Open Data and the City – Die ODIS-Kolumne #5

Von Anna Meide – 21. Januar 2025

Seit 2018 begleitet die Open Data Informationsstelle Berlin (ODIS) unsere Stadt auf ihrem Weg zu einer offenen, nachhaltigen und datengetriebenen Gesellschaft. Der Fokus liegt dabei auf der Bereitstellung und Nutzung offener Daten. In unserer Kolumne berichtet jeweils ein Teammitglied, anhand der Etappen der Open Data Journey, ihre Arbeitserfahrungen und gewährt einen spannenden Einblick in ihre Projekte – inklusive ein paar Geschichten aus dem Nähkästchen! 

Zitat für die ODIS-Kolumne 5: Wenn wir als ODIS uns daran machen Kerndatensätze zu öffnen, dann sprechen wir intern oft von “Daten befreien”. Umfangreiche Texte und Tabellen, die in PDF-Silos eingesperrt sind, werden von uns in eine interaktive Form befreit, sodass die Daten für die Stadtgesellschaft zugänglich, explorierbar und interpretierbar werden.

Datenvisualisierung – qu’est-ce que c’est?

Das Lagerfeuer angezündet, das Mammut erlegt, der Hunger gesättigt – sobald das nackte Überleben gesichert war, wandte sich der Mensch visueller Kommunikation zu. Seit den animalischen Darstellungen in der Grotte von Lascaux ist viel Zeit vergangen, doch das Bedürfnis sich seinen Mitmenschen visuell mitzuteilen ist geblieben.

Heute ist Datenvisualisierung eine Darstellungsform wie Fotografie, Illustration oder Text. Die Infografik zeigt den goldenen Satz des Dataviz, der mich durch mein Interfacestudium begleitet hat. Er beantwortet auf elegante Weise sowohl die Was und Wie als auch die Warum Fragen der Datenvisualisierung.

Grafik zur Odis-Kolumne

In einer gelungenen Dataviz verbinden sich Repräsentation und Interaktion zu einer überzeugenden User:innen-Experience. Dann können Menschen geleitet oder explorativ eine grobe Thema-Übersicht bekommen, durch Filtern, Zoomen oder dynamische Abfragen und Kontextinformationen tiefer in die Materie einsteigen oder durch Zeitreihen Einblick in historische Daten bekommen. Daten werden begreifbar.

Daten visualisieren – super gerne, aber warum?

Datenvisualisierungen sind kein Selbstzweck. Als Medium sind sie gesellschaftlicher Relevanz verpflichtet: “Public information should be made public. Information about our urban environment should be made understandable.” schrieb R. S. Wurman, einer der Ur-Paten des Informationsdesign bereits in den 70er Jahren. Datenvisualisierung ist auch eine Frage der Haltung.

Werden Dataviz aus einer humanistischen Haltung (Data Humanism) heraus gestaltet, einer Haltung, die den Menschen ins Zentrum stellt, so dienen sie einer ganzen Reihe gesellschaftsfördernder Zwecke:

  • Sie ermöglichen datenbasierte Entscheidungsgrundlagen zur Steigerung des Gemeinwohls
  • Sie führen zu Empowerment, da sie Daten zugänglich(er) machen
  • Sie vermitteln Erkenntnisse, die bestehende Meinungen hinterfragen und zu neuen Betrachtungen eines Problems anregen können
  • Sie fördern gelingende Wissen(schafts)skommunikation durch Reduzierung von Komplexität
  • Sie erlauben visuelle statt textliche Informationsvermittlung, die schneller aufgenommen werden kann – man stelle sich nur einen Fluchtplan als Text vor 😱
  • Sie fördern gesellschaftliche Selbstreflexion durch die Berücksichtigung historischer Kontexte und kritisches Hinterfragen eigener Annahmen
  • Sie erlauben eine selbstbestimmte Datenexploration, die verschiedene Blickwinkel und Perspektiven erlaubt und ungesehene Beziehungen aufdeckt

Aus meiner persönlichen Sicht spielt Empowerment gerade heute eine wichtige Rolle. Wenn wir als ODIS uns daran machen Kerndatensätze zu öffnen, dann sprechen wir intern oft von “Daten befreien”. Umfangreiche Texte und Tabellen, die in PDF-Silos eingesperrt sind, werden von uns in eine interaktive Form befreit, sodass die Daten für die Stadtgesellschaft zugänglich, explorierbar und interpretierbar werden. Da wir in und für Berlin arbeiten, ist Urbanität dabei ein Schwerpunkt unserer Arbeit und damit die Frage nach der Umgestaltung der Stadt. Bei der Konzeption unserer Prototypen, die oft in Kooperation mit weiteren Stadtakteur:innen stattfindet, stellen wir uns oft die Frage, wie eine interaktive Darstellung städtischer Daten transformative Haltungen und Praktiken in der Stadtbevölkerung und Verwaltung fördert? Empowerment der breiten Stadtbevölkerung führt so hoffentlich zu mehr Mitsprachemöglichkeiten.

