Rückblick: Open Source als Baustein einer europäischen Innovationspolitik

Von Ines Weigand – 3. November 2021

Mit dem Aktionsfeld Open Source widmen wir uns im Rahmen der Kampagne „Freiwilligenhaupstadt Berlin“ den vielen Facetten von Open Source Software. Denn Open Source ist längst kein reines Nerdthema mehr, sondern auch eine Haltungs- und Kulturfrage. Open Source zu coden und einzusetzen heißt zunächst, den eigenen Code öffentlich zugänglich zu machen. Jede und Jeder kann diesen einsehen, kopieren, weiterentwickeln und Anmerkungen hinterlassen. Doch der Grundgedanke von Open Source reicht noch weiter: Open Source wirft Fragen nach dem Umgang mit Ressourcen auf, nach der Bedeutung von geistigem Eigentum, nach der Zusammenarbeit von Gemeinschaften und nach digitaler Souveränität.

„Open Source ist nicht nur eine Software sondern eine Kultur, nämlich die einer offenen Wissensgesellschaft in der wir Wissen miteinander teilen!” fasst es Boris Hekele, Gründer von FixMyBerlin und Gast der ersten Veranstaltung, zusammen.

Begleitet wird das Aktionsfeld durch den Podcast “Open Source – Baustein einer demokratischen Technologiepolitik?” über den die Diskussionen und Beiträge im Nachgang angehört werden können.

Open Source als Baustein europäischer Innovationspolitik

In der Abschlussfolge unserer vierteiligen Podcast Reihe schlugen wir den Bogen zurück in den Bereich der Politik und beschäftigen uns mit den Fragen: Welche Rolle spielt Open Source im Rahmen von europäischer Innovationspolitik und welche Rolle wird es in Zukunft spielen? Zu Gast bei Dr. Benjamin Seibel (CityLAB) waren dieses Mal Matthias Kirschner von der Free Software Foundation und Rafael Laguna de la Vera von der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND).

„Software muss erlauben, eigene Werte zu leben“

Matthias Kirschner, Free Software Foundation Europe (FSFE)

Eine kurze Geschichte der offenen Software

War in den 70er und 80er-Jahren ein Großteil der Software noch offen, da sich nur eine kleine Gruppe an Personen die Hardware leisten konnte, setzte sich in den 90er-Jahren vermehrt proprietäre Software durch, von der sich auch in den 2000er-Jahren die Verwaltungen in vielen Bereichen abhängig machte. Heute stehen wir nun vor der Herausforderung, Open Source und die damit verbundene offene Wissenskultur wieder zum Standard in den Behörden zu erheben.

Rafael de la Vera kommt von der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND), die sich mit Bedingungen und Voraussetzungen beschäftigt, die es benötigt, um Innovationen hervorzubringen, die unser Leben sprunghaft verändern und diese in volkswirtschaftliche nutzbringende Kreisläufe zu übertragen. Für ihn sehen wir uns zurzeit, statt mit einer freien Marktwirtschaft, mit einer Monopolstellung einzelner Firmen konfrontiert, die eben solch eine hohe Abhängigkeit hervorbringen.

Während das Thema Open Source zwar zunehmend seine Nische verlässt und Aufmerksamkeit vom Mainstream erhält, stellt sich jedoch die Frage, was es konkret bedarf, um die (europäische) Verwaltung wieder auf den „rechten“ Weg zurückzuführen. 

Ein europäisches Open Source Ökosystem

Zunächst fehle es an einer guten Strukturierung, an einer effektiven Evaluierung von Projekten und besonders an mehr konkreten Umsetzung von Open Source Projekten, so Matthias Kirschner von der Free Software Foundation. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen dazu zu befähigen, selbstbestimmt mit Software umzugehen, gibt Hilfe zu rechtlichen Fragestellungen und betreibt Policy Arbeit, um den Weg für Verwaltungen zu freier Software mitzugestalten.

Benötigt werde außerdem ein europäisches Open Source Ökosystem, das weg von einigen wenigen Anbietern geht – hin zu Offenheit und Konkurrenz und auf den Werten Transparenz und Vertrauenswürdigkeit basiert. Open Source kann an dieser Stelle zu einem derartigen werteorientierten europäischen Modell der Digitalpolitik beitragen, dass auch das europäische Profil schärfen und in Abgrenzung zur Digitalpolitik von beispielsweise China oder den Vereinigten Staaten stehen würde. 

Open Source und die Aufklärung

Ein europäisches Modell der Digitalpolitik könne so in der Tradition der Aufklärung stehen, verkürzt gesagt Kants Ruf „Sapere aude“ (Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen) folgen und durch den Einsatz und der Förderung von Open Source Infrastruktur zur digitalen Souveränität beitragen. Denn freie Software erlaubt letztlich jedem Menschen, sie zu verstehen, anzuwenden, weiterzuverbreiten und zu verbessern, somit also die Möglichkeit zur Veränderung geben und Selbstwirksamkeit fördern. „Software muss erlauben, eigene Werte zu leben”, so Matthias Kirschner.

Fazit: Zurzeit ist es noch schwierig, einen eigenen Weg in der Digitalpolitik Europas zu erkennen, der sich von den Modellen Chinas oder den Vereinigten Staaten unterscheidet. Open Source kann dabei zu einem europäischen Modell beitragen, das auf Wertorientierung und Transparenz beruht und sich in die Tradition der Aufklärung stellt. Getreu dem Motto „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, kann freie Software Menschen dazu zu befähigen, selbstbestimmt mit Software umzugehen und diese nach den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Damit dies auf europäischer Ebene zur Innovationskultur beitragen kann, muss ein Open Source Ökosystem geschaffen werden, das die Monopolstellung einzelner großer Unternehmen verhindert und Unabhängigkeit ermöglicht.

Was es sonst noch mit Open Source, der Aufklärung und der europäischen Innovationspolitik auf sich hat, könnt ihr in der zugehörigen Podcast-Folge hören.

Mit dem Aktionsfeld Open Source widmen wir uns im Rahmen des Aktionsjahres "Freiwilligenhaupstadt Berlin" und gefördert von der Schwarzkopf Stiftung den vielen Facetten die Open Source mit sich bringt. Begleitet wird das Aktionsfeld durch den Podcast “Open Source - Baustein einer demokratischen Technologiepolitik?” über den die Diskussionen und Beiträge im Nachgang angehört werden können.