Platz in der Stadt: Unser Kiezlabor im Graefekiez

Von Pia Gralki
Highlights unseres Kiezlabors auf Kieztour – diesmal in Friedrichshain-Kreuzberg!

Unser Standort in der Dieffenbachstrasse Ecke Grimmstrasse inmitten des lebendigen Graefekiez stimmte uns hoffnungsvoll und aufgeregt zugleich: Werden sich Anwohner:innen durch unsere Aneignung des davorliegenden Gehwegs eingeschränkt fühlen oder umso neugieriger auf den Neuling in ihrem Kiez reagieren? Unser Tiny House ist zwar kompakt, nimmt aber dennoch ungefähr den Platz von zwei geparkten Autos ein – werden sich manche daran stören in einem Umfeld, wo Parkplätze auch mal Mangelware sein können oder den neuen Anblick vor ihrem Haus begrüßen?

Unser Kiezlabor im Graefekiez. Foto: Holger Gross

Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen katapultierte uns sogleich in unser Schwerpunktthema vor Ort: Den Platz in der Stadt. Wie und zu welchem Zweck wird öffentlicher Raum genutzt und welche Zukunftsvisionen gibt es im Kiez? Wie kann mehr sozial-ökologisch genossenschaftliches Wohnen umgesetzt und Mobilität verbessert werden? Wie können digitale Tools und Ansätze dabei helfen, diese Ideen sichtbar zu machen? Um uns diesen Fragestellungen zu nähern, haben wir mit dem Projekt Graefekiez kooperiert vom 06.09. bis 17.09. Expert:innen zu uns ins Kiezlabor eingeladen, die in Workshops, Meetups und Präsentationen viele spannende Diskussionen mit Besucher:innen und Anwohner:innen angestoßen haben.

Für spontane Ideen, die besonders schnell erprobt werden möchten, steht Knete am Kiezlabor bereit.

Zudem war es uns wichtig, praktisch zu erproben, wie öffentlicher Raum anders genutzt werden kann und welche Formate möglich sind, wenn am Straßenrand auf einmal flexible Stadtmöbel stehen oder Parkplätze entsiegelt und so neue Fläche frei wird. Einige Highlights aus diesem vielseitigen Programm und vielen anregenden Gesprächen teilen wir in diesem Rückblick.

Immer mit dabei: Unser Kiezbot. Foto: Enzo Leclercq
Diese drei Persönlichkeiten unseres Kiezbots dürfen beim Kiezlabor nicht fehlen – verblüffende Gespräche sind damit garantiert. Foto: Enzo Leclercq
Mit unserem Ideenwürfel wird der Gehweg spontan zur Wüfelbahn umfunktioniert. Foto: Enzo Leclercq

„Themen wie Verkehrswende, Parkraumbewirtschaftung oder Entsiegelung haben eine große Auswirkung auf den Alltag der Menschen. Diese Maßnahmen müssen daher nicht nur gut geplant, sondern auch erklärt werden. Im Kiezlabor können wir komplexe Konzepte mit digitalen Hilfsmitteln greifbar machen und interessierten Bürger:innen erläutern. So kommen wir in einen echten Austausch miteinander.”

Lena Osswald, Beteiligungskoordinatorin im Straßen- und Grünflächenamt Friedrichshain-Kreuzberg, bei ihrer offenen Sprechstunde während der Kiezlabor-Öffnungszeiten
Unsere Kollegin Anna Meide zeigte im Kiezlabor ihr Exponat zum Thema Flächenversiegelung und Grundwasser. Foto: Enzo Leclercq
Eine Frau erklärt ihrem Kind das Exponat. Foto: Enzo Leclercq

Vertraute Gesichter: Das Ausbildungsbürgeramt als Dauergast

Nicht einen, nicht zwei, sondern gleich vier ganze Tage durften wir das Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg bei uns im Kiezlabor begrüßen. So viel gemeinsame Zeit schweißt zusammen – selbst dem ersten Regenguss haben wir zusammen getrotzt und das Bürgeramt unter freiem Himmel spontan in unsere kleinen aber feinen vier Wände verlegt.

Die Mitarbeitenden des Ausbildungsbürgeramts richten ihr Büro während des Regens kurzum im Kiezlabor ein.
Ein Besucher nutzt spontan den Service des Ausbildungsbürgeramts bei uns im Kiezlabor. Foto: Enzo Leclercq.
Bei strahlendem Sonnenschein findet das Bürgeramt im Freien und direkt auf dem Gehweg statt.

