Das Bürgeramt der Zukunft – Teil 2

Von Victoria Boeck und Tobias Witt

Was bisher geschah

Bei unserem Projekt Bürgeramt der Zukunft werfen wir einen genauen Blick auf den Arbeitsalltag und die Abläufe in Berliner Bürgerämtern, um daraus gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen und direkt zu testen. Eine ganz zentrale Frage war: Welche Arbeitsabläufe im Ausbildungsbürgeramt können optimiert werden, damit das 14-Tage-Ziel in Berlin – also die Möglichkeit, innerhalb von 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt zu erhalten – besser erreicht werden kann?

Dieser und weiteren Fragen gingen wir im ersten Teil des Projekts im Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg auf den Grund. Hier durften wir den Auszubildenden im Rahmen eines Shadowing im Gespräch mit Kund:innen über die Schulter und sogar im Rahmen einer Befragung ins Tagebuch gucken. Durch den direkten Austausch haben wir viele hilfreiche Beobachtungen gesammelt und schnell einen zentralen Zeitfresser im Bürgeramt identifizieren können: Die sogenannten Nicht-Erscheiner. Wenn Kund:innen nicht zu einem gebuchten Termin erscheinen, verfallen die Termine aktuell oft ungenutzt und können nicht spontan neu vergeben werden. Mit einem flexibleren Check-In-System könnte sich dieses Problem beheben lassen und so die Termineffizienz gesteigert werden – so zumindest die Vermutung.

Unsere Test-Umgebung beim zweiten Durchlauf: Das Bürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg in der Yorkstraße.

Dieser Idee eines Check-In-Systems wollten wir nun gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport und dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg genauer nachgehen: Hier kommt Teil 2 unseres Bürgeramts der Zukunft.

Aus der Theorie in die Praxis: Der Prototyp

Der 1. Testverlauf im Ausbildungsbürgeramt

Unser Anspruch im CityLAB ist es, Ideen mithilfe eines Prototypen in der Realität zu testen, zu evaluieren und so zu verbessern. Nach unserer Erkundungsphase in Teil 1 war es daher nun an der Zeit, die gemeinsam mit der Fachbereichsleitung der Bürgerämter Friedrichshain-Kreuzberg entwickelte Idee eines Check-In-Systems in einen Prototyp zu gießen. Wir wollten herausfinden, wie dieser Vor-Ort-Check-In konkret aussehen und funktionieren könnte – und vor allem, ob sowohl die Mitarbeitenden im Bürgeramt als auch die Bürger:innen davon profitieren könnten. Schnell wurde klar, dass unser Prototyp in eine Realumgebung, also in tägliche Anforderungen und Bedingungen, überführt werden musste. Dank der Offenheit der Fachbereichsleitung haben wir die Chance bekommen, den Prototypen erneut im Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg zu testen.

Der Prototyp wurde von unserem Developer:innenteam im CityLAB in einem zweiwöchigen Sprint entwickelt. Da es aufgrund technischer Gegebenheiten nicht möglich war, den Prototypen direkt an das Zeitmanagementsystem (ZMS) der Bürgerämter anzubinden, haben wir uns für einen Prototypen entschieden, der unabhängig vom internen ZMS funktioniert. So konnte der Prototyp zumindest parallel zum existierenden System angewendet werden. 

Vor dem offiziellen Start der auf drei Wochen angelegten Testphase haben wir einen Vorab-Test durchgeführt, um den Mitarbeitenden im Ausbildungsbürgeramt den Prototypen vorzustellen und Fragen sowie Unklarheiten zu klären. Dieser Vorab-Test war essentiell, um zu verstehen, welche Hürden und Herausforderungen die Mitarbeitenden bereits für die Testphase antizipieren.

Dann hieß es: Bühne frei für den Prototypentest! Begleitet haben wir diesen mit qualitativen und quantitativen Methoden, um zu verstehen, wie sich die Zufriedenheit bei den Bürger:innen und bei den Mitarbeiter:innen währenddessen entwickelt. Darüber hinaus haben wir Daten gesammelt, um unsere Ausgangsthese evaluieren zu können.

Das Ergebnis: Die These, dass sich dadurch die Termineffizienz in den Bürgerämtern steigern ließe und es zu weniger Wartezeiten kommen könnte, hat sich durch diesen Test vielversprechend entwickelt. Insgesamt verlief der Test im Ausbildungsbürgeramt überaus positiv und bestärkte alle Beteiligten darin, die Idee eines Check-In-Systems fortzuführen. Im gesamten Testzeitraum konnte die Anzahl der Termine um etwa zehn Prozent gesteigert werden.

