Städte neu denken – und lebenswert gestalten
Ob Baden in der Seine bei den Olympischen Spielen, oder mehr Raum für Bäume statt für SUVs im Rahmen einer umfassenden Resilienzstrategie – Paris setzt immer wieder Maßstäbe in der urbanen Transformation. Hinzu kommt die Fähigkeit der Metropole, Tradition und Moderne zu vereinen. Heute überzeugt die Stadt nicht nur mit ehrgeizigen Zielen und innovativen Konzepten – sondern auch mit ihren Menschen und Netzwerken.
In diesem Kontext haben wir uns sehr über die Einladung zur Screenless Cities Conference des Thinktanks Urban AI gefreut! Mit Einblicken in das Forschungsprojekt QTrees, in unser mobiles Labor Kiezlabor und dem neuen Talking Treebot haben wir greifbare Beispiele für das Zusammenspiel aus Technologie, kreativer Zusammenarbeit und Einbindung der Menschen vor Ort mitgebracht und mit Teilnehmenden aus aller Welt deren Potentiale und Anwendungsgebiete diskutiert.
Im Rahmen der Konferenz, sowie an den darauffolgenden Tagen, haben uns verschiedenste Pariser Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft spannende Einblicke in Ihre Arbeit gewährt und uns gezeigt, wie sich Paris zu einer nachhaltigeren, resilienteren, und dabei stets menschen-zentrierteren Stadt entwickelt.
Die Stadt als multisensorische Plattform
Von der Leinwand, über den Computer, zum Smartphone und zur Smartwatch – Bildschirme begleiten ständig im Alltag – zunehmend auf Kosten der persönlichen Interaktion. Das Problem der sogenannten Smombies (Smartphone-Zombies) rückt zunehmend in den Fokus unserer Gesellschaft, sodass erste Städte und Kiez-Cafés Smartphone-freie Zonen einführen. Doch was wäre, wenn Technologien nicht verboten würden, sondern den öffentlichen Raum stattdessen zu einem multisensorischen Erlebnis machen könnten? Dieser Frage und den passenden Lösungsansätzen widmeten wir uns auf der Screenless City Conference von UrbanAI – einem Think Tank aus global vernetzten Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen.
Lösungen wie Spatial Pixel experimentieren mit Licht, Klang oder physischer Interaktion, um die Interaktion mit Objekten, die uns im Alltag umgeben, neu zu denken und für alle zugänglich zu gestalten. Niedrigschwellige Ansätze wie DynamicLand aus Kalifornien zeigten, wie ein digitaler Planungstisch die haptische Interaktion mit Daten neu definiert. Beide Lösungen explorieren, wie die eigene Umgebung selbst als Plattform wahrgenommen werden kann.
„Technologien sollten immer zweckgebunden und transparent eingesetzt werden. Der öffentliche Raum als „Screen“ ist deshalb eine geniale Idee, weil es erstens Technologien und Daten transparent verständlich und wortwörtlich greifbar macht, und zweitens die Menschen ermuntert, sich aktiv an der Stadtgestaltung zu beteiligen.“ Henriette Närger, Product Owner, CityLAB Berlin
Spielen als Werkzeug für Gemeinschaft und Innovation
Spielen dient nicht nur der Unterhaltung, sondern ist auch ein Mittel, um Menschen miteinander zu verbinden und neue Perspektiven zu eröffnen. Eric Gordon vom Engagement Lab erklärte, dass Spiel die Art und Weise verändert, wie Menschen städtische Prozesse wahrnehmen und sich daran beteiligen. „Menschen, die sich sonst nie beteiligen würden, fühlen sich häufig eher durch kreative und niedrigschwellige Formate angesprochen. Und es sind genau die Menschen vor Ort, die mit darüber entscheiden sollten, was ’smart‘ in ihrem Kontext eigentlich bedeutet“, so Gordon. Projekte wie Beta Blocks und Watershed’s Playable City zeigen darüber hinaus, wie kreative Interventionen Bürger:innen dazu einladen, den öffentlichen Raum und Daten gemeinsam zu verstehen und zu gestalten.
Daten & Künstliche Intelligenz – for Good!
