An der Treskowallee in Lichtenberg traf vom 03.06. bis 14.06. Campus auf Stadtlabor und damit Wissenschaft auf Kiez: Gemeinsam mit der HTW Berlin haben wir den Versuch unternommen, mit dem Kiezlabor eine Brücke vom Campusleben und zur Umgebung zu schlagen und so einen Begegnungsort für Studierende, Kiezbewohner:innen und Nachbarschaftsakteure zu schaffen.
Gemeinsame Interessen waren schnell gefunden – in den vielen Workshops, Impulsvorträgen, interaktiven Formaten und Gesprächen, die im Kiezlabor stattfanden, kamen drei Themen besonders oft zu Tage: Natur- und Umweltschutz, Upcycling und Klimaschutz sowie Mobilität. Warum sich unser Kiezlabor dafür vorrübergehend in eine Nähmaschinenwerkstatt verwandelte und es sich lohnt, ab und zu in andere Rollen zu schlüpfen, darüber berichten wir in diesem Rückblick!
Essbares am Wegesrand, Umweltdaten und aus Alt mach Neu
Am besten lernt man mit den eigenen Sinnen: Deshalb haben wir uns zum Auftakt des neuen Standorts erstmal auf die Suche nach Essbarem begeben. In dem interaktiven Spaziergang zur “Essbaren Stadt” von Simka Senyak von The Wild Path entdeckten die Teilnehmenden allerlei Pflanzen in direkter Umgebung (neu) und verkosteten die eigenen Fundstücke in Form eines selbstgemachten Pestos aus wildem Ruccola, Brennesseln und Spitzwegerich direkt im Kiezlabor – und waren nicht nur geschmacklich positiv überrascht!
Aber nicht nur gesundes Essen braucht der Mensch zum Leben – frische Luft gehört auch dazu! Am Langen Tag der StadtNatur sind wir zusammen mit unserer Kollegin Carolin Clausnitzer in das Thema Citizen Science eingetaucht. Nach einer kurzen Einführung in die Umweltsensorik konnten in diesem Workshop mit Hilfe des Smart Citizen Kit selbst Messungen zur Luftqualität aber auch Lärmbelastung und Lichtverschmutzung durchgeführt werden. Der Microcontroller samt Sensoren wurde zunächst mit dem Laptop und dann auch mit dem eigenen Smartphone verbunden. Auf diese Weise konnten die Teilnehmenden über das Sammeln von Daten in neuen Austausch mit ihrer Umwelt treten und so Zusammenhänge erkennen, die unseren Sinnen sonst oft verborgen bleiben.
Einen neuen Blick auf Bekanntes wirft auch der Fachbereich Gestaltung und Kultur der HTW Berlin – und rückte zur Veranschaulichung sogleich mit Nähmaschinen an! In diesem Studiengang ginge es in erster Linie nicht um Mode, sondern darum, die Nachhaltigkeit von Material und Prozessen zu verstehen und zu verbessern, berichtete die wissenschaftliche Mitarbeiterin Tanita Behrendt. Die Studierenden setzen sich damit auseinander, wie Abfall reduziert und Zirkularität von Textilien gesteigert werden kann.
Wie leicht Upcycling mit Textilien gelingen kann, konnten unsere Kiezlabor-Besucher:innen selbst ausprobieren und schritten dabei sogleich zur Tat – mit Eigenkreationen, bei denen etwa alte Jeanshosen zu tragbaren Blumenkübeln umfunktioniert wurden.
Neben dem schonenden Umgang mit Ressourcen ging es im Kiezlabor auch um den Erhalt der Biodiversität. Dr. Susann Ullrich legte in ihrem Impuls eindrücklich dar, wie leer es in unseren Supermarktregalen und damit letztendlich auf unseren Tellern aussehen würde, wären da nicht die fleißigen kleinen Bestäuber unterwegs. Um sie zu schützen, brauche es mehr Grünflächen in Städten – und zwar keinen getrimmten Rasen, sondern bunte wilde Wiesen, die Insekten ihr Zuhause nennen können. Wenn der eigene Blumenkasten also mal wieder aussieht wie Kraut und Rüben – gut so, einfach mal so lassen und nebenbei einen Beitrag zur Biodiversität leisten!
