Das CityLAB Berlin feiert mit der diesjährigen Sommerkonferenz seinen fünften Geburtstag! Zeit, eine Reise anzutreten – zurück zu den Anfängen und nach vorne mit Blick in die Zukunft! Wo und mit welchen Ideen für Berlin im Gepäck sind wir gestartet? Welche davon konnten wir umsetzen, was haben wir wieder verworfen und welche neuen Pläne geschmiedet? Das haben wir zwei Menschen gefragt, denen die Idee vom CityLAB schon auf der Zunge lag, als andere noch von einem Innovationslabor für Berlin träumten: Nicolas Zimmer, den Vorstandsvorsitzenden der Technologiestiftung Berlin und Dr. Benjamin Seibel, den Leiter unseres CityLAB.
Das erste Innovationslabor Berlins gründet sich nicht über Nacht – oder etwa doch? Von der ersten Idee bis zur Förderung durch die Senatskanzlei: Wie kam das CityLAB zustande?
Nicolas Zimmer: Die Idee für das CityLAB hat sich ganz natürlich entwickelt und passte perfekt zu dem Ziel der Technologiestiftung, Berlin als Innovationsstandort stärken. Als ich 2013 zur Stiftung kam, wurde – auch in vielen Gesprächen mit Dir, Ben – schnell klar: Es war höchste Zeit für einen Kulturwandel bei Verwaltungsdigitalisierung, Mobilitätswende, offenen Daten. Offiziell wurde es dann mit dem 10-Punkte-Plan von Michael Müller, der damals Regierende Bürgermeister war: Berlin sollte digitale Hauptstadt werden – und brauchte einen öffentlichen Ort, an dem Digitalisierung und Smart City praxisnah zusammengedacht werden.
Benjamin Seibel: Tatsächlich gab es einen langen Vorlauf, unser erstes Konzept für ein Berliner Stadtlabor haben wir 2016 entwickelt. Die Idee war, praxisnah mit den Möglichkeiten urbaner Digitalisierung zu experimentieren und dabei möglichst viele Akteure einzubeziehen. Von Anfang an gab es für diese Idee große Unterstützung aus allen Teilen der Stadtgesellschaft, aber auch sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was in so einem Labor passieren sollte. Da war zunächst viel Erklär- und Vermittlungsarbeit nötig. Als die wichtigsten Fragen geklärt waren, ging es dann aber doch recht schnell. Im Januar 2019 hatten wir die Finanzierung gesichert, im April die Räumlichkeiten und im Juni haben wir offiziell eröffnet.
Wir schreiben die erste CityLAB Sommerkonferenz 2019 in Berlin – ein besonderer Tag für uns! Wie habt Ihr die Eröffnung in Erinnerung?
Benjamin Seibel: Wir waren natürlich sehr aufgeregt und sicher auch sehr müde – die Wochen davor haben wir rund um die Uhr gearbeitet, um nicht nur ein tolles Event, sondern auch schon erste inhaltliche Ergebnisse präsentieren zu können. Wir waren damals noch ein sehr kleines Team, vielleicht sechs oder sieben Leute. Umso mehr hat es uns gefreut, wie groß das Interesse war, das Lab war rappelvoll. Pünktlich zur Rede von Michael Müller, der damals Regierender Bürgermeister war, ging draußen ein heftiges Sommergewitter los. Der Donner war ohrenbetäubend, aber andererseits auch irgendwie atmosphärisch.
Nicolas Zimmer: Ich erinnere mich noch, wie gut es der damalige Regierende in seiner Rede auf den Punkt brachte. Mit dem CityLAB wollen wir nicht einfach zeigen, was unsere Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft in Berlin kann. Sondern wir wollen insbesondere im Austausch mit den Berliner:innen herausfinden, welche Zukunft sie sich wünschen und wobei ihnen neue digitale Möglichkeiten helfen könnten. Gemeinsam mit Frank Nägele, der als Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung das Lab zum guten Teil erst möglich gemacht hat, habe ich damals auf diese Zukunft angestoßen. Diese Vision nach nur fünf Jahren in Projekten wie Gieß den Kiez oder dem Beteiligungsprozess hinter Gemeinsam: Digital Berlin verwirklicht zu sehen, ist schon besonders.
Was war der Fokus des CityLAB zu Beginn? Hat sich dieser mit der Zeit verändert und wenn ja, wie?
Benjamin Seibel: Der Fokus lag zu Beginn sehr stark auf dem praktischen Experimentieren, eben auf dem „einfach mal machen“. Zu dieser Zeit hatten wir den Eindruck, dass die Digitalisierung Berlins sehr träge verläuft und viele Ideen in endlosen Abstimmungsrunden zerredet wurden, statt sie einfach mal auszuprobieren. Gerade auch für die digitale Zivilgesellschaft und die Startups, die viel Veränderungsenergie mitbrachten, war das frustrierend. Über die Jahre rückten dann strategische Fragen stärker in den Mittelpunkt.
