Unser Prototyping Team hat sich intensiv mit dem offenen Datensatz der IHK Berlin zu Berliner Unternehmen beschäftigt. Entstanden sind drei interaktive Visualisierungen, die wir euch hier vorstellen möchten.
Seit Sommer 2023 veröffentlicht die IHK Berlin aktuelle Struktur- und Geodaten zu rund 350.000 Unternehmen als offenen Datensatz im Berliner Open Data Portal. Er gibt Auskunft über Standort, Größe, Alter und Wirtschaftszweig der ansässigen Unternehmen und ist neben weiteren ortsgebundenen Daten auch mit Berliner Bezugsräumen angereichert. Die Daten sind offen und werden jeden Monat aktualisiert unter: https://github.com/IHKBerlin/IHKBerlin_Gewerbedaten
Unser Team von der ODIS (Open Data Informationsstelle) hat mit der IHK Berlin zusammengearbeitet, um den Datensatz weiter aufzubereiten und visuell explorieren zu können. Entstanden ist in Kooperation mit dem Prototyping Team die Anwendung BranchenPuls, über die ihr sowohl die aktuellen Gewerbedaten als auch das Archiv erkunden und eine gefilterte Ansicht auf den Datensatz bequem als CSV-Datei exportieren könnt.
Die IHK-Gewerbedaten bieten eine Fülle an spannenden Einsichten. Wir fanden es daher reizvoll, zusätzlich zu BranchenPuls weitere Datenvisualisierungen zu erstellen. Die drei interaktiven Anwendungen, die dabei entstanden sind, stellen wir euch nun vor. Viel Spaß damit!
Zeitreise durch Berlins Gewerbe
Zunächst blicken wir in die Vergangenheit. Die IHK erfasst das Unternehmensalter, d.h. das Gründungsjahr von Unternehmen inklusive dem Wirtschaftszweig bei Gründung. Da (noch) kein Archiv aufgebaut ist, um Zeitreihenanalysen durchzuführen und so Entwicklungen der Berliner Wirtschaftsstruktur abzulesen, gibt unsere Zeitreise einen ersten Einblick in die letzten Jahrzehnte. Es werden alle Unternehmen gezeigt, die laut IHK im Juni 2023 noch aktiv waren. Unsere Karte spiegelt nicht die vollständige Gewerbelandschaft aus einem Jahr in der Vergangenheit wider, da Unternehmen fehlen, die es Stand Juni 2023 nicht mehr gab. Die Karte beleuchtet eher, welche die resistenten und stabilen Branchen sind – und welche nicht. Während zum Beispiel in den 1970ern und 1980ern Gewerbe in ganz unterschiedlichen Branchen gegründet wurden, sehen wir, dass in den vergangenen Jahren regelmäßig E-Commerce und Onlinehandel zu den dominierenden Branchen gehören, die es ins Hier und Jetzt geschafft haben. Auch lassen sich geografische Schwerpunkte erkennen: Die Kreativ- und Kunstbranche ist aus unserem Blickwinkel in den letzten Jahren – wenig überraschend – vor allem in Friedrichshain und Kreuzberg gewachsen.
Auf unserer Zeitreise durch Berlins Gewerbe laden wir dich ein, einen Ausschnitt aus der Vergangenheit einiger Berliner Branchen selbst zu erkunden. Bewege dich mithilfe des Zeitstrahls durch die letzten 50 Jahre und erkunde, in welchen Jahren und Branchen es wo die meisten Unternehmensgründungen gab. Mit einem Klick geht es los!
Glasfaserausbau nach Planungsräumen
Schnelles und zuverlässiges Internet, insbesondere durch Glasfaser, ist für die Ansiedlung von Unternehmen, besonders in der Digitalbranche, unerlässlich. In Berlin hat das Land die aktuellen und prognostizierten Fortschritte im Glasfaserausbau als Open Data veröffentlicht. Wir haben diese Daten auf einer Karte visualisiert und mit den Gewerbedaten der IHK vom Juni 2023 kombiniert. Die Karte zeigt die Anzahl der Unternehmen in den verschiedenen Planungsräumen (gemäß der „Lebensweltlich orientierten Räume“). Der Fortschritt des Glasfaserausbaus wird durch die Einfärbung dargestellt – je grüner, desto weiter fortgeschritten, je röter, desto weniger fortgeschritten. Mit einem Klick auf einen Planungsraum kann man direkt die Ausbauprognose für Ende 2023 und Ende 2024 abrufen. Zusätzlich kann über die Suche direkt zu einem Planungsraum gezoomt werden. Mit einem Klick auf die Karte geht’s los!
Interessant ist, dass der Ausbau bis Juli 2023 in zentralen Bereichen Berlins bereits weit vorangeschritten ist. In den kommenden Jahren werden auch Außenbezirke wie Wannsee, Düppel, Alt-Kaulsdorf oder Nikolassee vermehrt erschlossen.