Auch hier gab es wieder viele glückliche Gesichter: “Großartig, wie einfach das ging. Ich fahre hier jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit vorbei und habe mich gefühlt wie im Traumland, als ich einfach so einen Termin bekommen habe”, meldete uns ein Anwohner nach der spontanen Terminvergabe zurück. Eine Mutter, die für ihre drei Kinder Personalausweise vor Ort beantragt hat, freute sich über den Platz zum Spielen, der während ihres “Behördengangs” für genügend Ablenkung sorgte. Und auch das Ausbildungsbürgeramt fühlte sich wohl in unserem Tiny House: “Die Reaktionen von allen waren durchweg positiv – selbst wenn wir mal eine gesuchte Dienstleistung hier vor Ort nicht anbieten konnten, waren alle dankbar für den Austausch und das Angebot und haben uns für unsere Arbeit gedankt”, resümierte ein Mitarbeiter über die gemeinsamen Tage.

Für noch mehr gute Laune sorgte die Berliner Chief Digital Officer Martina Klement, die dem Ausbildungsbürgeramt im Kiezlabor einen Besuch abstattete und das Programm spontan gleich selbst teilte.

Foto: Enzo Leclercq
Chief Digital Officer Berlin Martina Klement mit CityLAB Mitarbeiterin Anne Kruse und den Mitarbeitenden des Ausbildungsbürgeramts Friedrichshain-Kreuzberg. Foto: Enzo Leclercq
Foto: Enzo Leclercq

Roboter: Jetzt können sie sogar malen!

Zusammen mit der Künstlerin Tee Kundu und interessierten Passant:innen haben wir Spielzeuge gehackt und diese zu Zeichenmaschinen mit Straßenkreide umfunktioniert. Mit Hilfe von Schlaufen und Holzleisten haben wir auch unseren eigenen Körper in Zeichenmaschinen umgewandelt und es dem Roboter nachgemacht. Diese Aneignung von öffentlichem Raum über den eigenen Körper, Bewegung und Werkzeugen hat sowohl Erwachsenen als auch Kindern gleichermaßen jede Menge Spaß bereitet.

Die Berliner Freiwilligentage: Einmal von Kiezlegenden lernen!

Wir würden uns natürlich freuen, wenn unser Kiezlabor eines Tages auch zur Kiezlegende erhoben wird – bis dahin durften wir bei den Berliner Freiwilligentagen von Profis aka Kalle Witzkowski vom PrimeTimeTheater lernen. Während Kalles Begeisterung für Freiwilligenarbeit auf sein Umfeld ansteckend wirkte, informierte die Autorin von „Die Nährstoffgeschichte“ Maren Bucec über gesunde Lebensmittel für Kinder und lud zu kreativen Spiel- und Bastelaktionen ein. Für alle, die es Kalle nachmachen wollten, hatte der Paritätische Landesverband Berlin gleich die passende Möglichkeit des freiwilligen Engagements dabei und teilte Einblicke zu handwerklichen Projekten, Umweltschutzinitiativen oder Unterstützungsangeboten für Kinder und Jugendliche. Wir haben uns sehr gefreut, Teil der Freiwilligentage gewesen zu sein und waren von dem vielen bereits vorhandenen Engagement im Kiez beeindruckt.

Kalle Witzkowski vom PrimeTimeTheater mit einer Besucherin. Foto: Holger Gross
Foto: Holger Gross
Die Kiezlegende höchstpersönlich. Foto: Holger Gross

Gemeinsam Visionen für einen grünen Kiez entwickeln

Wie holen wir mehr Natur in die Stadt? Wie kann Berlin klimaresilienter werden? Wie können wir eine Community zum Gärtnern im eigenen Kiez gestalten und dabei die Biodiversität fördern? Bei unserem “Smart Garden City Design Thinking Workshop” haben wir uns diesen Fragen gemeinsam mit dem 1769 Urban Resilience Lab und Anwohner:innen über das Design Thinking genähert. Diese kreative Methode, um Lösungen für Probleme zu finden und um Visionen zu verwirklichen, schien gut anzukommen: “Der Workshop hat total Spaß gemacht! Ich fand es interessant, Methoden kennenzulernen und neue Fragen zu stellen. Wir kamen von großen und verrückten Ideen zu konkreten, umsetzbaren Projektmöglichkeiten für den Kiez. Das Schönste daran fand ich, dass Kinder einfach mitmachen konnten und ganz normal eingebunden wurden. Sie sehen unsere Umgebung ja nochmal mit ganz anderen Augen – das hat die Runde sehr bereichert”, erzählte uns ein:e Teilnehmer:in.

Teilnehmende des Smart Garden City Design Thinking Workshop

“Meine gedankliche Karte vom Graefekiez ist heute bunter geworden! Das war mein erster Workshop in dem Stadtviertel, in dem ich ja selbst lebe und es hat total Spaß gemacht. Die Vielfalt an Ideen und die Energie am Tisch war sehr schön – Nach etwas Magie bzw. buntem Methodenmix sind die Projektideen jetzt umsetzungsreif und die Leute sehr motiviert. Beste Bedingungen für eine grünere, lebenswerte Nachbarschaft.”