Der 2. Testverlauf im Regelbetrieb im Bürgeramt Yorckstraße

Um weitere Daten und Erfahrungen mit dem Prototyp zu sammeln, hat das CityLAB-Produktteam entschieden, einen zweiten Test durchzuführen – diesmal jedoch mit “erhöhtem Schwierigkeitsgrad” und im sogenannten Regelbetrieb. Hierfür wurde ein anderer Standort ausgewählt: das Bürgeramt in der Yorckstraße – sehr zur Freude des dortigen Fachbereichsleiters Oliver Kühle: “Wir hatten die Chance, dass der CDO Ralf Kleindiek von unserem ersten Test im Ausbildungsbürgeramt erfahren und gesagt hat, er würde gerne so schnell wie möglich einen weiteren Test im Regelbetrieb in einem anderen Bürgeramt durchführen. Und da wir den ersten Test mitbetreut haben, wollten wir uns das natürlich nicht aus der Hand nehmen lassen und haben zugeschlagen.“

Neuer Test, neue Herausforderungen: Das Bürgeramt befindet sich in der 3.Etage.

Während das Ausbildungsbürgeramt eine hervorragende Testumgebung für den ersten Durchlauf bietete, eröffnet der Test in einem ein Bürgeramt im Normalbetrieb ganz neue Möglichkeiten. Das bestätigte uns auch Herr Kühle: “Wir haben hier ein ganz anderes Terminaufkommen und andere Durchläufe, ­deshalb war es spannend zu sehen, ob wir bei diesem Test dieselben Effekte wie im Ausbildungsbürgeramt haben werden oder ob wir andere Sachen berücksichtigen müssen, damit das Check-In-System im Regelbetrieb integriert werden könnte.“

Der Prototyp wurde über zwei Wochen im Bürgeramt in der Yorckstraße getestet. Über mehrere Hinweise wurden die Bürger:innen bei ihrem Besuch des Bürgeramts auf den Test hingewiesen und über Markierungen zum Check-In geleitet. Hier wurden sie von Mitarbeiter:innen begrüßt und dazu angehalten, sich mit ihrer Terminnummer offiziell einzuchecken. Jede:r anwesende Kund:in wurde so im Check-In-System registriert und konnte von den Mitarbeiter:innen vom eigenen Schreibtisch aus eingesehen werden. 

“Wir haben das Vorgehen, dass wir zwei bis drei Minuten warten sollen, wenn wir jemanden aufgerufen haben und wenn diese Person dann nicht kommt, können wir sie erst danach abhaken. Aber manchmal kommt aber nach sieben Minuten noch jemand rein, der sich verlaufen hat. Daher können wir nie sicher sein, ob eine Person da ist oder nicht. Deswegen glaube ich, dass der Check-In schon eine gute Hilfe ist.“

Mitarbeiterin im Bürgeramt

Der Test fand jeweils Montags, Mittwochs und Freitags statt, da diese Tage in der Regel ein geringeres Terminaufkommen zeigen. Diese Abwechslung kam auch den Mitarbeiter:innen zugute, da so ihr normaler Rhythmus im Bürgeramt nicht dauerhaft unterbrochen wurde. Fachbereichsleiter Kühle zeigt sich begeistert von der Testatmosphäre:

“Das Schöne an dem ganzen Projekt ist, dass wir einfach probieren können. Hier haben wir die Möglichkeit, über einen Prototyp sofort Wirkungen zu testen – sowohl bei den Kundinnen und Kunden, aber auch bei den Mitarbeitenden.“

Fachbereichsleiter Oliver Kühle

Die Auswertung des Tests im Regelbetrieb

Auch der zweite Test ist insgesamt gut verlaufen: wieder gab es überwiegend positive Bewertungen vom neuen Check-In-System von den Mitarbeiter:innen vor Ort sowie von Kund:innen, die mittels einer Abfrage mit Ping-Pong-Bällen das System im Eingangsbereich des Bürgeramts bewerten konnten.

Eine erste Abfrage zeigte ein positives Stimmungsbild bei den Bürger:innen während der Testphase.

