Ein paar Kleiderständer, Regalbretter und Leuchtmittel sind vom Vormieter einer Ladenfläche in den Wilma-Arkaden in Berlin-Wilmersdorf übrig geblieben. Die wurden als modulare Möbel, Sitzgelegenheit, Ausstellungs- oder Arbeitsfläche umgenutzt. Durch die Initiative der Berlin University Alliance und engagierter Studierende der TU Berlin ist das temporäre Testfeld “Mall Anders” entstanden – ein Raum, der dazu einlud, in verschiedenste Themenfelder und wissenschaftliche Disziplinen einzutauchen. Die Idee hinter dem Projekt war, Transdisziplinarität und Wissenstransfer zu erproben: Was passiert, wenn die Wissenschaft die Universität oder die Forschungseinrichtung verlässt und sich auf dieses Experiment einlässt?
Mit unserer eigenen Ausstellung im CityLAB im ehemaligen Flughafen Tempelhof legen wir Wert darauf, die digitale Stadt sichtbar und erlebbar zu machen. Deswegen sind wir der Einladung gerne gefolgt, uns in der Mall Anders im Juni drei Tage lang mit Projekten aus der Technologiestiftung Berlin und dem CityLAB kreativ auszutoben. In Diskussionen, Befragungen und Spielen haben wir dabei viel konstruktives Feedback von der diversen Berliner Stadtgesellschaft erhalten. Unsere Erlebnisse an der Mall Anders wollen wir nun auch mit euch teilen und sagen: Hoffentlich sehen wir uns bald MALL wieder!
Die Digitalisierung Mitgestalten
Mit einem Impuls haben wir zunächst einen Überblick über aktuelle Projekte gegeben. Einer der Grundgedanken des CityLAB: Innovation und Partizipation wird zusammengedacht. Verwaltung und Stadtgesellschaft arbeiten gemeinsam an Lösungen für das digitale Berlin. Dabei sind alle eingeladen, Ideen einzubringen und Berlin future ready zu machen. An Projekten, wie Gieß den Kiez oder Digital Vereint konnten wir dies nicht nur aufzeigen sondern auch unsere prototypische Arbeitsweise erklären. Außerdem stellen wir das Forschungsprojekt QTrees vor, das KI-basiert effiziente und zielgerichtete Grünpflege planbar macht.
Besucher:innen waren vor allem daran interessiert, wer denn Ideen einbringen kann und wie wir Beteiligung organisieren. Die Antwort: Jede:r ist herzlich eingeladen, uns zu besuchen und Ideen und Lösungen einzubringen. Darauf zielen die meisten unserer Angebote ab. Für Beteiligung überlegen wir uns immer wieder neue Formate, von aufsuchender Beteiligung, wie bspw. einer Auslosung über das Melderegister, bis zur Möglichkeit, online Ergebnisse von Prozessen zu kommentieren. Wir besuchen Organisationen oder laden zu uns nach Tempelhof ein. Unseren Open Source-Code kann jede und jeder mit entwickeln und kopieren oder gleich ein eigenes Projekt einbringen. Die Türen stehen offen – Für dich. Für Berlin.
Ein Tag für offene Daten und offene Städte
Wir haben nachgefragt, wie gut die Besucher:innen das Thema Open Data kennen und zum Abstimmen eingeladen. Egal ob für E-Ladesäulen, Fahrraddiebstähle, Wasserpumpen oder Tischtennisplatten. Richtig genutzt können offene Datensätze ein großes Potenzial entfalten und Stadtgestaltung transparenter machen. Das Team der Open Data Informationsstelle Berlin (ODIS) hat den Raum mitgestaltet, um Daten “Mall Anders” zu präsentieren. Ein ausgestelltes Projekt war zum Beispiel die Erfrischungskarte. Mit der Karte lassen sich kühle Orte, Badestellen oder Sitzgelegenheiten in Straßen und Parks finden. Besucher:innen haben mit uns geteilt, welche Datensätze sie selbst spannend fänden – zum Beispiel zur Verfügbarkeit von Tischtennisplatten, zur Wasserqualität oder Fahrradbügeln. So konnten wir an verschiedene Lebensrealitäten und Fragestellungen anknüpfen und anschaulich zeigen, was alles in offenen Verwaltungsdaten steckt. Die visuelle Darstellung und die Möglichkeit, Ideen zu teilen stieß bei Besucher:innen auf großes Interesse.
