Am 25. Januar 2022 veranstaltete unser Projektteam von QTrees einen ersten Expert:innen-Workshop zu dem Thema „Bewässerung von Stadtbäumen“. Qtrees hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Baumsterben in Städten durch die Entwicklung eines durch Künstliche Intelligenz gestützten Vorhersagesystems nachhaltig entgegenzuwirken. Projektmanager Juan Carlos Carvajal Bermúdez berichtet über die Ergebnisse des Workshops.
Im Rahmen des Arbeitspaketes Nummer 3 Anforderungsanalyse des Projekts QTrees haben wir uns mit einigen Baum-Expert:innen unterhalten und am 25. Januar 2022 einen ersten Experten:innen-Workshop durchgeführt. Ziel des Workshops war es in die Thematik „Bewässerung von Stadtbäumen“ einzutauchen und zu verstehen anhand welcher Parameter der Bewässerungsbedarf von Bäumen berechnet werden kann.
Unsere Expert:innen Wolfgang Leder – Leiter vom Straßen- und Grünflächenamt (kurz: SGA) Berlin Mitte –, Dr. Katharina Weltecke – Sachverständige für Bodenkunde und Baumstandorte – und Christian Hönig – Baumschutzreferent beim BUND Berlin – diskutierten im Experten:innen-Workshop mit uns über aktuelle Herausforderungen und Methoden rund um die Bewässerung von Bäumen. Durch den Workshop konnten wir über folgende Themenschwerpunkte lernen:
- Aktueller Bedarf und Zielsetzung bei der Bewässerung von Straßen- und Anlagenbäumen in Berlin
- Daten und Parameter, die für die Einschätzung des Zustandes der Bäume und daher für die geplante Entwicklung eines intelligenten Vorhersagemodells für die Bewässerung von Stadtbäumen relevant sind
- Methoden und Rechenmodelle, die für Bewässerung von Stadtbäumen bereits genutzt werden – von einfachen Faustregeln bis hin zu komplexen Formeln
In Bezug auf die Bedürfnisse von Bäumen wurden einige Herausforderungen und mögliche Lösungen vorgeschlagen. Alle Expert:innen sind sich einig, dass mehr Platz für die Bäume und ihre Wurzelsysteme ihre Situation eindeutig verbessern würde, da dadurch die Aufnahmekapazität sowie die Versickerungskapazität vom Bodensubstrat erhöht wird. Hier wäre beispielsweise das Entsiegeln von Baumscheiben, bei dem man die unter dem Baum befindliche Fläche aufbricht und vergrößert, eine konkrete Maßnahme, die ergriffen werden kann. Dies kann bei der Planung von öffentlichen Räumen berücksichtigt werden, z.B. durch die Gestaltung von Baumstraßen, die frei von Kabeln sind und viel Platz für die Baumwurzeln ermöglichen. Das würde Bäume auch widerstandsfähiger gegen starke Stürme machen.
Unsere Expert:innen haben auch über Maßnahmen, die gerade für die Bewässerung von Straßenbäume eingesetzt werden, diskutiert und mögliche Optimierungspotentiale identifiziert. Eine konkrete Maßnahme ist die Einrichtung von Gießsäcken für Jung- und Altbäume, da solche Säcke das Wasser über eine längere Zeitspanne zur Verfügung stellen. Eine weitere Maßnahme ist die Abdeckung von Baumscheiben mit Splittsteinen. Splitt verhindert die Verdichtung des Bodens und ermöglicht dadurch die Aufnahme von großen Wassermengen.
Einige der Methoden können tatsächlich durch Mathematik beschrieben und durch Rechenmodelle optimiert werden, weswegen sich der zweite Teil des Workshops mit aktuellen Vorhersage- und Rechenmodellen beschäftigte. Einige mathematische Modelle werden bereits für die Berechnung von Bewässerungsbedarf eingesetzt. Evotranspiration, also die Berechnung von Verdunstung von bodennahem Wasser, sowie die Transpiration (also die Abgabe von Wasserdampf durch die Spaltöffnungen der Blätter), ist ein häufig verwendetes Modell für die Ermittlung von Bewässerungsempfehlungen. Das Modell für die Evotranspiration basiert auf der Penman-Monteith Gleichung und wird weltweit eingesetzt. Andere Modelle, wie das von Prof. Roth-Kleyer, berücksichtigen andere Parameter, wie Bodentyp oder Baumart, um den Bewässerungsbedarf zu bestimmen. Ziel vom Förderprojekt QTrees ist es unter anderem diese Rechenmodelle zu vergleichen, zu analysieren und letztlich einen optimalen Ansatz für ein eigenes Modell zu definieren.
Außerdem haben wir erfahren, welche Daten und Parameter für die Bewässerung relevant sind: Wetterdaten wie Niederschlag und Temperatur sind bei der Berechnung des Wasserbedarfs natürlich von zentraler Bedeutung. Über die Portale des Deutschen Wetterdienstes können diese Niederschlagsmengen und andere Wetterdaten der letzten Tage und Wochen leicht abgerufen werden.
Andere Daten wie bspw. die Bodenart sind zwar wichtig, aber etwas schwieriger zu erhalten. Gerade in Großstädten wie Berlin gibt es sehr viele unterschiedliche Bodensubstrate, von Sand bis Lehm, sowie viele Bodenstrukturen die bspw. durch Trümmer oder Bauschutt beeinflusst werden. Daher ist es schwierig zu berechnen, wie viel Wurzelraum, Sauerstoff und Wasser jedem Baum effektiv zur Verfügung stehen. Auch baumphysiologische Parameter spielen eine Rolle. Etwa Baumart, Alter und Höhe beeinflussen den Wasserbedarf von einzelnen Bäumen. Einige dieser Daten stehen im Grünflächeninformationssystem (GRIS) der Stadt Berlin zur Verfügung und können über den FIS-Broker heruntergeladen werden.
Der Workshop hat uns ein tieferes Verständnis über die Herausforderungen, Daten, Methoden und Modelle, die für eine intelligente Bewässerungsempfehlung in Frage kommen, verschafft. Die Ergebnisse des Workshops werden schließlich als Grundlage für eine ausgiebige Anforderungsanalyse genutzt. In den nächsten Wochen führt das QTrees-Konsortium dafür sogenannte Experten-Interviews durch, um die Bedarfe von Verwaltungsmitarbeiter:innen verstehen und in die Entwicklung des Vorhersagemodells und einer Endnutzer-Anwendung einfließen lassen zu können.
Wir bedanken uns recht herzlich bei unseren Expert:innen für die aktive Teilnahme!
Dieser Beitrag wurde von unserem Projektmanager für Nachhaltigkeit & Digitalisierung Juan Carlos Carvajal Bermúdez verfasst und ist zunächst auf der Webseite des Projekts QTrees erschienen.