2020 – das erste „Corona-Jahr“: Unsicherheit, Abstand, Lockdowns und ganz viel Videokonferenz-Neuland. Die Welt verschwand ins Home Office. Eine kurze Verschnaufpause im Sommer, dann schlug die zweite Welle zum Herbst erneut zu. So schön von Zuhause arbeiten manchmal sein kann, ein Innovationslabor wie das CityLAB Berlin lebt vom Austausch mit Menschen. Ob Workshops mit der Verwaltung, User Testing mit der Stadtgesellschaft oder einfach nur, um gemeinsam zu arbeiten und dabei eine gute Zeit zu haben: das digitale Miteinander kann gemeinsames Erleben im „Real Life“ nicht ersetzen.
Der Chaos Computer Club, mit inzwischen 40 Dienstjahren die wohl wichtigste Instanz für Computer-Sicherheit, Digitalisierung und Nerd-Kultur stand im selben Jahr vor einem ungleich größeren Problem. Wie veranstaltet man einen Congress coronakonform, der jährlich bis zu 17.000 Hacker:innen anlockt? Natürlich nur digital. Aber wer schonmal einen Chaos Communication Congress besucht hat weiss, dass es nicht die Vorträge sind, die dieses Event so besonders machen, sondern die unglaubliche Atmosphäre tausender Gleichgesinnter vor Ort, die sich treffen, um sich für drei Tage endlich mal „ganz normal“ zu fühlen. Es sind die spontanen Begegnungen, die in Erinnerung bleiben, zu Besuch bei einer Assembly, beim Fachsimpeln am Flora-Mate-Stand zwischen den Messehallen oder beim Bier an der Späti-Bar.
workadventure
Nicht alles lässt sich ins Digitale übertragen, aber einiges doch, und so wurde der rC3 (Remote Chaos Communication Congress) in der 2D-Pixelwelt von workadventure ausgerichtet. Im Look klassischer 16-Bit Videospiel-Pixelwelten konnten Besucher:innen eigene Avatare gestalten und die digitale Welt des CCC betreten. Schon am Eingang (nur echt mit CCC-Rakete) herrschte kreatives Chaos und bis man verstand, was da eigentlich passiert, hatte man bereits unzählige lustige Begegnungen und Gespräche mit anderen Besucher:innen – also ganz in der Tradition des Congresses. Unzählige Assemblies und weitere Orte konnten digital besucht, Vorträgen gelauscht und in Workshops gearbeitet werden. Ein echter Congress, digital.
Die CityLAB Pixelwelt
Wir wollten untersuchen, ob sich die Pixelwelten von workadventure eignen, unsere digitalen Veranstaltungen zu bereichern und haben für unser Sommerfest das historische Gebäude H2R und des Tempelhofer Flughafens, in dem sich das CityLAB befindet, nachgebaut. Statt Stein für Stein entstand so Pixel für Pixel die digitale Kopie, unser PixelLAB.
Der Einstieg ist Dank einer ausführlichen Dokumentation auch für Anfänger keine unüberwindbare Hürde. Im Grunde reicht es, die Vorlage in Form eines Github-Repositories zu klonen und einen eigenen Account bei workadventure anzulegen – schon können bis zu 15 Teilnehmer:innen die selbst kreierte Pixelwelt besuchen. Bei ersten grafischen Gehversuchen helfen vorgefertigte Deko-Elemente, ein kleiner Raum mit interaktiven Objekten ist in weniger als zwei Stunden erstellt und online.
Deutlich aufwändiger war unser Ziel, das CityLAB so originalgetreu wie möglich nachzubilden. Kaum ein vorgefertigtes Element war geeignet, das Look & Feel des denkmalgeschützten Gebäudes einzufangen. Also haben wir den originalen Bauplan maßstabsgetreu übertragen und Mobiliar und Inventar Stück für Stück abfotografiert und von Hand nachgezeichnet. Das kostet Zeit und setzt ein wenig Talent und Leidenschaft für Pixel-Design voraus. Das Ergebnis kann sich unserer Meinung nach aber sehen lassen: wer schonmal im CityLAB war, erkennt das digitale Alter Ego sofort. Ob Ausstellung mit digitalen Exponaten, Konferenz- und Eventräume mit Jitsi-Bühnen, Werkstatt und Küche oder die versteckte Mini-Disco in unserer legendären Abstellkammer – alles ist da und lädt zum Entdecken ein.
