Das Wort “prototypisch” wird oft mit Produktentwicklung assoziiert oder lediglich im Kontext digitaler Tools. Mit dem Kiezlabor, einer Maßnahme der Smart-City-Strategie Gemeinsam Digital: Berlin, übertragen wir diesen Ansatz jedoch seit zwei Jahren auch in den Stadtraum. Wir ziehen von Kiez zu Kiez, um Stadtentwicklung erlebbar zu machen und lokale Herausforderungen aufzugreifen. Gleichzeitig kreieren wir mit dem Kiezlabor für einen kurzen Zeitraum einen lebendigen Begegnungsort, an dem gezeigt wird, wie es anders sein könnte.
Welche Wünsche und Ideen entstehen, wenn Menschen den eigenen Stadtraum neu denken – und wie kann das Kiezlabor dabei als lebendiger Begegnungsort dienen? Hier trifft Prototyping auf Placemaking!

Placemaking – Was ist das gleich nochmal?
Placemaking ist mehr als nur Stadtplanung: Es ist ein kreativer, partizipativer Ansatz, um urbane Räume neu zu denken und zu gestalten. Besonders interessant wird es, wenn Placemaking genutzt wird, um prototypisch Veränderungen im Stadtraum zu testen. Mit temporären Installationen, kleinen Interventionen oder Pop-up-Aktionen können Ideen im realen Kontext erprobt werden, bevor langfristige (und ggf. teure) Entscheidungen getroffen werden. Dadurch entsteht nicht nur ein lebendiger Raum für Innovation und Mitgestaltung, sondern auch eine Plattform, um Feedback der Menschen direkt vor Ort einzuholen. Das macht Placemaking zu einem effektiven, flexiblen und interaktiven Werkzeug für die urbane Transformation. In Deutschland wird der Begriff Placemaking eher selten verwendet. Stattdessen sind Begriffe wie “Stadtmachen” gebräuchlich, vor allem in zivilgesellschaftlichen Initiativen. Für schöne Beispiele lohnt sich ein Blick auf die Webseite von Urbane Praxis oder Actors of Urban Change.
Bei der Placemaking Week, die in regelmäßigen Abständen im europäischen oder internationalen Rahmen stattfindet, kommen Akteur:innen und Projekte zusammen, die den Begriff für ihre Arbeit nutzen. Vor Ort erwartet die Besucher:innen neben spannenden Projektvorstellungen auch eine Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ort in Form von Workshops und Mitmachangeboten. Im letzten Jahr konnten auch wir an der Placemaking Week in Europa 2024 in Rotterdam dabei sein und viele spannende Projekte kennenlernen.


Placemaking Week Europe: Von Europa für Berlin lernen
Von dem Pop-Up Picknick in Bibliotheken wie in Island, über Gemeinschaftsgärten, die Gemüse für ärmere Menschen anbauen bis zu Walkshops, um mit Bewohner:innen gemeinsam über Veränderungen im Stadtraum nachzudenken – viele Ideen und Projekte haben uns begeistert!
Einige Highlights:
- „City Flows: Discovering the City with Our Senses“: Bei einem Sinnes-Spaziergang wurden Geruch, Geschmack oder Tastsinn in den Fokus gerückt – inklusive kreativer Dokumentation mit Luftballons.
- „What Do You Think of Bridgekeepershouses?“: Dieses Projekt widmet sich der Nachnutzung leerstehender Brückenwärterhäuser in den Niederlanden.
- „Public Space Detective Walkshop“: Defensive Architektur wurde analysiert und Alternativen mit Augmented Reality vorgestellt.
- Außerdem gab es noch die wahrscheinlich größte Gamesession der Welt bei „Playful Placemaking: Co-creating Spaces with Gamification“.
Bei unserem eigenen Vortrag „Activating Local Communities with the Kiezlabor„ gab es dann noch so Einiges von unserem Kiezlaborsommer in Berlin zu berichten. Wir haben uns sehr über das große Interesse und die vielen, neugierigen Fragen im Anschluss gefreut. Es war ein guter Anlass, um über unsere ersten Placemaking-Ansätze zu reflektieren. Denn auch mit dem Kiezlabor haben wir uns auf verschiedene Art und Weise – mittels kleinerer und größerer Interventionen – Stadtraum angeeignet.


Erste Schritte: Placemaking-Ansätze im Kiezlabor
Das Kiezlabor stand schon in Baulücken, auf Stadtplätzen, in einer Fußgängerzone und am Straßenrand. Je nach Ort bauen wir die Stadtmöbel, Ausstellungsstücke und Workshopplätze anders auf. An sonst leeren Orten entstehen plötzliche temporäre Begegnungsorte. Diese ersten Placemaking-Ansätze im Kiezlabor lassen Bilder im Kopf der Menschen entstehen, wie es anders aussehen könnte und wie lebendige Orte des Austauschs auch in ihrem Kiez entstehen könnten.
Ein Beispiel: Im September 2023 ersetzen wir im Graefekiez drei Parkplätze durch ein Pop-up-Bürgeramt und Flächen für Workshops und Lesungen. Passant:innen konnten direkt erleben, wie öffentlicher Raum neu gedacht werden kann.
Und auch kleinere Interventionen trugen zum Placemaking bei: Ein Verschenk- und Lebensmittelretteevent im Mai 2024 am Kiezlabor in Gropiusstadt, wo viele Initiativen und Bewohner:innen aus der Nachbarschaft zusammenkamen. Unsere interaktiven Exponate für den Stadtraum, die wir für jeden Standort teils neu erdenken und arrangieren. Oder sogar mal digitales Placemaking, mittels Sensorik im Stadtraum am Kiezlabor-Standort in Lichtenberg im Juni 2024.
Inspiriert? Jetzt Ideen für 2025 einreichen
Wo sehen wir das Potenzial für dieses Jahr? Unser Pop-up am Kaisersteg war eine gute Gelegenheit, mehr über mögliche Standorte zu erfahren und Dinge zu testen. Wir möchten mit dem Kiezlabor dort sein, wo der Wandel stattfindet, und mit Beteiligungs- und Placemaking-Formaten unterstützen.
Für 2025 wählen wir derzeit neue Standorte für das Kiezlabor aus. Über unseren Open Call haben wir bereits zahlreiche spannende Vorschläge erhalten. Wenn ihr eigene Ideen für kleine Prototypen oder Placemaking-Projekte habt, meldet euch unter kiezlabor@citylab-berlin.org. Gemeinsam können wir Orte gestalten, die zum Austausch und zur Veränderung einladen!