Stunden für Sekunden – Datenvisualisierung ist viel Team und viel Arbeit

Die weitläufige Annahme, Daten würden für sich selbst sprechen, trifft nicht zu – wir die Datenexpert:innen und Gestalter:innen tun das. Bevor aus einem bestimmten Datensatz eine schöne Datenvisualisierung entsteht, müssen Rohdaten kuratiert, validiert, integriert, angereichert, strukturiert, geparsed (zerlegt) und gereinigt werden. Sog. Datadumps sind messy, da sie fast immer Unstimmigkeiten, fehlende Werte, fehlerhafte Einträge, Dopplungen, Ungenauigkeiten u.ä. enthalten.

Wie einst Einzeller im uferlosen Ozean leben wir heute umgeben von einem Rohdatenmeer. Sensoren, Privatmenschen, Verwaltungen, Institutionen und Unternehmen – alle speisen täglich dieses Datenmeer mit zunehmend mehr Datenmengen. Damit daraus eine sinnvolle Datenvisualisierung entstehen kann, benötigt es interdisziplinäre Zusammenarbeit, die am besten von einem Team abgedeckt werden kann. Dataviz speist sich u.a. aus so unterschiedlichen Disziplinen wie Kartografie, Statistik oder Interfacedesign. In unserer täglichen Arbeit verfolgen wir als interdisziplinäres Team, was im Berliner Open Data Meer geschieht und überlegen uns, wie wir der Stadtgesellschaft helfen können, sich besser darin zurechtzufinden. D.h. wir reden, überlegen, konzipieren, skizzieren, programmieren, gestalten, verwerfen und redesignen sehr viel. Iteration ist fester Bestandteil unseres Prozesses.

Grafik für die ODIS-Kolumne der Open Data Journey.

Das Unsichtbare sichtbar machen

Manchmal wird Datenvisualisierung als die Kunst bezeichnet das Unsichtbare sichtbar zu machen. In unserer ODIS-Praxis haben wir mehrere Formate, in denen wir uns Mühe geben diese Kunst zu praktizieren.

In den Datenperlen visualisieren wir in klassischen Dataviz-Formaten, wie Bar- oder Doughnut-Charts Themen wie beispielsweise Fahrraddiebstahl. Wir wissen alle, es findet statt, doch wir sehen es nicht. Hier hilft die Dataviz zu erkennen wo und wann besonders viele Räder mitgenommen werden.

Eines meiner Lieblingsprojekte aus dem Bereich der Kartografie ist der Berliner EnergieCheckpoint. Hier können auf einer interaktiven 3D-Karte Energieverbräuche einzelner Gebäude exploriert und mit dem Verbrauch eines durchschnittlichen Fünf-Personen-Haushalts verglichen werden. Denn wer weiss schon, ob 2 Millionen Kwh/a viel oder wenig Energie sind?

Kiezcolors ist ein Projekt an der Schnittstelle zwischen Dataviz und Kunst. Unterschiedliche Flächennutzungen der Stadt werden farblich markiert und in ein grafisches Baumdiagram übertragen, das die Nutzer:innen auf einer Postkarte ausgedruckt verschicken können. Die Farbwahl bei diesem Projekt ist von einem Musikalbum inspiriert :).

Last but not least haben wir auch einige Projekte im Bereich der Dataphysikalisation umgesetzt. So z.B. das Kartenspiel ODIS Supertrumpf, das offene Daten der Stadt und den Gamification-Ansatz nutzt, um Wissen zu vermitteln. In Zusammenarbeit mit dem Kiezlabor entstand außerdem die Arbeit Data Strings, in der Passant:innen dazu aufgerufen wurden, Daten zu ihrem Kiez mithilfe von bunten Schnüren beizusteuern.

In jedem Format gilt – Es ist von entscheidender Bedeutung, Daten in Form einer guten, spannenden Geschichte zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu präsentieren.