Unser Besuch der Smart City Expo

Benjamin Seibel berichtet aus unserem Arbeitsalltag.

Von Benjamin Seibel – 1. Februar 2022

Der folgende Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung vom Tagesspiegel Background und wurde dort am 21. Dezember 2021 veröffentlicht.

Unsere erste gemeinsame Auslandsreise seit fast zwei Jahren führte einen Teil des CityLAB-Teams im November nach Barcelona. Die jährliche Smart City Expo ist die weltgrößte Fachveranstaltung zur digitalen Transformation von Städten und die vergleichsweise niedrigen Inzidenzen in Spanien erlaubten uns diesmal einen Besuch vor Ort. Die Expo ist immer eine gute Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen und sich von Bochum bis Rio de Janeiro über die Aktivitäten anderer Städte zu informieren. Eine Wohltat nach einer gefühlten Million Zoom-Calls, endlich mal wieder echte Begegnungen!

Auch jenseits der Expo ist eine Reise nach Barcelona für Smart-City-Interessierte natürlich ein Highlight. Die katalanische Metropole hat sich in den letzten Jahren in Fachkreisen einen eindrucksvollen Ruf erarbeitet: In unseren Beteiligungsformaten wird keine Stadt öfter als Referenz genannt, wenn es darum geht, in welche Richtung sich die Smart-City-Aktivitäten in Berlin entwickeln sollen. Vorzeigeprojekte wie die verkehrsberuhigten „Superblocks“, die vor Ort „Superilles“ genannt werden, haben auch international Strahlkraft entwickelt und zahlreiche Nachahmer gefunden (etwa die Kiezblocks-Initiativen in Berlin, die es bis in den Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung geschafft haben).

Eindruck der Smart City Expo / Foto: Carlota Serarols

Brias Stadt der Zukunft – ein Wunschtraum?

Zu verdanken ist diese Reputation vor allem der Arbeit von Francesca Bria, die von 2016 bis 2020 als CTO die technologische Entwicklung Barcelonas verantwortete. Brias und Barcelonas Vorstellungen von der digitalen Stadt unterschieden sich damals deutlich vom sonst eher technikfixierten Smart City-Mainstream. Offen kritisierte sie den allzu leichtfertigen Ausverkauf von mit der Digitalisierung überforderten Stadtverwaltungen an große Technologie- und Beratungsfirmen und propagierte stattdessen einen „Do it yourself“-Ansatz: Eigene digitale Kompetenzen aufbauen, Stadtgesellschaft und lokale Tech-Communitys einbeziehen, Open-Source- und Open-Data-Ansätze vorantreiben. Mit ihrer Vision einer offenen und partizipativen Digitalisierung von Städten, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen vor Ort orientiert, hat Bria auch unsere eigene Arbeit im City Lab inspiriert.

Auf der Smart City Expo selbst findet sich dann allerdings eher wenig von dem kritischen Geist der selbsternannten „Smart Rebel City“ Barcelona. Hier dominieren stattdessen Produktpräsentationen und technische Gadgets, die uns Effizienz und Bequemlichkeit versprechen. Wer zwischen selbstfahrenden Autos, Müllsammelrobotern und intelligenten Drohnen über die Gänge der Messe spaziert, könnte den Eindruck bekommen, die Städte der Zukunft seien schon längst Wirklichkeit. Nur dass diese Städte hier eigentümlich steril und künstlich wirken, ganz so, als ob etwas Wesentliches fehlt. Von den Menschen, die in diesen Städten leben sollen, von ihrer Kreativität und ihrem Gestaltungswillen, ist nämlich erstaunlich wenig die Rede.

Die Expo: ein Marketinginstrument der Superlative

Stattdessen ist die Expo in erster Linie ein Marketing-Feuerwerk: Auf überdimensionierten Bildschirmen werden Rundum-Sorglos-Lösungen beworben, Buzzwords schwirren durch die Luft. Probleme scheint hier niemand zu haben, dafür gibt es jede Menge innovativer „Lösungen“ zu sehen. Alles ist smart, vernetzt, automatisiert. Natürlich gehört all das zum Wesen einer Messe, schließlich wollen die meisten Leute dort in erster Linie miteinander Geschäfte machen. Und natürlich ist es trotzdem interessant, sich über neueste Entwicklungen und technologische Trends zu informieren. Aber insbesondere bei einigen Städten und Kommunen, deren Stände sich optisch kaum von denen großer Unternehmen unterschieden, hätte ich mir statt eines geschliffenen Sales-Pitches einen ehrlichen Blick hinter die Kulissen gewünscht.

Denn wenn wir aus unserer Arbeit der letzten Jahre eines gelernt haben, dann dass wir die großen Herausforderungen im Zusammenhang mit der digitalen und ökologischen Transformation unserer Städte nur gemeinsam bewältigen können. Und dass es dafür einen ehrlichen und offenen Austausch zwischen Akteuren braucht. Deshalb organisieren wir auch regelmäßig Formate wie das Lab Camp, bei dem sich Innovationseinheiten in einem geschützten Rahmen über ihre Arbeit austauschen können – gerade auch über die Aspekte, die nicht so gut laufen. Dagegen erscheint mir die Expo eher wie ein Maskenball, bei dem sich alle in schicke Kostüme werfen, aber nur wenig von ihrer echten Persönlichkeit preisgeben.

Das war auch einer der Gründe, aus dem wir uns entschlossen haben, vor Ort in Barcelona ein kleines Abendevent abseits des Messetrubels zu organisieren. Bei einem Bier und guter Musik erzählt sich manches leichter und so erfahren wir dann doch noch allerhand interessante Hintergründe aus anderen Städten und schmieden Pläne für zukünftige Besuche und Kooperationen. Für das Event waren wir in einem selbstverwalteten Off-Space für die lokale Musikund Digitalszene zu Gast. Auch die gezielte Förderung solcher nichtkommerzieller Räume ist übrigens Teil von Barcelonas eigener Interpretation einer smarten Stadtentwicklung.

Abendevent „Berlin Smart City Night“ / Foto: Carlota Serarols

Vielleicht, denke ich mir an diesem Abend, ist es ja kein Zufall, dass die von Francesca Bria bekannt gemachte alternative Vision einer partizipativen Smart City ausgerechnet hier entstanden ist, wo sich die globale Urban-Tech-Elite zum jährlichen Schaulaufen trifft. Einer von Brias engsten Beratern, den wir für eine Keynote eingeladen hatten, machte aus seiner Abneigung gegen den Expo-Zirkus auf jeden Fall keinen Hehl. Und ergänzte gleich im nächsten Satz, dass die Messe trotzdem die spannendste Zeit des Jahres sei, um interessante Menschen zu treffen, aber eben eher auf Veranstaltungen wie unserer. Dem mochte ich dann wirklich nicht widersprechen.

Hier geht es zu unserem Fotoalbum der Smart City World Expo.