Bürgeramt 2.0: Dienstleistungen ohne Termin
Ein besonderes Anliegen unseres mobilen Containers ist es, neben der Bedürfnisanalyse in den verschiedenen Berliner Bezirken den Austausch zwischen Verwaltung und Bürger:innen zu fördern. Daher haben wir uns auch in Lichtenberg sehr gefreut, erneut das lokale Ausbildungsbürgeramt zu Gast zu haben. Über zwei Tage boten die Mitarbeitenden Beratung und ausgewählte Dienstleistungen an – ohne Termin, direkt vor Ort. Kein Wunder also, dass sich schnell eine längere Schlange vor unserem Kiezlabor bildete und zu unserer Freude auch Martina Klement, Chief Digital Officer Berlins, auf einen Besuch vorbeikam, um sich mit den Menschen vor Ort und dem Ausbildungsbürgeramt auszutauschen.
Nachhaltigkeitsziele versus Mobilität
Auch die großen Fragen der (Kiez-)Zukunft wurden bei uns diskutiert – vor allem mit Blick auf den Verkehr und die Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele. Hierfür kamen Vertreter:innen aus Bezirk, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um zu diskutieren, wie Lichtenberg nachhaltiger werden kann.
Die Stadträtin für Verkehr, Grünflächen, Ordnung, Umwelt und Naturschutz, Filiz Keküllüoğlu, weiß um die Herausforderungen im lokalen Verkehrsnetz: Neue große Straßen seien in der Planung, gleichzeitig wünschten sich Anwohner:innen eine Verkehrsberuhigung. Ihr Plädoyer an diesem Tag: Die Wissenschaft müsse mehr gehört und Erkenntnisse aus Studien bei Bauvorhaben stärker berücksichtigt werden. Zudem brauche es bessere Alternativen zum Auto in der Stadt.
Ein Alternative, die bereits hoch im Kurs steht, konnte bei der Fahrradwerkstatt von Garage 10 e.V. bei uns im Kiezlabor auf Herz und Nieren geprüft und repariert werden. Der Verein bietet Hilfe zur Selbsthilfe an und versucht, mit dem gemeinsamen Reparieren gespendeter Räder Geflüchteten und Bedürftigen zu einem Fahrrad zu verhelfen. Das Projekt hat bei unseren Besucher:innen viel Zuspruch gefunden und einige Fahrräder wieder sicher zum Rollen gebracht.
Ernst und spielerisch zugleich wurde es dann nochmal beim BVV-Planspiel Fahrradstrasse der Stadtbibliothek Lichtenberg. Mal in eine andere Rolle schlüpfen und gemeinsam zu einer Entscheidung kommen müssen – gar nicht so leicht, wenn konträre Perspektiven auf ein Thema aufeinandertreffen. In diesem Planspiel sollen die Spielenden genau das in der Rolle als Mitglieder einer Bezirksverordnetenversammlung tun und Argumente für und gegen die Umwandlung einer anliegenden Straße zur Fahrradstraße diskutieren.
Dabei konnten die Teilnehmenden nicht nur ihre schauspielerischen und diplomatischen Fähigkeiten unter Beweis stellen, sondern nebenbei auch noch viel darüber erfahren, wie diese Form des politischen Engagements im realen Leben funktioniert – für einige eine positive Erfahrung, die ganz nebenbei auch Berührungsängste mit politischem Engagement abgebaut hat.
Wir hoffen, dass auch wir mit unserer Anwesenheit mit dem Kiezlabor in Lichtenberg die ein oder andere Barriere zwischen “Wissenschaft und Kiez” aufbrechen konnten! Nun putzt sich unser Container heraus für seinen ersten Auftritt auf einer Geburtstagsfeier, und zwar die seines Schöpfers zusagen, denn: Das CityLAB Berlin wird fünf Jahre alt! Das und mehr begießen wir auf der diesjährigen Sommerkonferenz am 27. Juni, wo das Kiezlabor beim Haus Ungarn ein eigenes Programm auffahren wird – also kommt vorbei, wir freuen uns auf Euch!