GovTech TestLAB – unser Testlabor für die Berliner Verwaltung

Der wachsende GovTech-Markt bietet zahlreiche digitale Lösungen für die Verwaltung, doch nicht jede Technologie hält, was sie verspricht – welche bringen echten Mehrwert?

Von Deborah Paluch, Markus Sperl – 24. März 2025

Die derzeitigen Herausforderungen der Berliner Verwaltungsdigitalisierung sind vielfältig: veraltete IT-Systeme, Fachkräftemangel und uneinheitliches Wissens- und Datenmanagement erschweren den digitalen Fortschritt. Hinzu kommen Themen wie IT-Sicherheit, die Anpassung an neue Technologien wie KI und die steigenden Erwartungen an bessere digitale Services für Bürger:innen. GovTech-Anwendungen versprechen Unterstützung in vielen dieser Bereiche – doch sie müssen passen und praxistauglich sein.  

In den letzten Jahren ist ein großer Markt für GovTech-Lösungen entstanden. Sowohl große Tech-Unternehmen als auch junge Start-ups entwickeln digitale Tools speziell für die Verwaltung. Die Produkte sollen Verwaltungsprozesse modernisieren, den Zugang zu Dienstleistungen verbessern und die Nutzung von Daten vereinfachen. Doch nicht jede Lösung hält, was sie verspricht. Welche Technologien bringen echten Mehrwert – und welche sind nur gut gemeint?  

Genau hier setzt das CityLAB an: Seit letztem Jahr unterstützen wir durch den Betrieb eines GovTech-Testlabors, einem Raum für Verwaltungsmitarbeitende, in dem Lösungen ausprobiert und gemeinsam bewertet werden können. Wir führen Hands-On-Workshops durch, in denen wir gemeinsam mit Verwaltungsmitarbeitenden Anwendungen vor Ort ausprobieren. Unser Fokus liegt dabei stark auf dem Verständnis der Herausforderung, dem Verstehen, was eigentlich im Kern das Problem darstellt. Erst in einem zweiten Schritt wird mit den Testenden überprüft, ob die vorliegende Software innovative und interessante Features bereithält, die das Problem wirklich lösen können. 

Deborah Paluch & Markus Sperl

Das Testlabor als Experimentierraum – Ausprobieren, Diskutieren, Lernen 

Als öffentliches Innovationslabor verfolgen wir die Entwicklungen im GovTech- und Smart City-Bereich genau. Nun bieten wir mit den Test-Workshops einen Raum, in dem ausgewählte Produkte von Mitarbeitenden aus Berliner Verwaltungen niedrigschwellig ausprobiert werden können. Die Bedarfe und damit einhergehend auch die zu testenden Produkte identifizieren wir in Zusammenarbeit mit den Verwaltungen. Gemeinsam entwickeln wir realistische Testszenarien und bewerten und versuchen mit Blick auf Lösungspotenzial und “Fit” mit dem jeweiligen Verwaltungskontext zu begründeten Ergebnissen zu kommen. Unsere Expertise liegt dabei sowohl in der nutzendenzentrierten Gestaltung von Software (UX/UI Design) als auch im technischen Hintergrundwissen. Darüber hinaus können wir mittels strukturierter Workshop- und Wissensvermittlungsmethoden die Teilnehmenden in ihrer eigenen Beurteilung und Evaluierung begleiten.  

Angenommen, eine KI-gestützte Software soll die Antragsbearbeitung im Bürgeramt erleichtern. Beim Testen könnte sich herausstellen, dass das eigentliche Problem nicht die Prüfung der Anträge ist, sondern der hohe Zeitaufwand für die Benachrichtigung der Bürger:innen über fehlende Unterlagen. Außerdem zeigt sich beim Testen, wie gut die Software in der Praxis funktioniert: Ist sie leicht zu bedienen? Wie viel Schulung brauchen die Mitarbeitenden? Diese Ergebnisse helfen der Berliner Verwaltung Entscheidungen zu treffen, potenziell dann im nächsten Schritt Ausschreibungsdokumente zielgerichteter zu formulieren, Bedarfe zu konkretisieren, aber auch das Wissen über Kriterien für die Bewertung von IT-Anwendungen in ihre zukünftige Arbeit einzubeziehen.  

Mit dem GovTech-Testlabor wollen wir überprüfen, ob Bedarfe mit bestehenden Produkten ausreichend gut bedient werden können, statt neu entwickelt werden zu müssen. Das Thema Mehrfach- und Parallelentwicklung von ähnlichen Lösungen anstelle von Nachnutzung, Kauf und/oder Anpassung ist ein bekanntes Problem von Digitalisierung und Smart City. Grundsätzlich ist es immer sinnvoll Lösungen vorab zu testen, idealerweise mit verschiedenen Nutzer:innen, um sicherzugehen, dass zum einen die richtigen Bedarfe erfüllt werden und zum anderen, ob ein Tool auch nutzendenfreundlich in seiner Handhabung ist.  

