreicht werden. Zudem gaben einige Bürger:innen an, dass ihnen die Liste ein sicheres Gefühl vermittelte, nichts vergessen zu haben. Um einen noch besseren Eindruck von den Erfahrungen zu bekommen, haben wir auch Zitate der Bürger:innen gesammelt:
“Ohne die Checkliste hätte mir ein Formular gefehlt: das Anmeldeformular.”
Bürger aus der Befragung
„Ich denke eher an einen Check-in wie beim Flughafen. Etwas verwirrend, aber wenn man die E-Mail liest, ist es klar.“
Bürgerin aus der Befragung
Allerdings stellte sich auch heraus, dass der Name „Anmelde-Check“ nicht intuitiv genug war und erst im Kontext oder in der Nutzung des Prototyps verständlich wurde. Da wir iterativ arbeiten und auf Basis des Feedbacks Anpassungen vornehmen, haben wir beschlossen, den Namen zu ändern. Es gab ein paar Bürger:innen, die keinen Nutzen aus dem Prototypen ziehen konnten. Dazu gehören vor allem solche, die bereits häufig in Berlin umgezogen waren und den An- und Ummeldeprozess gut kannten. Im Anschluss an die Testwoche wurde die Nutzung des Prototyps mithilfe des Tools Matomo ausgewertet. Insgesamt wurden 129 Termine vergeben und der Prototyp wurde 170 Mal aufgerufen, was darauf hinweist, dass einige Nutzenden ihn mehrfach konsultierten. Die Conversion-Rate, also der prozentuale Anteil der Nutzenden, die sich von der Startseite bis zur Dokumenten-Checkliste am Ende durchgeklickt haben, lag bei 58%, was einen relativ hohen Wert darstellt. Die Nutzung des Prototyps verteilte sich auf 43% Desktop-Geräte und 57% mobile Geräte. Von den angebotenen sieben Sprachen wurde Englisch nach Deutsch am häufigsten gewählt, gefolgt von Spanisch und Arabisch.
Während der Testwoche konnte die Zahl der Terminabbrüche von 18% auf 14% gesenkt werden. Gleichzeitig haben – vermutlich aufgrund der erhöhten Aufmerksamkeit durch die zusätzliche E-Mail – mehr Bürger:innen ihre Termine abgesagt, wenn sie nicht mehr erscheinen konnten.
Wie geht es weiter?
“Das Bürgeramt der Zukunft hat sich zur Aufgabe gemacht, Ideen auszuprobieren und die Wirkung auf die KundInnen und Prozesse herauszufinden. Dabei konzentrieren wir uns auf das MACHEN, ohne lange vorher in Projektstrukturen zu denken und zu viele Bedenken zuzulassen. Dieser Prototyp ist eine Brücke zwischen unserer Idee und der Realität. Zusammen mit dem CityLAB ist es uns auch in diesem Fall gelungen, eine Idee zur Verbesserung der Kommunikation mit KundInnen zu testen und wir freuen uns die sehr positiven Ergebnisse und Erkenntnisse zusammen mit der Senatskanzlei Berlin und dem CityLAB weiter zu Verfolgen und in der Realität zu verstetigen.”
Oliver Kühle, Fachbereichsleiter der Bürgerämter in Friedrichshain-Kreuzberg
Wie bereits im vorherigen Projekt mit dem Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg wurde auch hier eine Idee umgesetzt, die aus den Beobachtungen der Mitarbeitenden hervorging. Dies zeigt uns, dass besonders die wertvollen Einsichten der Mitarbeitenden entscheidend sind, konkrete Herausforderungen zu verstehen und anzugehen. Zusätzlich haben wir erfahren, dass die frühe Entwicklung eines Prototyps entscheidend ist, um eine Idee konkret werden zu lassen und allen Beteiligten ein besseres Verständnis dafür zu vermitteln, wie die Idee in der Praxis funktionieren soll.
Die nächsten Schritte zur möglichen Integration des Prototyps in die bestehenden Informationsangebote besprechen wir mit der Fachbereichsleitung der Bürgerämter Friedrichshain-Kreuzberg und der Senatskanzlei Berlin.
Wer Lust hat, den Prototypen einmal auszuprobieren – hier geht es zur Anwendung: