Hilf-Mir Berlin – der digitale Wegweiser für psychosoziale Beratungsangebote in Berlin

Schnell und individuell Hilfe finden

Von Pia Gralki – 16. März 2023

Wer in Berlin Hilfe in persönlichen Krisensituationen sucht, muss sich nicht selten durch viele Seiten unterschiedlicher Anbieter klicken. Das kostet Zeit und Geduld – beides haben die wenigsten Betroffenen. Die neue Anwendung Hilf-Mir.berlin fasst das Angebot von über 200 Beratungsstellen in Berlin erstmals in einer Übersicht zusammen. So können Betroffene mit wenigen Klicks und über Filteroptionen schnell Hilfe finden, die individuell zu ihren Bedürfnissen passt.

Der Prototyp Hilf-Mir.berlin wurde vom CityLAB mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege (SenWGP) entwickelt und befindet sich derzeit in der Testphase. Den Prozess dahinter, wie das neue Angebot funktioniert und wie es damit weitergeht, das erzählen die Landesbeauftragte für psychische Gesundheit Frau Dr. Degano Kieser, sowie Ingo Hinterding und Edmundo Galindo vom CityLAB hier im Interview.

Ingo Hinterding ©Florian Reimann, Frau Dr. Degano Kieser und Edmundo Galindo ©Florian Reimann

Was ist das Neue an dieser Anwendung für Berlin?

Dr. Degano Kieser: Das Land Berlin hat ein differenziertes psychosoziales und psychiatrisches Versorgungssystem inklusive der Suchthilfe. Bisher existierende Suchmöglichkeiten sind meist unübersichtlich und haben komplexe Filterfunktionen, wodurch eine bedarfsgerechte Angebotssuche erschwert wird. Der Prototyp Hilf-Mir.berlin legt den Schwerpunkt auf einen einfachen und schnellen Zugang zu niedrigschwelligen psychosozialen und psychiatrischen Hilfen sowie der Suchthilfe in Berlin. Mit verständlichen Schlagworten wurde die Komplexität der Suche für die Nutzenden so einfach wie möglich gehalten. Wenige Klicks führen zu Hilfsangeboten in der Nähe.

Was war Ihre Motivation für die Entwicklung eines solchen Angebots?

Ingo Hinterding: Uns hat gereizt, die fachliche Expertise der SenWGPG mit einer möglichst intuitiv zu bedienenden Anwendung für Hilfesuchende zu verbinden. Unser Ziel ist, Menschen in problematischen Lebenssituationen mit so wenig Klicks wie nötig geeignete Ansprechpartner:innen zu vermitteln.

Gleichzeitig haben wir nach einer Lösung gesucht, wie Verwaltungen dazu befähigt werden können, ein Informationsangebot ohne technisches Vorwissen oder die Unterstützung eines externen Dienstleisters zu pflegen und zu bedienen. Entwickelt wurde dafür ein auf Open Source-Software basierendes System, welches Datenverwaltung ähnlich einer Tabellenkalkulation ermöglicht und die Aktualisierung der Website in Echtzeit erlaubt.

Dr. Degano Kieser: Rückmeldungen an das Referat „Psychiatrie, Sucht und Gesundheitsvorsorge“ zeigen, dass das Auffinden passender Angebote in der psychosozialen und psychiatrischen Versorgungslandschaft und der Suchthilfe über das Internet schwierig ist. Daraus entstand die gemeinsame Idee, ein Internetportal zu unterstützen, um das Hilfesystem in einer gebündelten und barrierearmen Form darzustellen. 

Wie funktioniert die Anwendung genau und wie lange hat die technische Entwicklung gedauert?

Ingo Hinterding: Als “mobile first”-Anwendung stellt Hilf-Mir.berlin die Nutzer:innen in den Mittelpunkt und erfragt über Themen-Schlagworte, welche Problemsituation vorliegt, z.B. “Ängste und Zwänge”, “Traurigkeit und Verzweiflung“, “Einsamkeit” oder auch Drogen- und Gewalterfahrungen.

Jede Auswahl aktualisiert die Anzahl der gefundenen Treffer. Zusätzlich lässt sich die Suche durch die Auswahl einer Zielgruppe, z.B. “Frauen”, “Männer” oder “Menschen mit Migrationshintergrund” verfeinern. Datenschutzkonform haben Hilfesuchende die Option, die Suchergebnisse nach Entfernung zum eigenen Standort zu sortieren.

Dieses Video führt Schritt für Schritt durch Hilf-Mir.berlin.

Die technische Entwicklung der Website hat nur wenige Wochen in Anspruch genommen, deutlich zeitaufwändiger war das Zusammenstellen der relevanten Beratungsinformationen, welche die SenWGPG in mühevoller Arbeit aufbereitet hat.

Hilf-Mir.berlin wurde in der Entwicklungsphase von Betroffenen und Expert:innen getestet. Wie lief dieses User Testing ab und wie fiel das Feedback aus?

