Die im MPSC-Kontext entstandene Smart City- und Digitalstrategie Gemeinsam Digital: Berlin (GD:B) ist bewusst als lernender Prozess angelegt – und hebt sich damit von anderen Strategien ab. Diese setzen meist bei ihrer Verabschiedung auf Ziele, die dann über Jahre hinweg verfolgt werden – ohne auf sich ändernde Rahmenbedingungen achten zu können. Gerade in dynamischen Themenfeldern wie Digitalisierung und Stadtentwicklung kann das dazu führen, dass Strategien im Lauf der Zeit dazu neigen an der Realität vorbeizuwirken. GD:B versucht, dieses Risiko zu lindern: mit einem flexiblen Ansatz, der auf Feedback, Weiterentwicklung und Anpassung setzt – und Lernen zur Grundhaltung macht.
Ein gemeinsames Team aus der Senatskanzlei, der Smart City Unit von Berlin Partner und CityLAB Berlin geht regelmäßig mit den Pilotmaßnahmen der Strategie GD:B ins Gespräch und evaluiert, welche Aktivitäten funktionieren und “wirken”, und vor allem auch, welche nicht. Wissenschaftlich gesprochen würde man hier von lernzentrierter Evaluation sprechen. Hier können Erkenntnisse auf unterschiedlichen Ebenen entstehen: Erkenntnisse darüber, wie wir arbeiten, welche Dinge wir angehen sollten, und auch wie der Lernprozess selbst verbessert werden kann.
In diesem Artikel versuchen wir das anhand drei konkreter Erkenntnisse, die wir im Jahr 2024 mittels einer großen Retrospektive (regelmäßiger Projekt- oder Prozess-Rückblick) zusammengetragen haben, zu veranschaulichen.

Erkenntnis 1: Communities können mehr!
Communities sind mehr als die Summe ihrer Einzelteile – das haben wir in den letzten Jahren mehrfach feststellen dürfen. Neben einem agilen und bedürfnisorientierten Umsetzungsmodell zur Durchführung der Maßnahmen und einem thematischen Rahmen, stellt GD:B den Maßnahmenteams auch ein Forum zur Vernetzung zur Verfügung. In diesem Forum, der GD:B-Community, herrscht, neben einem Gemeinschaftsgefühl für Transformation, eine offene, unterstützende Stimmung. In regelmäßigen Community-Treffen wird zusammengekommen, eingebrachte Unterstützungsbitten oder -angebote ausgetauscht und an Lösungen getüftelt. Die Themen reichen von Wirkungsmessung zu Open Source bei IT-Vergaben bis hin zum Skalieren und Verstetigen der Maßnahmen selbst. Bei der GD:B Jahreskonferenz im Roten Rathaus, die auch alle Smart City-Interessierte, die nicht direkt mit der Strategieumsetzung betraut sind, zusammenruft, sorgen wir für zusätzlichen fachlichen Input zu diesen Themen. Das spricht sich herum: GD:B ist mittlerweile zu einem, auch über Smart City-Themen hinaus sichtbaren, Netzwerk für Transformations- und Digitalthemen geworden.
Gleichzeitig braucht eine Community sowohl jemanden, der sich um den Aufbau (Community Building), als auch um den Erhalt dieser Gemeinschaft kümmert, und das kostet Ressourcen. Treffen wollen organisiert und moderiert werden, Dokumentationen geschrieben und in Umlauf gebracht werden. Gemeinsame Aktivitäten, die sich nicht sofort in Projektergebnisse ummünzen lassen, müssen oft besonders gut begründet werden. Dennoch sind wir überzeugt: Der Aufwand lohnt sich und wirkt perspektivisch über die erste Umsetzungsphase hinaus.

