Open Data and the City – Die ODIS-Kolumne #2

Berlin, verrat mir, was du weißt! 

Von Klemens Maget – 22. Oktober 2024

Seit 2018 begleitet die Open Data Informationsstelle Berlin (ODIS) unsere Stadt auf ihrem Weg zu einer offenen, nachhaltigen und datengetriebenen Gesellschaft. Der Fokus liegt dabei auf der Bereitstellung und Nutzung offener Daten. In unserer Kolumne berichtet jeweils ein Teammitglied, anhand der Etappen der Open Data Journey, ihre Arbeitserfahrungen und gewährt einen spannenden Einblick in ihre Projekte – inklusive ein paar Geschichten aus dem Nähkästchen! 

Zitat von Klemens Maget aus dem Team der Open Data Informationsstelle (ODIS).

Was ist eigentlich typisch Berlin? 100 Datensätze wissen die Antwort

Man könnte denken, dass einen nach vielen Jahren in Berlin nichts mehr überraschen kann. Doch Berlin beweist immer wieder das Gegenteil. Mein Fahrradkeller wurde dieses Jahr schon zum zweiten Mal leergeräumt – passiert das nur mir? Der Bus kommt zu spät – war der früher nicht mal pünktlicher? Und auf dem Heimweg gerate ich in eine Demo zwischen Kotti und Hermannplatz. Hätte ich das nur gewusst!  

Aber was wissen wir eigentlich wirklich über unsere Stadt? Welche Informationen sind für uns besonders relevant? Darüber haben sich schon vor knapp drei Jahren meine Vorgänger:innen im Rahmen ihrer Arbeit bei der Open Data Informationsstelle (ODIS) Gedanken gemacht. Mit der Publikation „Berlins Kerndatensätze“ entstand eine Liste von 100 besonders wertvollen Datensätzen, die im Dialog mit verschiedenen Vertreter:innen der Stadtgesellschaft erarbeitet und als besonders wertvoll für Berlins Bürger:innen identifiziert wurden. Darunter finden sich Infos zu Fahrraddiebstählen und Demonstrationsrouten, aber auch zu Themen wie der Entwicklung des Mietspiegels, der Versorgung mit freiem WLAN oder der Verfügbarkeit von Sportstätten für Vereine. 

Im November 2023 wurde das Konzept der Kerndatensätze in die Berliner Open Data Strategie aufgenommen – und dieses Jahr wurde es meine Aufgabe, die jeweils zuständigen Stellen für diese Datensätze zu identifizieren und ihre Veröffentlichung anzustoßen. Klingt einfach? Ganz so simpel war es nicht! 

Als ODIS-Datendetektiv auf der Jagd nach den Datenschätzen der Verwaltung 

Bei der Suche nach den Kerndatensätzen wurde mir eine Herausforderung besonders deutlich: Die meisten Berliner Behörden haben keinen klaren Überblick darüber, wo welche Daten liegen und wer dafür zuständig ist.  

Bei manchen Themen mag es zwar offensichtlich erscheinen, welche Behörde zuständig ist, doch oft ist es ein langwieriger Prozess, erst die richtige Abteilung, dann das passende Referat und schließlich die datenhaltende Stelle oder den oder die richtigen Ansprechpartner:in zu finden.  

Ein Beispiel: Wo befinden sich Defibrillatoren im öffentlichen Raum? Liegt diese Information bei der Gesundheitsverwaltung? Oder doch bei der Innenverwaltung? Nach mehreren Telefonaten und E-Mails stellte sich heraus: Die Berliner Feuerwehr führt in ihrem Einsatzleitsystem 475 Defibrillatoren-Standorte – jedoch fehlen genaue Daten zu den Standorten in öffentlichen Gebäuden. Immerhin wusste ich nun, dass ich für diesen Datensatz bei der Feuerwehr ansetzen muss.