Edmundo Galindo: Wir haben je drei Expert:innen und Nutzer:innen zum Usertest zu uns ins CityLAB eingeladen und mit ihnen sowohl die Desktop- als auch die mobile Version der Anwendung getestet. Gemeinsam haben wir vier verschiedene Szenarien für die Nutzung der Plattform entworfen, die sich mit unterschiedlichen Sucht- oder gesundheitlichen Problemen wie etwa dem Drogenkonsum, dem Glücksspiel, mit Einsamkeit oder körperlichen Erkrankungen auseinandersetzen.

Jede:r Teilnehmer:in wurde je eines der Szenarien zugeteilt. Anschließend wurde ihnen die Aufgabe gestellt, das benötigte Hilfsangebot mit der Anwendung zu suchen. Wir beobachteten ihr Vorgehen und stellten Zwischenfragen, wenn Unsicherheiten oder Unklarheiten auftraten. Die Reaktionen waren für die weitere Entwicklung der Anwendung von großer Bedeutung, da wir somit die Ziele der Anwendung aus zwei verschiedenen Perspektiven für die Nutzung und Nutzer:innenfreundlichkeit ergänzen konnten. Das Feedback war insgesamt positiv: die Teilnehmenden beschrieben den Mehrwert der Anwendung in der intuitiven und verständlichen Bedienung und als hilfreich für Hilfesuchende und ihre Angehörigen.

Warum sind Sie auf das CityLAB Berlin zugekommen und was nehmen Sie aus der Zusammenarbeit für weitere Vorhaben mit?

Dr. Degano Kieser: Den Mitarbeitenden des Referates „Psychiatrie, Sucht und Gesundheitsvorsorge“ war es wichtig, eine Entwicklung zu unterstützen, die schnell zu einem ersten Prototyp eines digitalen Wegweisers führt. Das CityLAB bot an, den digitalen Wegweiser als Prototypen entsprechend schnell und barrierearm umzusetzen. Die Mitarbeitenden des Referates nehmen den Einblick in die agile Projektentwicklung als Erfahrung mit.

Gerade im Bereich der psychologischen Hilfe ist es wichtig, dass alle Daten aktuell und korrekt gepflegt sind. Wie kann sichergestellt werden, dass die Plattform stets auf dem neuesten Stand ist?

Ingo Hinterding: Der Nutzen eines Informationsangebotes im Internet steht und fällt mit der Qualität der bereitgestellten Daten. Veraltete oder falsche Informationen führen zu Frustration bei den Nutzer:innen und können schlimmstenfalls kontraproduktiv für ihre Problemsituation sein. Daher ist es enorm wichtig, dass diese schnell und einfach aktualisiert werden können. Bei klassischen Webseiten ist dafür häufig technische Expertise notwendig, die so in den Verwaltungen nicht immer existiert.

Mit der hier entwickelten Lösung, die Beratungseinrichtungen bequem in einer vertrauten Tabellenkalkulation zu verwalten und ohne Programmierkenntnisse in Hilf-Mir.berlin zu importieren, befähigen wir die beteiligten Akteure zu einer einfachen Aktualisierung des Angebots.

Dr. Degano Kieser: Da es sich noch um einen Prototyp handelt, wird vorerst der zur Veröffentlichung bereitgestellte Datensatz verwendet. Änderungswünsche können über die im Wegweiser angegebene Mailadresse mitgeteilt werden. Für die zukünftige weitere Entwicklung von Hilf-Mir.berlin wird geplant, eine dezentrale Nutzerverwaltung einzuführen, die den Einrichtungen eine eigenständige Anpassung ihrer veröffentlichten Informationen ermöglicht.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Hilf-Mir.berlin?

Dr. Degano Kieser: Für die Zukunft wünsche ich mir, dass der Prototyp von der Berliner Bevölkerung genutzt wird, sich die Suche für alle Nutzenden der Seite einfach gestaltet und sie zu den passenden Angeboten geleitet werden. In ein paar Monaten soll der Prototyp evaluiert werden, um herausfinden, ob das Ziel der niedrigschwelligen Angebotssuche erreicht wurde und der Wegweiser die Nutzenden bei der Suche ausreichend unterstützt. Die Ergebnisse sollen die Weiterentwicklung des digitalen Wegweisers unterstützen. 

Ingo Hinterding: Wir hoffen, dassHilf-Mir.berlin einen Beitrag leistet, um Menschen in sozialpsychiatrischen Situationen schnell und unkompliziert zu helfen. Besonders freuen wir uns daher über Feedback von Betroffenen, wie wir das Angebot noch besser auf ihre Bedarfe anpassen können. Den Datensatz mit über 200 Beratungseinrichtungen veröffentlichen wir übrigens auch als Open Data und das Projekt selbst ist Open Source, wie alle Projekte der Technologiestiftung Berlin. Wir freuen uns daher auch über Interessierte, die das Angebot für weitere Städte adaptieren möchten.


Mehr über die neue Anwendung erfährst du hier auf unserer Projektseite.