Was Innovationslabore über Ländergrenzen hinweg beschäftigt
von Yannick Müller & Anne Kruse
Im Original erschienen bei apolitical.com
Der Seminarraum im Messegebäude der Smart City World Expo Congress in Barcelona ist gut gefüllt als der CDO Berlins, Dr. Ralf Kleindiek und Chief Technology Officer (CTO) von Barcelona, Michael Donaldson das erste internationale „LabCamp“ im November 2022 eröffnen. Das LabCamp ist ein Vernetzungsformat für öffentliche Innovationseinheiten, das wir seit 2020 gemeinsam mit Politics for Tomorrow organisieren. Hier geben wir euch einen Einblick, wie diese besondere Version unseres “LabCamp”-Netzwerktreffens ablief und was welche Eindrücke wir von dem Austausch mit Nach Hause gebracht haben.
Wer war beim ersten internationalen LabCamp dabei und was wurde diskutiert?
Weltweit gibt es bereits hunderte öffentliche Innovationslabore, und viele Städte erwägen die Gründung eigener Labs oder Innovationseinheiten innerhalb ihrer Verwaltungen. Viele bestehende Labs haben bereits erfolgreich innovative Methoden, wie etwa nutzerzentrierte Prototyping-Ansätze, in die Arbeit der Kommunalverwaltungen eingeführt. Vor drei Jahren startete das LabCamp mit dem Ziel, deutschsprachige Innovationseinheiten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammenzubringen. Diesen Kreis haben wir jetzt mit der ersten internationalen Version des LabCamps in Barcelona erweitert. Dort kamen wir mit Teilnehmenden aus Ländern wie Südkorea, Brasilien, Spanien und Finnland zusammen. Eines ist uns dabei sofort aufgefallen: All die beteiligten Labs sind mit ziemlich ähnlichen Herausforderungen konfrontiert!
Allzu oft sind Innovationslabore projektbasiert und werden daher nur für kurze Zeit finanziert, was bei Mitarbeitenden sowohl mit Blick auf Arbeitsplätze als auch bei größerer Projekteplanung für große Unsicherheit sorgt. Öffentliche Verwaltungen sehen sich gleichzeitig zunehmend mit enormen und neuartigen Herausforderungen konfrontiert, die die Zeit der „Polykrisen“ mit sich bringen. Sie erfordern neue Ansätze, die über etablierte Prozesse und Standards hinausgehen. Mithilfe öffentliche Innovationslabore können neue Lösungen und missionsorientierte Ansätze entwickelt werden, die bei der Bewältigung von Krisen unterstützen.
Wie können wir die Lösungen und Erkenntnisse zurück in die öffentliche Verwaltung übertragen und integrieren?
Das i.lab in Barcelona beispielsweise nutzt verschiedene Ansätze, um politische Steuerung und Infrastruktur zu verbessern und partizipative Methoden auszuprobieren. Bürger:innen, Unternehmen, Hochschulen und die öffentliche Verwaltung entwickeln gemeinsam innovative Strategien zur Bewältigung komplexer Herausforderungen der Stadt. Zu den Ansätzen gehören Initiativen zur Beteiligung der Nachbarschaft sowie Living Lab-Ansätze – offene, reale Innovationsökosysteme, etwa im Bildungssystem. Da die Ansätze transparent sind und Feedback-Schleifen enthalten, können die Verwaltungen schneller aus den Rückmeldungen der Projektpartner lernen, Angebote anpassen. Das war ein wichtiger Lernprozess für Barcelona und andere Städte.
Wie können öffentliche Innovationslabore Bürger:innen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen?
Wie bekommen wir Städte dazu, die Zufriedenheit und das Engagement der Bürger:innen als Qualitätsmessung des öffentlichen Sektors zu nutzen? Auch dieser Frage hat sich das internationale LabCamp gewidmet und Raum für das Thema Bürger:innenbeteiligung geschaffen. Im gemeinsamen Austausch ging es dabei um fortschrittliche Strategien (z.B. Smart City Playbook, Boston), gut aufgestellte Akteure (z.B. Fondazione Romano, Bologna / Participation officers, Taiwan), urbane Experimente (z.B. Testbed, Helsinki) und digitale Plattformen für Bürgerbeteiligung (z.B. Decidim, Barcelona / Gieß Den Kiez, Berlin). Diese sehr unterschiedlichen Ansätze für Open-Government-Strukturen fördern ein gemeinsames Narrativ und eine enge Zusammenarbeit bei spezifischen öffentlichen Aufgaben.