Dass in Paris Künstliche Intelligenz auch klimafreundlich sein kann, demonstrierte uns das StartUp nexqt. Mit Hilfe von Geo-AI und Machine Learning können Lücken in Verkehrs- und Gebäudedaten geschlossen werden, um Tendenzen des CO2-Verbrauchs und somit Handlungsräume und schließlich Maßnahmen auf Quartiersebene voranbringen zu können. EUBUCCO ergänzt diese Arbeit mit einer umfassenden Datenbank von Gebäudegrundrissen in ganz Europa, was Planungsprozesse maßgeblich erleichtert.
„Die wahre Herausforderung für Städte in der Klimapolitik liegt nicht im Sammeln von Daten, sondern darin, aus ihnen handlungsorientierte Erkenntnisse zu gewinnen. Statt lange Exceltabellen und Einzelmaßnahmen zu verwalten, braucht es einen ganzheitlichen Ansatz auf Gebäude- und Quartiersebene, um Komplexität effektiv zu bewältigen.“ betonte Fouzi, CEO nexqt.
Neben dem klimatischen Kontext kann KI auch zur Steigerung von Privatsphäre und Datenschutz genutzt werden. So zeigte das Startup Capable wie KI-generierte Stoffmuster und Kleidungsstücke genutzt werden können, um Einzelne vor einer automatisierter Gesichtserkennung im Alltag zu schützen. Beide technologischen Lösungen sind ein wichtiger Schritt, um auf die Komplexität klimatischer und gesellschaftlicher Anforderungen greifbare Antworten zu finden.
Beteiligung, die wirklich zählt: Lehren aus dem 17. Arrondissement
Ein Highlight unseres Besuchs war der Austausch mit Geoffroy Boulard, dem Bürgermeister des 17. Arrondissements in Paris. Nicht nur seine Projekte, sondern auch er persönlich betonte die Bedeutung von Co-Creation mit Bürger:innen: „Von Co-Creation bin ich fest überzeugt. Es ist am besten, wenn Menschen gemeinsam mit den Behörden Lösungen entwickeln. Es geht nicht nur um die Plattformen, die wir bereitstellen. Wir schaffen Kanäle, um zu zeigen, dass etwas passiert und umgesetzt wird.“ Diese Haltung spiegelt sich in einigen Projekten des Arrondissements wider, die Bürger:innen vor Ort aktiv in urbane Veränderungsprozesse einbinden und innovative Startups langfristig fördern.
So auch das IoT-Startup UpCiti, welches eine langjährige Förderung erhält, um die Nachbarschaft mit Hilfe von IoT-Sensorik beruhigen soll. Kameras mit geringer Auflösung und einem Mikrofon erleichtern die Parkplatzsuche und reduzieren das Verkehrsaufkommen. Einsatzkräfte werden zur Bekämpfung von Lärmeblästung automatisiert über die aktuelle Lage im Arrondissement informiert.
„Es braucht neben innovativen Lösungen auch langfristige Investitionen, um wirkungsvolle Ergebnisse in urbanen Gemeinschaften zu erzielen. Zu sehen, wie Umsetzungsprojekte in Paris angegangen werden, sollte als Maßstab für andere Städte gelten.“ Julia Zimmermann, Bereichsleitung Digital Services, Technologiestiftung Berlin
Fazit: Zusammenarbeit, Austausch und Kreativität als Schlüssel
Paris hat gezeigt: Die Zukunft unserer Städte liegt in der Verbindung von Technologie, Kreativität und echter Beteiligung. Projekte wie das Kiezlabor des CityLAB Berlin beweisen, dass Innovation vor allem dort entsteht, wo Menschen aktiv einbezogen werden und Lösungen vor Ort getestet werden. Die Technologiestiftung Berlin unterstützt diese Entwicklung durch praxisnahe Forschung und den Einsatz digitaler Technologien, die Verwaltung und Zivilgesellschaft näher zusammenbringen.
„Der Austausch zwischen Städten zeigt das enorme Potenzial gemeinsamer Weiterentwicklung – von Open-Source-Ansätzen bis hin zu echter, gelebter Beteiligung vor Ort. Starke Netzwerke, die lokale Projekte mit internationaler Zusammenarbeit verbinden, sind unverzichtbar, um Herausforderungen wie die Klimakrise oder die Digitalisierung über Stadtgrenzen hinweg gemeinsam und nachhaltig zu meistern.“ Yannick Müller, Strategic Partnerships, CityLAB Berlin