Schwieriger gestaltete sich die technische Umsetzung. Workadventure selbst zu hosten ist trotz Virtualisierung mit Docker ein Trial & Error-Experiment, auch wegen der zuweilen lückenhaften Dokumentation. Nach vielen Versuchen und erneuten Anläufen haben wir uns dafür entschieden, für kleinere Events auf die kostenlose Variante mit bis zu 15 Nutzer:innen zu setzen und größere Veranstaltungen von workadventure hosten zu lassen, die diesen Service zu einem fairen Preis unkompliziert anbieten.
Events
Eine alte Theaterweisheit sagt, eine Premiere ist immer dann erfolgreich, wenn die Generalprobe schief geht. Unsere Generalprobe am Vortag des CityLAB Sommerfestes lief hervorragend! Sollte sich dies noch als böses Omen herausstellen? Das Programm des Tages sah eine Reihe von Vorträgen vor, erst vormittags per HopIn, dann am Mittag der Wechsel ins PixelLAB zu den digitalen Bühnen.
Kurz vor Beginn des Programmes auf den digitalen Bühnen dann Irritation. Teilnehmende der Event-Bühne fanden sich im gleichen Jitsi-Raum wieder wie die Speaker auf der Konferenz-Bühne. Zwischen Fehleranalyse und Behebung des Problemes (dem Anlegen unterschiedlicher Jitsi-Räume) vergingen nur 15 Minuten. Dennoch entschieden wir kurzfristig, kein Risiko einzugehen und die Gäste für das weitere Programm zurück zu HopIn zu leiten – eine richtige Entscheidung, um das Gelingen des Sommerfestes nicht zu gefährden. Den Besucher:innen ist die Hektik hinter der Bühne gar nicht aufgefallen, das Feedback zur Veranstaltung war durchweg positiv – die 2D-Welt zu erkunden macht Spaß und ist eine willkommene Abwechslung zu den digitalen Einheitsformaten.
Es folgten weitere Events, etwa der Tag der offenen Tür am Flughafen Tempelhof oder die Panelveranstaltung des Projektes freemove im Rahmen der Berlin Science Week. Auch kleinere Veranstaltungen, z.B. interne Treffen und Workshops, haben wir vom analogen ins digitale Lab verlegt. Sehr gefreut haben wir uns auch über die Auszeichnung „Map Of The Week“ vom workadventure-Team.
Unser Fazit
Das PixelLAB ist uns schnell ans Herz gewachsen. Es ermöglicht eine spielerische Auseinandersetzung mit dem Thema digitale Zusammenarbeit und bietet eine Abwechslung zu etablierten Videokonferenz-Tools. Die 2D-Welt nimmt sich selbst nicht so ernst und hilft so dabei, das Eis beim digitalen Netzwerken zu brechen. Das Format verlagert den Fokus von der Bühne hin zu den Besucher:innen und bietet damit mehr Raum für Zufall und Kreativität. Die Metapher der physischen Räume schafft ganz automatisch und natürlich Bezugsorte, in den sich Gruppen bilden, ohne diese in klassischen Breakout-Räumen organisieren zu müssen.
Es gibt aber auch Anwendungsfälle, für die wir das PixelLAB nicht mehr einsetzen, etwa für kurze Arbeitsmeetings wie unser Daily Standup. Hier steht die Effizienz im Vordergrund und die 2D Welt kann keinen Mehrwert bieten. Veranstaltungen, die keine oder wenig Interaktion der Gäste voraussetzen, etwa Vorträge, Keynotes oder Paneldiskussionen, sind in dedizierten Videokonferenz-Tools ebenfalls besser aufgehoben.
Die CityLAB Pixelwelt wird weiter für Besucher:innen geöffnet sein, um auch in der inzwischen vierten Welle einen Ort für spontanen, kreativen Austausch zu bieten. Und ganz besonders freuen wir uns, beim diesjährigen Remote Chaos Communication Congress mit unserer eigenen Welt ein kleines Stück beizutragen, dass Hacker:innen und Nerds sich wieder für ein paar Tage wie Zuhause fühlen können.
Hier könnt ihr unsere CityLAB Pixelwelt besuchen.
Hier geht es zum Projekt-Steckbrief der Pixelwelt.
Dieser Artikel wurde von unserem Product Lead Ingo Hinterding verfasst.