“Ich fand den Besuch in der Mall für uns als ODIS spannend, um mal aus unserer Open-Data-Blase rauszukommen und mit den Bürger:innen in den direkten Dialog zu treten. Viele kennen sich mit dem Thema noch nicht aus, oder haben nur vage Vorstellungen. Es hat insofern geholfen, als dass man immer wieder neue Ansätze finden muss, um Open Data zu erklären – was auch eine schöne Herausforderung ist.” – Klemens Maget, wissenschaftlicher Mitarbeiter, ODIS
Drei Freunde und die Mobilitätswende
Da wohl die wenigsten Mall-Besucher:innen während ihrem Einkaufsbummel Lust haben, sich über Bewegungsdaten und digitale Privatsphäre Gedanken zu machen, hat unser Team aus dem transdisziplinären Forschungsprojekt freemove einfach mal zu einer Runde Mario Kart eingeladen. Über Umwege also im Mobilitätsthema angekommen, konnte man in der Mall anhand des Alltags dreier Freunde nachvollziehen, welche Daten wir stetig produzieren. So zum Beispiel, wenn wir mit dem Leihfahrrad an den See radeln oder uns ein Auto mieten, um das Kleinanzeigen-Regal abzuholen. Warum diese Daten schützenswert sind, erklärte Datenschutzexperte Markus Sperl. So wird nachvollziehbar, was das Smartphone in der Hosentasche so macht, wann Location-Tracking problematisch ist und wieso wir diese Funktionen für eine nachhaltige Zukunft trotzdem brauchen. Bewegungsdaten werden oft ohne informierte Zustimmung abgeschöpft und kommerziell weiterverwendet – aber selten sinnvoll mit Verwaltung und Stadtplaner:innen geteilt. Diese Aspekte waren Besucher:innen der Mall nicht bewusst, und entstehende Fragestellungen blieben kaum abschließend beantwortbar. Möchte ich überhaupt, dass jemand meinen Standort exakt bestimmen kann? Zum Geschäftsmodelle optimieren? Verhält es sich bei einer Datenspende für die nachhaltige Mobilität anders?
Privatsphäre ist ein schützenswertes Gut, über das wir mit der Gesellschaft diskutieren wollten. Wir haben in jedem Fall gelernt, dass wir komplexe technische Zusammenhänge über Narrative greifbar machen können. Wissenschaftskommunikation kann über die “interessierte Öffentlichkeit” hinaus wirken.
“Die Gespräche mit Passant:innen waren aufschlussreich. Zwar ist Bürger:innen Tracking selten bewusst, dennoch schienen alle das vage Gefühl zu haben, „gläsern“ zu sein, durch Datensammlungen großer Tech-Konzerne. Im Verhältnis zur Marktmacht von Weltkonzernen, wirken die Anstrengungen eines Forschungsprojekts auf die dahingehend resignierten Menschen wenig erfolgversprechend. Diesen Fragen muss sich das Projekt stellen.“ Markus Sperl, Projektleitung freemove
Auf dem Weg zur Smart City
Im CityLAB wird im Auftrag der Senatskanzlei seit mehr als einem Jahr der Beteiligungsprozess zur neuen Smart City-Strategie koordiniert. Die Berlinerinnen und Berliner, der Mensch, steht dabei im Mittelpunkt. Das wurde unter anderem durch die breite Partizipation und die Formen der Zusammenarbeit sichtbar. Auch für dieses Projekt hatte das Smart City-Team die Ziele und ausgewählte Maßnahmen der Smart City-Strategie “Mall Anders” aufbereitet und vorgestellt: Neben einer umfangreichen grafischen Ausstellung, gab es die Möglichkeit, vor Ort in die laufende Online-Kommentierung einzusteigen. Außerdem gab es einen Impuls mit anschließender Diskussion, die Besucher:innen der Mall die Chance bot, den Begriff der „Smart City“ kritisch zu hinterfragen. Wir wurden häufiger gefragt, was „smart“ für Berlin eigentlich genau bedeutet. Technologien und digitale Lösungen sollen auf unsere Berliner Ziele einzahlen, also smarte Entscheidungen möglich machen und nicht als Selbstzweck dienen. Dazu gehören neue Formen des Lernens, der Zusammenarbeit und die Frage, wie gemeinwohlorientierte Projekte unsere Stadt lebenswerter und nachhaltiger gestalten können. Erkunden wir gemeinsam die Zukunft des digitalen Berlins!
„Die Smart City Berlin soll in unserem Stadtraum passieren – es war daher toll, bei der Mall Anders raus aus dem CityLAB und in den Stadtraum des Einkaufszentrums zu kommen“ – Niklas Kossow, Projektkoordination Smart City, CityLAB Berlin