Datenmanagement ist kein reines Open Data Thema, sondern hilft vor allem der Verwaltung selbst 

In den 12 Bezirksverwaltungen, 10 Senatsverwaltungen und zahlreichen nachgelagerten Behörden der Berliner Verwaltung sammelt sich eine immense Menge an Daten, die für Berichte, Reports und die strategische Steuerung der Stadt entscheidend sind. Ohne zentrales Datenmanagement wird es da schnell unübersichtlich. Meine Anfragen zur Identifizierung der Kerndatensätzen mag für die Verwaltung ungewohnt sein, dabei sind Informationsanfragen “von außen” eigentlich die Regel. Täglich werden Presseanfragen oder parlamentarischen Anfragen an die Behörden gestellt und haben oft höchste Dringlichkeit. Mit über 100.000 Beschäftigten und einer Vielzahl von Fachverfahren und Datensätzen kann die Identifizierung von Ansprechpartner:innen für diese Anfragen zu einem zeitraubenden Kraftakt werden – und das Happy End ist nur sicher, wenn die gesuchte Person nicht gerade im Urlaub ist. 

Oft basiert der Wissenstransfer auf Routinen und Erfahrungswerten, die über Jahre hinweg aufgebaut wurden. Doch was passiert mit diesem informellen Wissen, wenn nach Schätzungen der Senatsverwaltung für Finanzen bis 2031 rund 30 Prozent der Beschäftigten in den Ruhestand gehen? Viele der Ansprechpersonen werden wegfallen, und es droht, dass wichtige Informationen verloren gehen.  

Selbst wenn Ansprechpersonen gefunden werden, ist es nicht immer gewährleistet, dass alle relevanten Informationen offengelegt werden. Ein weiteres Beispiel: Eine schriftliche Anfrage zum Ausbaustand von Solaranlagen auf Schulen wurde von der Senatsverwaltung für Wirtschaft beantwortet – obwohl die Bildungsverwaltung noch wesentlich detailliertere Informationen hätte liefern können. 

Die Vision: Ein zentraler Datenkatalog für die Verwaltung 

Auch bei ODIS werden wir häufig gefragt, ob Daten zu bestimmten Themen vorliegen. Dieses Jahr wandte sich eine Mitarbeiterin der Verwaltung an uns, die herausfinden wollte, welche Stellen Daten über Geflüchtete führen. Sie wollte damit neue politische Steuerungsindikatoren entwickeln. Eine klare Antwort konnten wir ihr jedoch nicht geben. Zwar finden sich einige wenige offene Informationen zum Thema Geflüchtete im Open Data Portal, aber interne Daten? Die könnten in verschiedenen Stellen vorliegen: Bezirksämter, das Landesamt für Einwanderung (LEA), das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) oder in den Senatsverwaltungen für Bildung, Gesundheit oder Soziales. Aber wer hat welche Informationen? 

Schaut man also auf die aktuellen und die durch den demographischen Wandel zu erwartenden Herausforderungen und auf die Ansprüche einer modernen, datengetriebenen Verwaltung, so wird immer klarer: Es bedarf einer behördenübergreifenden Datenbestandsübersicht, die es ermöglichen würde, Daten und Verantwortliche nicht nur gezielt zu finden, sondern idealerweise sogar neue Schnittmengen und Potentiale in der Interaktion mit und Kombination von Daten zu identifizieren. Diese könnte in Form eines verwaltungsinternen Metadatenkatalogs daherkommen, den man nach Schlagworten durchsuchen und filtern könnte.  

Die Jagd auf Berlins Kerndatensätze geht weiter 

So weit sind wir in Berlin leider noch nicht. Meine Suche nach den Kerndatensätzen bleibt also vorerst eine Detektivarbeit. Zum Glück habe ich dabei wichtige Verbündete: In fast jeder Behörde sind Open Data Beauftragte aktiv, die sich seit Jahren einen Überblick im Datendschungel verschaffen. Mit ihrer Unterstützung konnten wir bereits zahlreiche Kerndatensätze identifizieren und als Open Data aus ihren Silos befreien. 

Nicht nur ich freue mich darüber – auch unser ODIS-Maskottchen, Odi, ist begeistert. Odi, unser Informant für Open Data, pickt sich regelmäßig geöffnete Kerndatensätze heraus und erstellt dazu kleine Statistiken und Datenanalysen. So habe ich zum Beispiel herausgefunden, dass ich tatsächlich in einem der Fahrraddiebstahl-Hotspots Berlins lebe!

Bleib dran – Nächsten Monat geht’s weiter! 

Die nächste ODIS-Kolumne kommt übrigens von unserem Datenvirtuosen Max, der sich dem spannenden Thema “Daten aufbereiten” widmet. Bleib gespannt und lies nächsten Monat mehr!