Erkenntnis 2: Umsetzungsmodelle helfen – Feedbackschleifen mit den Projektteams machen sie noch besser
Das im Zuge der Strategieerarbeitung entwickelte Umsetzungsmodell für die Maßnahmen legt Prozesse fest, die den Teams ermöglichen im Projekt iterativ und bedürfnisorientiert zu arbeiten. Agile Prinzipien wie starke Nutzendenorientierung, prototypisches Vorgehen und Verstetigung und Skalierung als mitgedachte Projektanteile führen schnell zu sichtbaren, nutzbaren Ergebnissen – meist zielführender als am Reißbrett entworfene Projektpläne, die stur durchdekliniert werden.
Gleichzeitig ist so ein Umsetzungsmodell nicht besonders niederschwellig. Umsetzungsteams, die das erste Mal mit agilem Projektmanagement in Kontakt kommen, müssen abgeholt werden. Wenn Modelle, die eigentlich Hilfe stellen sollen, selbst als komplex wahrgenommen werden, erübrigt sich im schlechtesten Fall ihr positiver Einfluss. Dies bedeutet auch einen zusätzlichen Aufwand. Das Unterstützungsangebot des CityLABs bietet, neben Begleitworkshops, auch Raum für Feedback, das in der Umsetzungsbegleitung aufgenommen und berücksichtigt wird, z.B. durch Überarbeitung der Materialien (bspw. Whiteboard-Templates, Leitfäden). Ziel ist, die zugrundeliegenden Ideale wie Nutzendenzentrierung auch Teams nahezubringen, die keine Design- oder IT-Hintergründe haben. Ein „Aha“-Moment, der in die Überarbeitungen und Neuentwicklungen der Hilfsmaterialien fließt: Noch einfachere Formulierungen, weniger Textmenge und ein besonderes Auge auf Kohärenz und Stimmigkeit, in Ablauf und Verwendung von Begrifflichkeiten.

Erkenntnis 3: Smart City nah an den Bürger:innen denken
Smart City ist, und das wissen mittlerweile die meisten Akteur:innen, kein Thema, das Bürger:innen im Alltag umtreibt. Das liegt in Teilen an den komplexen, technischen Themen, die in diesem Bereich verhandelt werden, in Teilen auch daran, dass gute, funktionierende Technologie im besten Fall unsichtbar wirkt. Sichtbar ist sie, wenn es hapert. Erschwerend hinzu kommt der bis heute erfolglose Versuch des Findens einer einheitlichen Definition von Smart City. Ein Grund ist aber auch, dass sogenannte Smart Cities oft nicht gerade “nah” an den Bürger:innen agieren. Berlin sticht hier positiv hervor. Im Rahmen von GD:B wirken erfolgreiche Unterstützungsangebote für weniger digital-affine Gruppen: Das Seniorennetz, welches erfolgreich über Angebote für ältere Menschen informiert, und die mittlerweile an zahlreichen Landesbibliotheken eingesetzten Digitallots:innen des Digital-Zebras, die Fragen von allen beantworten, die Unterstützung benötigen. Auch das Kiezlabor ist eine Maßnahme, die im Stadtraum auf öffentlichen Plätzen sichtbar mit einem umgebauten Schiffscontainer den CityLAB-Ansatz und innovative Beteiligungsformate im Kiez umsetzt.
Diese Angebote erfreuen sich großer Beliebtheit, sind bekannt und erfolgreich. Durch aktivere, sichtbarere Platzierung der GD:B-Marke können sie noch mehr Bürger:innen zeigen, was „smart“ über hochtechnische Fachdiskussionen hinaus noch heißen kann: inklusiv, hilfsbereit, mit technischen Hilfsmitteln „menschlicher“ als ohne. Durch nutzendenorientierte Angebote und klares Herausstellen der Vorteile und Verbesserungen für die Bürger:innen, lässt sich auch in Zukunft Unterstützung für das Thema Smart City stiften.
Nach dem Lernen ist vor dem Lernen
Das ist nur eine Auswahl der Aspekte, die wir im Rahmen der vielen Reflektionsgespräche der letzten Jahre identifiziert haben. Beim Reflektieren selbst belassen wir es aber nicht, sondern legen konkrete Schritte fest, um gewünschte Effekte zu verstärken oder hindernde Faktoren zu beseitigen. Wie gut oder schlecht das funktioniert hat, sehen wir dann spätestens in der nächsten Retrospektive.