Wie könnten Berliner Bürger:innen schneller Termine in Bürgerämtern bekommen? Wie sieht ein Arbeitsplatz in einem Bürgeramt der Zukunft aus? Welche Arbeitsabläufe im Ausbildungsbürgeramt können optimiert werden und dazu beitragen, dass das 14-Tage-Ziel, also die Möglichkeit, innerhalb von 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt zu ergattern, in Berlin besser erreicht werden kann?
Wir haben das Projekt Bürgeramt der Zukunft gestartet, um herauszufinden, was die Mitarbeitenden und Auszubildenden im Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg während ihres Arbeitsalltages erleben, welche alltäglichen Herausforderungen sie haben und was besonders gut oder schlecht läuft. Mithilfe von Methoden aus dem Service Design wollten wir die Arbeitsatmosphäre sowie Arbeitsabläufe kennenlernen und durch die Begleitung von Auszubildenden in ihren Terminen die Wahrnehmung der Bürger:innen über den Tag festhalten. Dazu haben wir eine Tagebuch-Studie und im Anschluss ein Shadowing durchgeführt.
Ziel des Bürgeramt der Zukunft und der darauf aufbauenden Begleitung der Mitarbeitenden war es, die Gegebenheiten, Strukturen und Abläufe vor Ort mithilfe ergebnisoffener Methoden kennenzulernen und mögliche Ansatzpunkte zu identifizieren sowie darauf aufbauende Vorschläge zu erarbeiten. Der ganze Prozess hat vier unterschiedliche Phasen durchlaufen – die ersten beiden: Tagebuch-Studie und Shadowing wollen wir im folgenden Beitrag genauer erkunden.
Erste Phase: Liebes Tagebuch
Der erste Teil des Projekts bestand darin, nach Gesprächen mit der Amtsleitung und dem Team vor Ort, mit Fragen präparierte Tagebücher über sechs Wochen an Mitarbeitende zu vergeben und diese ausfüllen zu lassen. Damit haben wir die Einladung ausgesprochen, Alltagsbeobachtungen über positive und negative Ereignisse, Routinen und Besonderheiten schriftlich im jeweiligen Moment festzuhalten. Teilnehmende waren sechs Auszubildende, ein:e Praktikant:in und eine Ausbilderin.
Die Inhalte der Tagebücher haben wir in eine Tabelle übertragen und zusammengefasst auf einem Miro-Board abgebildet. Dort konnten wir zunächst nach Themengebieten sortieren, Kategorien finden und darunter prägnante Themen und Spotlights identifizieren. Welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden? Wir haben herausgefunden, dass besonders für Menschen, deren Muttersprache nicht deutsch ist, oder Personen, die Schwierigkeiten haben, komplexere Texte zu erfassen, Informationen leichter zugänglich gemacht werden müssen.
Zweite Phase: Beschatten für den guten Zweck
Anhand der identifizierten Themenbereiche haben wir die Art und Ausrichtung unserer Beobachtung, das heißt den Fokus und die Fragen, die wir uns stellen wollen, abgestimmt. Im ersten Teil der Shadowing-Session haben wir die Tätigkeit der Mitarbeitenden begleitet und beobachtet. Wir haben damit Einblicke in die Tätigkeiten und Arbeitsweisen der Mitarbeitenden gewinnen können, ohne in den Prozess einzugreifen. Dabei wollten wir erfahren, welche Hintergrundprozesse explizit gemacht werden, welche Bedenken von Bürger:innen gegenüber digitalen Prozessen (Fingerabdruck, Ausweis-Online-Funktion, digitaler Antrag, etc.) vorhanden sind, wie gut oder weniger gut die Arbeitsprozesse ablaufen und was neben der Erbringung bzw. Bearbeitung von Dienstleistungen aus der Perspektive der Mitarbeitenden und Bürger:innen passiert.
Im zweiten Teil des Shadowings haben wir Bürger:innen befragt und nach ihrer Erwartungshaltung auf die bevorstehende Dienstleistung interviewt. Wir haben gefragt, wie zufrieden sie mit der Dienstleistung sind und ob sie sich vorstellen könnten, diese auch online durchzuführen bzw. warum bereits online existierende Angebote nicht genutzt werden. Anschließend haben wir Beobachtungsprotokolle ausgefüllt und im Nachgang sowohl mit Mitarbeitenden wie auch mit Bürger:innen kurze Gespräche geführt.
Anhand der Shadowing-Ergebnisse konnten wir Erkenntnisse ermitteln und herausarbeiten, an welchen Stellen es konkretes Verbesserungspotenzial gibt. Einige dieser Erkenntnisse haben wir hier gesammelt:
Besonders wichtig ist eine flexible Terminvergabe und ein besserer Informationsfluss zwischen den Mitarbeitenden und den Bürger:innen während der Arbeitsvorgänge. Hilfreich wäre auch eine leichtere Möglichkeit zur Terminstornierung, dies würde viele Prozesse deutlich vereinfachen. Oft herrscht in den Arbeitsräumen eine laute Geräuschkulisse, die durch Druckergeräuschen an den diversen Arbeitsplätzen im Raum und eine gleichzeitige Beratung entsteht – eine Umgestaltung der Arbeitsräume könnte hier zu einer Verbesserung führen. Der Warteraum wirkt oftmals steril, kalt und ästhetisch wenig ansprechend. Ein Wunschszenario besteht daher darin, eine Info-Theke einzurichten, an der Mitarbeitende direkt angesprochen werden können. Onlinedienste werden im Moment lediglich von einigen wenigen Bürger:innen genutzt – ein Großteil der Bürger:innen kommt nach wie vor persönlich ins Bürgeramt, um vor Ort eine Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, selbst wenn diese online verfügbar wäre. Woran liegt das? Einer der Gründe ist, dass viele Menschen die Möglichkeit nutzen wollen, direkt mit einer Ansprechperson kommunizieren zu können – ein leichter verständliches Online- Formular könnte hier Abhilfe schaffen.
Wie also stellen wir, das CityLAB, uns das Bürgeramt der Zukunft vor? Folgende Definition haben wir aus den ersten zwei Phasen abgeleitet und als positive Zukunftsvision notiert:
“Das Bürgeramt 2025”
Berliner Bürgerinnen und Bürger können ihre Anliegen mit hoher Service-Zufriedenheit im Bürgeramt innerhalb von 14 Tagen lösen. Bürgerinnen und Bürger als auch Mitarbeitende der Berliner Verwaltung profitieren dabei von digitalen Services und moderner IT-Unterstützung. Wer das Bürgeramt verlässt, hat ein Lächeln auf dem Gesicht.
Die beiden Methoden Tagebuch-Studie und Shadowing machen deutlich, dass ein geschärfter Blick auf die Gegenwart, die beste Vorbereitung auf die Zukunft ist. In Phase drei und vier werden aus theoretischen Erkenntnissen in der Praxis umsetzbare Projekte.
Wie die Reise weitergeht, verraten wir euch im zweiten Teil!