Mit Open Data Berliner Weihnachtsmärkte finden

Von Benjamin Seibel

Der folgende Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung vom Tagesspiegel Background und wurde dort am 29.11.2022 veröffentlicht.

In Berlins Open Data-Portal stehen aktuell mehr als 3000 Datensätze der öffentlichen Verwaltung zum freien Download bereit. Und jetzt raten Sie mal, welcher davon der Beliebteste ist. Vielleicht die hochauflösenden Luftbilder? Die tagesaktuellen Daten zum Energieverbrauch? Die neuesten Messungen zur Luftqualität? Weit gefehlt: Der Datensatz, der seit Jahren die höchsten Abrufzahlen verzeichnet, ist die Liste mit den Standorten und Öffnungszeiten der Berliner Weihnachtsmärkte.

Wenn im Smart City-Kontext über intelligente Infrastrukturen, Künstliche Intelligenz und so weiter sinniert wird, kann leicht in Vergessenheit geraten, dass die meisten Menschen eigentlich viel lieber einfach einen Glühwein trinken würden. Vielleicht sollte man sich ganz im Sinne einer bürgerzentrierten Stadtentwicklung ab und zu daran erinnern.

Dank einer interaktiven Karte den richtigen Weihnachtsmarkt finden

Auf jeden Fall haben wir die jährliche Aktualisierung dieses Premium-Datensatzes zum Anlass für ein kleines Projekt genommen. Zusammen mit den Kolleg:innen der Berliner Open Data Informationsstelle (ODIS) präsentieren wir stolz: Den Berliner Weihnachtsmarkt-Finder! Auf einer interaktiven Karte lassen sich die zahlreichen Weihnachtsmärkte der Hauptstadt erkunden, inklusive Standortsuche, ÖPNV-Anbindung und verschiedenen Filterfunktionen.

Weil wir inzwischen einige Erfahrung mit solchen Kartenanwendungen haben, hielt sich der Entwicklungsaufwand in Grenzen: Von der Idee bis zum Release vergingen gerade einmal zwei Wochen. Ein solches Tempo schafft man natürlich nur, wenn man mit eigenem Personal, entwickelt und sich so die zeitraubenden Ausschreibungs- und Abstimmungsschleifen spart. Für die meisten Verwaltungen ist das leider immer noch utopisch.

Aber immerhin kann die Verwaltung durch die Bereitstellung hochwertiger Daten Akteure wie uns in die Lage versetzen, solche Angebote zu erstellen. Das hilft in diesem Fall dann sowohl den Bürger:innen, die leichter passende Angebote finden, als auch den Gewerbetreibenden, die sich über zusätzliche Kundschaft freuen.

Mit Open Data die Bürokratie überlisten

Wir entwickeln bei der Technologiestiftung Berlin regelmäßig Open Data-Anwendungen, gerade auch um Verwaltungen zu verdeutlichen, welche Potenziale in der Bereitstellung solcher Daten liegen können. Oft entstehen bei der praktischen Arbeit mit Daten auch noch weitere Ideen, wie sich zum Beispiel die Datenqualität verbessern lässt. Oder es melden sich, wie auch in diesem Fall, nach der Veröffentlichung weitere Marktbetreiber, die gerne in den Datensatz aufgenommen werden möchten.

Es gibt aber noch einen weiteren, ganz pragmatischen Grund, warum wir Open Data-Anwendungen lieben: Ihre Entwicklung ist in den meisten Fällen herrlich unkompliziert. Das lässt sich von den meisten anderen IT-Projekten, an denen die öffentliche Verwaltung beteiligt ist, eher nicht behaupten. Da erwartet einen nicht selten eine schier endlose Reihe von Abstimmungen, Auflagen und Prüfungen, die ein agiles Arbeiten nahezu unmöglich machen.

Mit Open Data hat die Verwaltung aber einen genialen Mechanismus geschaffen, um die eigene Bürokratie zu überlisten. Es ist ja gerade die Idee offener Daten, dass sie so gut wie ohne Einschränkung zu beliebigen Zwecken verwendet werden können. Die Verwaltung lädt die Daten auf ein Portal hoch und gibt zugleich ganz bewusst die Kontrolle über den weiteren Prozess ab. Und das auch noch völlig gesetzeskonform (in Berlin geregelt durch §13 des E-Government-Gesetzes), so dass dem in Behörden bekanntlich sehr ausgeprägten Bedürfnis nach Rechtssicherheit entsprochen wird.

Als Softwareentwickler:innen erhalten wir wiederum die Sicherheit, dass unsere Anwendung nicht in letzter Sekunde durch eine irgendeine obskure Verwaltungsvorschrift oder die Laune eines Abteilungsleiters gestoppt wird – schlicht, weil wir für Open Data-Projekte wie den Weihnachtsmarkt-Finder im Grunde gar keine Erlaubnis brauchen. Natürlich arbeiten wir in der Praxis oft trotzdem eng mit den zuständigen Verwaltungen zusammen, aber es ist erleichternd zu wissen, dass wir die Kontrolle über unser eigenes Produkt behalten.

Wobei man das mit der Kontrolle im Kontext offener Innovationen generell bitte nicht so wichtig nehmen sollte. Weil der Weihnachtsmarkt-Finder wie all unsere Produkte unter einer Open Source-Lizenz steht, hat es nur ein paar Tage gedauert, bis eine Adaption des Projekts in Leipzig aufgetaucht ist. Dafür sind wir nun wirklich nicht mehr zuständig. Aber wir haben uns sehr darüber gefreut.