Was verbindet Jakarta und Berlin? Als eine von 17 Städten weltweit gehört die Hauptstadt Indonesiens seit 1994 zu Berlins Partnerstädten. Und zu einer Städtepartnerschaft gehören neben einem regen Kulturaustausch auch gegenseitige Besuche auf politischer Ebene, um die Zusammenarbeit in unterschiedlichsten Bereichen zu fördern.
Im Juni 2022 empfing das CityLAB Berlin eine Delegation aus Jakarta und Bangkok im Rahmen des EuropeAid-Projekts “Smart Change”, das in Kooperation zwischen der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe und der Jakarta Smart City Unit durchgeführt wird. Das Programm verfolgt das Ziel, den gegenseitigen Austausch zwischen den drei Städten im Bereich Smart Cities zu fördern und das jeweilige lokale Ökosystem vorzustellen, um eine zukünftige Zusammenarbeit im Bereich nachhaltige Stadtentwicklung zu ermöglichen.
Zwei Monate später stand der Gegenbesuch in Jakarta an, bei dem auch das CityLAB dabei sein durfte. Was waren die spannendsten Erkenntnisse und was blieb besonders in Erinnerung? Wir nehmen euch mit und lassen unsere Reise mit euch einmal gemeinsam Revue passieren!
Umkämpfter Wohnraum: Eine Gemeinde gründet ein Aktionsbündnis – mit erstem Erfolg
Ein “Kampung” – indonesich für urbanes Dorf – beschreibt eine traditionelle, aus einzelnen ursprünglichen Dörfern bestehende Wohngemeinde. Im Gegensatz zur modernen urbanen Stadtentwicklung werden Kampungs häufig informeller und selbstbestimmter organisiert. Die Menschen unterstützen sich gegenseitig und können dadurch einen sozialen und kulturellen Mehrwert für alle Bewohner:innen schaffen.
Im Fall von “Kampung Akuarium” leben viele der Menschen dort seit Jahrzehnten und haben oft keine offiziellen Nachweise, dass das Land, auf dem ihr Haus steht, ihnen gehört. Das führte für das “Kampung Akuarium” zu einer existentiellen Gefahr der Verdrängung durch privatwirtschaftliche Investoren, die das Land erworben hatten und zwischenzeitlich Häuser von bis zu 2000 Einwohner:innen zerstörten.
In einem mehrjährigen und oftmals kräftezehrenden Prozess konnte sich ein Aktionsbündnis der Anwohner:innen, das “Bangkit Mandiri Akuarium Cooperative”, das Recht auf ihr Zuhause erkämpfen. Gemeinsam mit der Verwaltung von Jakarta und einem privaten Immobilienkonzern wird nun ein Projekt für sozialen Wohnungsbau entwickelt, der im Gegensatz zu den traditionellen erdgeschossigen Kampung-Häusern mehrstöckig umgesetzt wird. Über das endgültige Recht auf Wohnen wird allerdings noch entschieden und es bleiben Restzweifel, ob die Kampung-Bewohner:innen auch langfristig dort leben können.
Unserer Delegation wurde das Projekt von Mitgliedern der Kooperative und einer beteiligten Architektin in einer sehr persönlichen und äußerst inspirierenden Präsentation vorgestellt. Im Vorfeld hatte es bereits durch eine Tanzperformance dort lebender Kinder einen herzlichen Empfang der Kampung-Bewohner:innen gegeben. Im Anschluss konnten wir eins der bereits bewohnten Gebäude besichtigen und mehr über das für viele Bewohner:innen neuartige Zusammenleben in einem Gebäudekomplex lernen.
Und wer weiß: Vielleicht hat auch die Initiative der Bewohner:innen des “Kampung Akuarium” einen Beitrag dazu geleistet, dass sich die Stadtverwaltung von Jakarta nun aktiver mit der Zusammenarbeit und dem Austausch mit der Zivilgesellschaft auseinandersetzt.
Bürger:innenbeteiligung als Schlüssel zur Lösung von Problemen einsetzen
Ein weiterer Höhepunkt unserer Reise war das “Urban 20 Mayors Summit Side Event”. Hier hatten wir die Gelegenheit, von den Expert:innen Jan Ramos Pandia, Alvaryan Maulana und Puspita Dirgahayani über ihre Forschung und Konzepte zur Inklusion und menschzentrierter Problemlösung zu lernen.
Wir teilen ihr Verständnis, dass eine digitale Transformation im Sinne menschzentrierter Problemlösung nur mit Bürger:innenbeteiligung und Bottom-Up funktionieren kann, indem die Identifizierung von Problemen durch diverse Akteur:innen unterstützt wird und Erkenntnisse in einem experimentellen Rahmen getestet werden. Was uns besonders in Erinnerung bleibt, ist die Notwendigkeit für Beteiligungsformate, authentische Räume in der Nachbarschaft zu schaffen, die ernsthafte und sinnstiftende Interaktionen fördern.
Herausforderung Mobilität: Den Verkehr für 10 Millionen Menschen regulieren
Ein Thema, das uns ebenfalls sehr bewegt hat, ist der öffentliche Nahverkehr in Jakarta. Während unseres Aufenthaltes konnten wir Jakarta aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln der Stadt und mit den verschiedensten Transportmitteln – vom Bus, U-Bahn bis hin zu Taxi und zu Fuß – erkunden und uns dabei einen Eindruck verschaffen, was es bedeutet, ein nachhaltiges Mobilitätskonzept für knapp 10 Millionen Einwohner:innen zu planen.
Obwohl Berlin und Jakarta vor derselben Herausforderung stehen, den motorisierten Individualverkehr zugunsten des Klimaschutzes zu reduzieren, ist die Ausgangslage in Jakarta doch eine ganz andere. Anders als in Berlin, wo die öffentliche Infrastruktur seit 1902 existiert, wurde die erste U-Bahn in Jakarta erst 2004 in Betrieb genommen. Hinzu kommt, dass das Thema Infrastruktur und Mobilität sehr stark aus der wirtschaftlichen Perspektive betrachtet wird und weniger öffentliche Finanzierung für die Umsetzung von Infrastrukturprojekten vorhanden ist.
Um diese und weitere Herausforderungen anzugehen, wird derzeit der “Jakarta Future City Hub” aufgebaut. Im Rahmen eines gemeinsamen Besuches mit der Staatssekretärin für Engagement-, Demokratieförderung und Internationales, Ana Maria Trasnea, durften wir einen ersten Blick in die entstehenden Räumlichkeiten werfen und waren sehr beeindruckt von der Lage und dem Konzept des Ortes. Besonders gefreut hat es uns zu hören, dass das CityLAB Berlin bei der Konzeption des neuen Hubs als Vorbild diente und viele Impulse aus dem Besuch in Berlin dessen Struktur eingeflossen sind.
Unser Besuch in Jakarta hat uns einmal mehr gezeigt, dass wir auf dem Weg zur Smart City Berlin noch viel von anderen Städten lernen und auch umgekehrt wertvolle Impulse weitergeben können. Wir freuen uns daher schon sehr auf den nächsten Austausch und werden bis dahin die weiteren Entwicklungen gespannt aus dem CityLAB heraus verfolgen.