In den vergangenen Jahren haben sich Innovationslabore für eine politische Steuerung zugunsten offener Prozesse stark gemacht. Die vielfältigen Erfahrungen zeigen deutlich: Unterschiedlichste Kooperationsformen zwischen öffentlichen Akteuren (public-public) und zivilen Initiativen (public-civic partnerships) verlaufen erfolgreich! Die Kooperation auf Augenhöhe wirkt zunächst riskant, verspricht jedoch eine hohe Ergebnisqualität – Es braucht folglich einen systematischen Aufbau von Strukturen, die Öffentlichkeit konsequent, verbindlich und transparent einbinden.
Wie können öffentliche Innovationslabore öffentliche Daten für das Gemeinwohl nutzen?
Kein fremder Gedanke: Wo immer es möglich ist, sollten Städte verfügbare Daten nutzen (und teilen), um Herausforderungen zu begegnen und Lösungen zu entwickeln. Doch die Realität sieht allzu oft anders aus. Obwohl das Schlagwort der offenen Daten im öffentlichen Diskurs öfter fällt, gleicht die Suche nach spezifischen Daten abseites eines breiten Konsens in Städten oft einer Schatzsuche.
Öffentliche Innovationslabore müssen wissen, wo und wie sie Daten finden können. In diesem Zusammenhang wurden Data Warehouses (Open North, Toronto) und das Konzept von gut organisierten Datenkatalogen (Helsinki Region Infoshare) angesprochen. Das Potenzial von Daten zur Verbesserung unserer Lebensqualität wird stetig unterschätzt. Öffentliche und zugängliche Daten helfen uns, an Lösungen für Probleme zu arbeiten, indem zum Beispiel betroffene Dienstleistungen verbessert werden. Durch das Aufdecken von Abhängigkeiten und Zusammenhängen erhalten wir wertvolle Erkenntnisse, mit denen sich Maßnahmen zur Verbesserung unseres täglichen Lebens konzipieren lassen.
Der Aufbau kritischer Infrastrukturen mit intelligenten Verwaltungsprozessen (z.B. Projekt DigitAll, Hamburg), die Schaffung ganzheitlicher, digitaler Ökosysteme (z.B. City Data Commons, Barcelona) und die Durchführung ambitionierter, ko-kreativer Strategieprozesse (z.B. Gemeinsam Digital Berlin) sind großartige Möglichkeiten, das Potenzial öffentlicher Datensätze zu sichern und damit Digitalisierung gemeinwohlorientiert zu gestalten.
Was sind die Vorteile der internationalen Vernetzung und des Austauschs für öffentliche Innovationslabore?
Die verschiedenen Inputs und Impulse im Rahmen der internationalen LabCamp-Ausgabe haben den Wert solcher Vernetzungsformate für Innovationsprozesse in Kommunen deutlich gemacht. Diese Formate ermöglichen es den Innovationseinheiten, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. So schaffen wir Möglichkeiten des Wissens- und Ideentransfers über kommunale und nationale Grenzen hinweg. Ausgestattet mit diesen neuen Ideen und Erkenntnissen, können Verwaltungen dann wiederum gemeinsam mit den Bürger:innen und anderen Akteuren vor Ort neue Lösungen zur Verbesserung der Funktionsweise und Zugänglichkeit von Dienstleistungen erproben. Kurz gesagt: Der internationale Austausch ermöglicht eine ganz andere Art grenzüberschreitender Innovationsprozesse, der allen Beteiligten Möglichkeiten zum Wachsen und Entwickeln aufzeigt.
Weitere Informationen auf der Projektseite und im öffentlichen Wissensspeicher.