Die “smarteste” Anwendung ist unbrauchbar, wenn die Personen, die damit arbeiten sollen, keine gute User Experience haben und im schlimmsten Fall das Gefühl haben mit dem Tool “zu kämpfen”. Dementsprechend ist die Software erst dann effizient und sinnhaft eingesetzt, wenn Mitarbeitende sie intuitiv und einfach benutzen können und keine Abwehr und Frustration entsteht, weil die Nutzung womöglich zu kompliziert ist.

Schlaglichter aus dem ersten Projektjahr – KI, Open-Source-Arbeitsplätze und Datenmanagement-Plattformen 

Im ersten Jahr haben wir unterschiedlichste Anwendungen getestet: von Web-Tools mit KI-Unterstützung für Marktrecherche und Vergabe und Open-Source-Großprojekten wie  openDesk1 bis hin zu einem Open-Source-Stack für urbanes Datenmanagement. Jede der Anwendung erforderte es, unser Vorgehen für den jeweiligen Kontext anzupassen. Eine simplere Web-Anwendung testeten wir mit Nutzenden in einem zweistündigen Workshop, eine aus mehreren Komponenten bestehende Suite in einer mehrwöchigen Testreihe. Wir konnten mehrere, teils überraschende, erfreuliche Effekte beobachten:  

  1. Innovative Anwendungen wurden vorgestellt und das Angebot bereitwillig angenommen 
  2. In einer neutralen Umgebung entstanden offene Diskussionen über Bedarfe und Herausforderungen unter den Testenden 
  3. Konkrete Erkenntnisse über Nutzendenbedarfe, Inbetriebnahme und mögliche Stolpersteine konnten gewonnen werden.  

Einfach Lösungen finden, testen und beschaffen – Was wir gelernt haben, und wie wir weitermachen 

Unübersichtliche Marktlagen, Schwierigkeiten bei der Beurteilung von Angeboten, strenge Vergaberichtlinien und knappe Budgets erschweren es Innovationen, den Weg in den öffentlichen Sektor zu finden. Unterschiedliche politische Anstrengungen Lösungen auffindbar und nachnutzbar zu machen, sind Symptom und Folge dieser Unübersichtlichkeit zugleich. Jedoch, die Zeit, sich auf den vielen Plattformen und Marktplätzen (bspw. Deutschland.Digital, Mira, KI-Marktplatz, KOINNOvationsplatz o.Ä.) umzusehen, haben überlastete Verwaltungsmitarbeitende nicht. Niedrigschwellige Gesprächsangebote von großen Tech-Konzernen auf einschlägigen Branchenveranstaltungen hingegen mutmaßlich genug. 

Wir als Innovationslabor wollen mit dem GovTech-Testlabor eine unabhängige Plattform für offene Diskussionen bieten – ohne direkt an Produktdemos anschließende Verkaufsgespräche. Das Feedback der Verwaltungsmitarbeitenden zum Format fällt sehr positiv aus. Die Möglichkeit ein Tool auszuprobieren, ohne es direkt anschaffen zu müssen, Vor- und Nachteile einer innovativen Lösung abwägen zu können, bevor man die umgangssprachliche „Katze im Sack“ kauft, wird als hilfreich beschrieben.  

Ein weiteres Ziel besteht darin, die Verwaltung zu befähigen, Lösungen gezielt auf gute Nutzbarkeit zu bewerten und gleichzeitig dazu animieren ihre Fühler auszustrecken und sich auch an die Beschaffung innovativer und visionärer Lösungen zu trauen. Nicht wir entscheiden, ob eine Lösung sinnvoll ist, sondern diejenigen, die es nutzen sollen: die Verwaltungsmitarbeitenden. Wir moderieren die Beurteilung und Diskussion. Dadurch ist das Projekt eine Two-Way-Road – wir bringen Anwendungen zum Ausprobieren und Kennenlernen mit, und bekommen dadurch einen besseren Einblick über die komplexen Herausforderungen in der Berliner Verwaltungsdigitalisierung. Wir haben unsere eigene Perspektive geschärft in Bezug auf die Frage, was eigentlich sinnvolle Innovation darstellt. Uns ist bewusst, dass Kriterien für die Bandbreite und Varianz an unterschiedlichen Lösungen schwierig abschließend festlegbar sind und verstehen sie als Orientierung, die regelmäßig reflektiert wird. Kommt gerne auf uns zu, teilt eure eigenen Erfahrungen dahingehend und diskutiert mit uns! 

Auch in diesem Jahr werden wir weitere Tests durchführen, und mit Hilfe des Feedbacks und der Erfahrungen aus den letzten Workshop-Formaten das Programm verfeinern und anpassen.