Teilnehmerin Smart Garden City Design Thinking Workshop

Eröffnung der Summer School 2023

Das beliebte Format der Summer School kehrt zurück und wurde sogleich im Kiezlabor eingeläutet. Hier arbeiten Studierende unter einem Schwerpunkt an verschiedenen Challenges – diesmal zum Thema “Prototyping für die gesunde Stadt.” Mit einer Mischung aus interdisziplinärem Ansatz und praxisorientierter Ausrichtung widmen wir uns in diesem Jahr der Vision einer lebenswerten Stadt der Zukunft und werfen dabei einen genaueren Blick auf die Faktoren Lärm bzw. Geräuschpegel und den Möglichkeiten von Lebensmittelproduktion in urbanen Kontexten.

Im Kiezlabor ging es zum Auftakt der Summer School bereits hoch her und die Vorfreude auf das diesjährige Programm wurde spürbar: “Ich freue mich, dass wir die Summer School dieses Jahr an diesem besonderen Ort starten können. Das Kiezlabor steht für das prototypische Arbeiten direkt im Stadtraum. Hier können die Studierenden direkt reale Herausforderungen und unterschiedliche Perspektiven in ihre Projekte mitaufnehmen”, sagte uns die am Projekt beteiligte Professorin Olga Willner. Wir sind ebenfalls schon sehr gespannt auf die Ideen und Abschlussarbeiten der Studierenden für die Stadt der Zukunft.

Auftakt der Summer School 2023

Mit Künstlicher Intelligenz Ideen zum Leben erwecken

Der Graefekiez wird zum verkehrsberuhigten Kiez umgebaut. Nach der Graefe,- und Böckhstraße sollen auch noch die anderen Straßen unter anderem auf der Basis der Bedarfe von Anwohnerinnen und Anwohnern gestaltet werden. Oft wird nur gesehen, wegfällt, aber nicht, wofür alles neuer Raum ensteht. Wie könnten diese neuen Flächen aussehen? Was kann dort Platz finden? Mit Hilfe von bildgenerativer künstlicher Intelligenz haben wir verschiedene Konzepte und Wünsche im Handumdrehen selbst visualisiert – und dafür eine ganze Schulklasse zu uns ins Kiezlabor eingeladen. Die Fantasie der Kinder war dabei grenzenlos und gleichzeitig kamen sehr konkrete Vorschläge zustande, wie etwa mehr Bäume zu pflanzen, die im Sommer Schatten spenden und im Winter geschmückt werden können.

“Ich habe während dem Workshop die Gesichter der Kinder beobachtet – und was mir auffällt, ist die Begeisterung in den Gesichtern, wenn sie ihre Ideen so leicht einbringen und im Kiezlabor sogar auch visuell erleben können. Die Kinder achten auf verschiedenste Bedarfe, zum Beispiel kam auch der Wunsch auf, ein Elterncafé zu haben, wenn sie sich an der Schule treffen”, berichtete die anwesende Klassenlehrerin Veronica Rodriguez. Ob der Graefekiez letztendlich einen eigenen Eiswagen und eine Spielwiese für Hundewelpen bekommt, können wir nicht versprechen, aber wir drücken allen Kindern (und Erwachsenen) die Daumen!

Eine Wiese für Welpen und ein kleiner Teich? Dank Künstlicher Intelligenz konnten solche Ideen spontan ausprobiert werden.

Fazit und Ausblick

Der Graefekiez hat unser Kiezlabor sehr positiv aufgenommen und schnell für sich entdeckt und genutzt. Viel Laufkundschaft hat es uns ermöglicht, spontan ins Gespräch zu kommen und zum Programm einzuladen. Zudem haben wir uns auch über immer mehr vertraute Gesichter im Verlauf der Tage gefreut.

Ein Workshop im Kiezlabor. Foto: Enzo Leclercq
Ein Teil des Kiezlabor-Teams. Foto: Enzo Leclercq
Bei den Workshops wurde viel Kreativität freigesetzt – unter anderem für neue Stadtvisionen. Foto: Enzo Leclercq

Auch unsere raumgreifende Nutzung des Gehwegs wurde schnell als Einladung angenommen, sich niederzulassen und zu verweilen. In den Gesprächsrunden, Vorträgen und Workshops wurde viel Kreativität freigesetzt und der Austausch über die Nutzung des öffentlichen Raumes produktiv angestoßen – so wie wir es uns mit dem Kiezlabor erhoffen.

Foto: Enzo Leclercq
Bei unseren einzelnen Standorten sammeln wir immer Feedback ein. Foto: Enzo Leclercq

Diese positive Energie nehmen wir nun mit zu unserem finalen Standort für dieses Jahr, bevor es für unser Kiezlabor in den verdienten Winterschlaf geht: Marzahn-Hellersdorf, wir kommen! Vom 16.10. bis 22.10. dürfen wir hier den Alice-Salomon-Platz bespielen, diesmal zum Thema “Gemeinsam Stadt gestalten”. Das Programm könnt ihr bald auf unserer Webseite entdecken – wir freuen uns wie immer sehr auf Besuch!