Für Unternehmen, die auf schnelles Internet angewiesen sind oder gründen möchten, ist diese Visualisierung äußerst hilfreich. Sie ermöglicht es, attraktive Bezirke zu identifizieren, entweder weil sie bereits ausgebaut sind oder innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre prognostiziert gut ausgebaut sein werden. Die prognostizierten „Ausbau-Gewinner“ für Ende 2024 sind Wannsee (+97,9%), Düppel (+97,7%) und Alt-Kaulsdorf (+97,6%). Interessanterweise wird in Alt-Kaulsdorf, obwohl nur 292 Unternehmen angesiedelt sind, der Glasfaser-Ausbau stark vorangetrieben. Die Gründe dafür bleiben jedoch in den Daten verborgen.
Um einen tieferen Einblick zu gewinnen, haben wir den Korrelationskoeffizienten (nach Person) zwischen der Anzahl an angesiedelten Unternehmen in einem Planungsraum und dem Fortschritt des Glasfaserausbaus berechnet. Dieser liegt bei 0,294 und zeigt eine leichte, aber statistisch signifikante positive Korrelation. Mit anderen Worten: Wo viele Unternehmen ansässig sind, wird vermehrt Glasfaser ausgebaut, und wo wenige Unternehmen ansässig sind, gibt es auch weniger Fortschritt beim Glasfaserausbau. Allerdings lässt sich aus diesen Daten der kausale Zusammenhang nicht ableiten. Es könnte sein, dass Unternehmen sich eher an Standorten ansiedeln, wo bereits Glasfaser vorhanden ist oder wo vermehrt ausgebaut wird. Interessant ist auch, dass der Korrelationskoeffizient niedriger ist, wenn nur Unternehmen aus der IT-Branche betrachtet werden (0,247 im Vergleich zu 0,294 bei allen Branchen). Unsere Annahme, dass diese Unternehmen besonders auf schnelles Internet angewiesen sind, lässt sich also nicht bestätigen.
Zusammenfassend zeigt die statistische Analyse der Daten, dass für den Ausbau von Glasfaser viele Faktoren neben der Anzahl der ansässigen Unternehmen von Bedeutung sind. Politische Entscheidungen, Bevölkerungsdichte, lokale Förderprogramme, Mietpreise und weitere Aspekte spielen eine wichtige Rolle. Um sinnvolle Ergebnisse und Trends ableiten zu können, sind weitere Daten erforderlich.
Branchenverteilung nach Ortsteilen
Berlin ist eine pulsierende Metropole mit einer vielfältigen Geschäftswelt. Doch gibt es Muster in der Gewerbeverteilung der Hauptstadt? Zu Beginn unserer Analyse wollten wir herausfinden, welche Branchen am häufigsten in Berlin vertreten sind. Allerdings stellten wir fest, dass die Unternehmen in dem Datensatz in unterschiedlich große Kategorien unterteilt sind, was den direkten Vergleich erschwert. Die IHK kategorisiert Gewerbe auf drei verschiedenen Ebenen: Top-Level, NACE (Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft) und IHK-ID. Die Top-Level Kategorien sind breit gefasst und umfassen verschiedene NACE-Kategorien, die wiederum einzelne IHK-IDs enthalten. Ein Beispiel hierfür ist die Top-Level Kategorie „Einzelhandel“, die 42 NACE-Kategorien umfasst, während die Top-Level Kategorie „Gastronomie“ nur aus 5 NACE-Kategorien besteht. Diese Struktur ermöglichte es uns, die Unternehmen differenzierter zu untersuchen.
Deshalb haben wir in unserer dritten Visualisierung den Aspekt der räumlichen Verortung für bestimmte Branchen herausgestellt (Stand: Juni 2023). Zum Beispiel ist die Gastronomie oder die Informationstechnologie besonders in den Innenbezirken vertreten. Ein anderes Beispiel ist das Sozialwesen, in dem besonders viele Unternehmen in Mariendorf ansässig sind. Um diese und weitere Erkenntnisse visuell zu vermitteln, haben wir eine Karte erstellt, auf der die Branchenverteilung aufgeschlüsselt nach Ortsteilen selbst erkundet werden kann. Mit Klick auf einen Ortsteil erhältst du weitere Informationen zu den Unterkategorien der jeweiligen Branche und wie viele Unternehmen pro Ortsteil in dieser Branche angesiedelt sind. Die Legende zeigt zudem die minimale sowie maximale Zahl an Unternehmen für die ausgewählte Branche in einem Ortsteil. Schau selbst, indem du unten auf die Karte klickst!
Die Auseinandersetzung mit dem Datensatz der IHK Berlin hat uns gezeigt, wie aufschlussreich es sein kann, offene Daten visuell aufzubereiten und so einer breiten Öffentlichkeit tiefere Einblicke in bestimmte Themenbereiche zu ermöglichen.