Nicolas Zimmer: Es geht am Ende darum, erfolgversprechende Innovationen auch wirklich in die Fläche zu bringen, damit sie Wirkung entfalten können. Ich sehe das CityLAB heute viel stärker als Teil eines Ökosystems, das enger mit Berliner Verwaltungen zusammenarbeitet. Das ist ein gegenseitiger Lern- und Annäherungsprozess, der bis heute anhält.
Wenn Ihr bis zu fünf Meilensteine aus den vergangenen Jahren nennen könntet, welche wären das?
Benjamin Seibel: Aus dem Bauch heraus, und auf die Gefahr ganz viele wichtige Meilensteine zu vergessen:
- Der virale Erfolg von Gieß den Kiez – bis heute wahrscheinlich unsere bekannteste Anwendung. Das war zu Beginn einfach nur eines von vielen Experimenten und wir hatten nicht unbedingt damit gerechnet, dass es so durch die Decke geht.
- Die Veröffentlichung des Handbuchs Öffentliches Gestalten, das wir in relativ kurzer Zeit und vielen langen Nächten erarbeitet haben. Inzwischen ist das Buch fast schon ein Standardwerk im Bereich Public Sector Innovation und gerade in der vierten Auflage erschienen.
- Natürlich alle unserer Sommerkonferenzen, bei denen die ganze Vielfalt unserer Arbeit sichtbar wurde und bei denen ich mir über die Jahre mit vielen meiner persönlichen Vorbilder die Bühne teilen durfte, etwa mit Francesca Bria, Gabriella Gomez-Mont oder Bianca Wylie.
- Der große Beteiligungsprozess zur Erstellung der Strategie Gemeinsam Digital: Berlin, bei dem wir tausende Berlinerinnen und Berliner auf vielfältige Weise einbezogen haben. Wir sind hier methodisch ganz neue Wege bei der partizipativen Strategieentwicklung gegangen, das hat sogar international für Aufsehen gesorgt.
- Und zuletzt der Release unseres KI-Tools Parla, weil wir damit die Tür zu einem produktiven Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung geöffnet haben. Die vielen begeisterten Rückmeldungen von Verwaltungsbeschäftigten haben uns sehr motiviert und ermutigt.
Nicolas Zimmer: Es ist tatsächlich nicht einfach, an dieser Stelle alles zu nennen und das liegt auch daran, dass die Projekte ein Eigenleben entwickeln und in anderen Initiativen oder sogar anderen Orten fortleben. Ein Beispiel hierfür, das Ben bereits genannt hat: Gieß den Kiez hat – nach anderen deutschen Städten – jetzt auch eine App in Paris inspiriert. Der Besuch des französischen Teams im CityLAB in diesem Frühjahr zeigte einmal mehr: Unser ko-kreativer Ansatz wächst auch über die Grenzen Berlins hinaus und bewegt das Denken von politischen Entscheider:innen. In den letzten Jahren haben zahlreiche Städte und Ministerien Innovationslabore eingerichtet, die ähnliche Anliegen wie das CityLAB verfolgen. Das CityLAB war gleichwohl eines der ersten und ist einer der größten städtischen Innovationslabore. Das ist in sich ein wichtiger Meilenstein.
Wie würdet Ihr den Satz: “Das CityLAB ist für mich ein Ort, an dem….” vervollständigen?
Benjamin Seibel: …ein fantastisches Team mit viel Energie und Freude daran arbeitet, die Digitalisierung Berlins mitzugestalten.
Nicolas Zimmer: …Ideen wirklich gelebt werden: Hier sind digitale Teilhabe, Open Source oder Prototyping keine bloßen Konzepte, sondern zeigen tagtäglich, wie Digitalisierung lebenswert und gemeinwohlorientiert gestaltet werden kann.
Fünf Jahre CityLAB – was wünscht Ihr Euch für die kommenden fünf Jahre?
Nicolas Zimmer: Für mich bleibt wichtig, dass wir agil genug bleiben, um auf aktuelle Themen zu reagieren und nicht in eine Bürokratiestarre zu verfallen. Das CityLAB hat sich in seiner jetzigen Aufstellung von rund 30 Mitarbeitenden professionalisiert und wirkungsorientierte Strukturen aufgebaut. Die Grundidee ist dieselbe geblieben, hat sich aber in verschiedene Arbeitsfelder ausdifferenziert. So beschäftigen wir uns heute neben der Prototypenentwicklung auch mit der Gestaltung von Innovationsprozessen und der Strategieentwicklung – und genau das wünsche ich mir neben dem lebendigen Event- und Vermittlungsprogramm auch weiter vom und für das CityLAB.
Benjamin Seibel: Ich denke, wir konnten über die letzten fünf Jahre unter Beweis stellen, welche Mehrwerte ein offenes und umsetzungsstarkes Innovationslabor für eine Stadt wie Berlin bieten kann. Nun muss geht es darum gehen, das Gelernte zu verstetigen und Innovation auch wirklich in die Fläche zu bringen. Dazu braucht es eine gesunde Portion Pragmatismus und eine noch engere Zusammenarbeit der verschiedenen öffentlichen Digitalisierungsakteure in Berlin.