Bei der Auswertung interessiert uns insbesondere die Erfahrungen der Mitarbeiter:innen. Neben einer Tagebuchbegleitung der Mitarbeitenden haben wir Herrn Kühle genauer nach der Stimmung im Team gefragt: “Beim ersten Test mit den Auszubildenden hatten wir 100 Prozent Zustimmung für den Test. Im Bürgeramt hier in der Yorkstraße ist unsere Mitarbeiterschaft weitaus diverser, was die Altersgruppen betrifft. Insofern waren die Reaktionen auf den Testdurchlauf hier geteilter. Etwas über die Hälfte war sehr aufgeschlossen und fand es gut, die andere Hälfte war durchaus skeptisch, nicht dem Check-In-System insgesamt gegenüber, sondern eher, ob das Ganze im Echtsystem funktionieren wird.“

Eine Hürde im Arbeitsablauf blieb die kombinierte Nutzung des internen Termin-Management-Systems und unseres Prototyps. Das berichtete uns auch eine Mitarbeiterin: „Technisch war der Check-In nicht schwer zu bedienen. Das Hauptproblem entsteht eher dadurch, dass wir dafür zwei Programme nebeneinander nutzen mussten – also unser eigenes Termin-ZMS und den Check-In, da die beiden Programme nicht miteinander verbunden sind. Dann hat man beim Überprüfen der Ticketnummer vielleicht mal einen Zahlendreher drin und dann findet man die Person schon nicht und das kann dann schon extra belasten.“

Eine weitere Herausforderung war die Größe des Wartezimmers: während des Tests mussten wir unsere Ausschilderungen mehrmals anpassen, damit die Kund:innen den Check-In wahrnehmen und nutzen, anstatt sich wie gewohnt direkt hinsetzen und auf den Aufruf ihrer Nummer zu warten. Diese Hürde betonte auch Herr Kühle: “Wir haben eine etwas unübersichtliche Eingangszone, das heißt, da geht schon mal der eine oder andere Kunde verloren. Während des Tests mussten wir diese Kund:innen persönlich ansprechen und auf den Check-In hinweisen. Das soll in Zukunft anders sein – da brauchen wir eine Eingangszone, wo man ganz klar zum Check-in hingeleitet wird.”

Mithilfe von Markierungen auf dem Boden sollten so viele Bürger:innen wie möglich den Weg zum Check-In finden.

Übergreifend haben die positiven Reaktionen trotz des zusätzlichen Aufwands überwogen:

“Die Testtage waren natürlich intensiver und erstmal auch eine zusätzliche Belastung für unsere Mitarbeitenden. Was aber geholfen hat, waren auch die Reaktionen der Kundinnen und Kunden. Das viele es begrüßt haben, dass sie sich anmelden können und dass unsere Mitarbeitenden merken, dass ihre Mühen positiv ankommen und dass es für alle Beteiligten letztendlich besser ist“.

Fachbereichsleiter Oliver Kühle

Wie geht es weiter?

Wir haben aus dem Prozess um den mehreren Tests jede Menge für die Weiterführung des Check-Ins, aber auch zukünftige Projekte mitgenommen. Das waren unsere drei Haupterkenntnisse:

  • Ergebnisoffene Ansätze helfen, Platz für Innovationen zu schaffen.
  • Es gibt keine Shortcuts: Zuerst muss ein richtiges Problemverständnis entwickelt werden, und danach kann nach Lösungen gesucht werden.
  • Interaktives Arbeiten lohnt sich: Es muss nicht alles perfekt laufen. Entscheidend ist, dass wir aus der Erfahrung lernen und das Gelernte in den Gesamtprozess einfließen lassen. 

Die nächsten Schritte für die weitere Umsetzung des Check-Ins werden wir Anfang März gemeinsam mit der Fachbereichsleitung der Bürgerämter Friedrichshain-Kreuzberg und der Senatsverwaltung für Inneres, Digitales und Sport abstimmen. Unser Wunsch ist es, den Check-In im Regelbetrieb weiter zu testen und an geeigneter Stelle zu übergeben, damit diese Idee vielleicht eines Tages dazu beitragen kann, den Mitarbeitenden in den Bürgerämtern die Arbeit ein wenig zu erleichtern und den Bürger:innen dieser Stadt ein flexibleres Terminsystem zu ermöglichen.

Bitte einchecken – und weitermachen!

Dabei freuen wir uns ebenso wie unsere Partner der Bürgerämter Friedrichshain-Kreuzberg auf die weitere Zusammenarbeit: “Die Zusammenarbeit mit dem CityLAB war sehr positiv”, verriet uns Herr Kühle noch zum Abschluss.

“Für uns ist das CityLAB ein angenehmer Partner, weil wir spüren, dass wir das gleiche Ziel verfolgen, den gleichen Probierwillen haben und das gleiche Engagement, für alle Beteiligten etwas zu verbessern. Und zwar nicht nur für die Kundinnen und Kunden, sondern auch für die Mitarbeitenden – und dabei die Berliner Verwaltung ein bisschen zu reformieren.“

Fachbereichsleiter Oliver Kühle

Darauf freuen wir uns auch und sind schon sehr gespannt auf die weiteren Schritte hin zum Bürgeramt der Zukunft!