Stadtgeflüster

Die Smart City-Kolumne  

Von Tobias Witt – 20. März 2025

In dieser Kolumne gewähren wir einmal im Monat Einblicke in den Arbeitsalltag des Teams „Smart City und Verwaltungsinnovation“. Das Team aus Projektmanager:innen, Service Designer:innen, UX/UI Designer:innen und Smart City Designer:innen bringt vielfältige Perspektiven in die Zusammenarbeit mit der Verwaltung, um gemeinsam Berlin voranzubringen. Mit einer Balance aus langfristigen Strategien und agilen Lösungen teilen sie ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem CityLAB.

 

Jetzt mal unter uns: Die Verwaltung ist auf dem Weg zum Durchbruch 

Seit vier Jahren bin ich als Service Designer Teil des CityLAB Berlin – dem öffentlichen Innovationslabor Berlins, das als Schnittstelle zwischen der Verwaltung und den Bürger:innen dient. Kurz: ein Ort,  an dem Ideen und Verwaltungsrealität aufeinandertreffen. Oft habe ich mich gefragt, wie wir als Innovationslabor langfristig Veränderung bewirken können. Wenn ich auf meine Zeit im CityLAB blicke, sehe ich viele kleine Fortschritte, einige Rückschläge – und eine Menge Erkenntnisse darüber, warum Veränderung in der Verwaltung manchmal länger braucht und warum das, provokant gesagt, auch richtig so ist.  

Verwaltung: Schnellboot vs. Tanker? 

Zu Beginn hatte ich die Vorstellung, dass Innovation und Veränderung in der Verwaltung vor allem eine Frage guter Ideen und richtiger Tools seien. „Wenn wir es schaffen die Herausforderungen richtig zu verstehen, dann wird das schon!“ – dachte ich. Dafür erntete ich ab und zu ein mildes Lächeln vom Team – ein wohlwissendes “Warte mal ab!”.  Nach und nach habe ich verstanden, dass Verwaltung kein Start-up oder Unternehmen ist, dass es gewohnt ist, seine Strukturen rasch an sich ändernde Umstände anzupassen. Verwaltung hat Strukturen entwickelt, die notwendig sind, um das System über Jahrzehnte hinweg stabil und verlässlich zu halten. Diese Stabilität hat klare Vorteile: Sie sorgt für Rechtssicherheit und Gleichbehandlung, schützt vor impulsiven Fehlentscheidungen und ermöglicht eine nachhaltige, langfristige Planung. Veränderungen geschehen zwar langsamer, doch genau das macht Verwaltung krisenfest und widerstandsfähig. 

Die Dynamiken, die hier wirken, sind oft komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Strukturen, die über Jahrzehnte gewachsen sind, lassen sich nicht einfach durch ein paar neue Tools oder Ideen verändern. Und genau hier liegt die Herausforderung – aber auch die Stärke – der Verwaltungsinnovation: Denn Verwaltung ist kein Schnellboot – sondern ein schwerer Tanker. Es geht nicht darum, mit voller Geschwindigkeit vorzupreschen, sondern die richtigen Hebel zu finden, um den Tanker behutsam, aber nachhaltig in eine neue Richtung zu lenken. Und das braucht Zeit. Viel Zeit. 

Digitale Bürgerämter: Wie Verwaltung und Transparenz zusammenfinden 

Eine meiner prägendsten Erfahrungen machte ich in einem Projekt gemeinsam mit dem Amt für Bürgerdienste Friedrichshain-Kreuzberg. Die Idee war simpel: ein Online-Bürgeramt, das Dienstleistungen unkompliziert zugänglich macht. Damals hatte ich wirklich Glück. Voller Optimismus schlug ich vor, völlig ergebnisoffen an das Projekt heranzugehen – einfach zu erkunden, was wir entdecken würden. Die Methoden zur Analyse waren schnell gefunden, doch die eigentliche Herausforderung zeigte sich bald: Die Verwaltung musste lernen, mit neuer Transparenz umzugehen.  Wer trägt die Verantwortung für bestimmte Abläufe? Wie geht es den Mitarbeitenden in den Bürgerämtern? Was bewegt diejenigen, die täglich im direkten Kontakt mit Bürger:innen stehen und immer wieder aufs Neue ermöglichen, dass Personalausweise beantragt oder Wohnungen angemeldet werden? Und vor allem: Wie gelingt es ihnen, Bürger:innen das Gefühl zu geben, gehört zu werden – selbst in herausfordernden Situationen? Es hat Monate – wirklich viele – gedauert, bis wir gemeinsam mit den beteiligten Personen ein gutes, umfassendes Bild davon hatten, wo Herausforderungen liegen, welche Ideen sie lösen können und bis wir einen Prototyp entwickelt haben, der unsere zuvor aufgestellte Hypothese bestätigte. Und ehrlich gesagt: Es gab Hürden und wir sind einige Umwege gegangen. Aber genau das ist der Punkt: Wir lernen gemeinsam mit der Verwaltung nicht durch schnelle Erfolge, sondern durch kontinuierliches Nachjustieren, durch kleine Schritte und durch die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen.  

Veränderung in der Verwaltung: Wie Vertrauen und kleine Schritte Großes bewirken 

 Ich habe gelernt, dass Widerstand oft nicht aus Unwilligkeit entsteht, sondern aus der Sorge, Verantwortung ohne ausreichende Unterstützung zu übernehmen. Eine Person aus der Verwaltung sagte mir einmal: „Wenn ich diese Entscheidung treffe und es schiefgeht – wer schützt mich dann?“ Verwaltung ist ein System der Absicherung, und deshalb fällt Veränderung oft schwer. 

Aber es gibt auch diese besonderen, wichtigen Momente, in denen etwas in Bewegung kommt. Wenn Menschen aus der Verwaltung nach einem Workshop sagen: „Das probiere ich jetzt mal aus.“ Wenn ein Digitalisierungsprojekt nicht nur als politische Initiative wahrgenommen wird, sondern die Mitarbeitenden selbst beginnen, nach Lösungen zu suchen und Methoden anwenden, die wir gemeinsam erprobt haben.  Diese Momente sind Gold wert, und dann spüre ich: Der Tanker bewegt sich! 

Was habe ich aus vier Jahren CityLAB gelernt? Vertrauen aufzubauen, Netzwerke zu knüpfen und die interne Logik der Verwaltung zu verstehen. Die eigentliche Innovation besteht vielleicht nicht in der perfekten digitalen Lösung, sondern im Mut, den langen Weg der Veränderung gemeinsam zu gehen.  Und vielleicht ist genau das die eigentliche Innovation: Nicht die perfekte digitale Lösung zu entwickeln, sondern den Mut zu haben, den langen Weg der Veränderung gemeinsam mit der Verwaltung zu gehen – Schritt für Schritt.