Was macht gutes Service Design für die Verwaltung aus?

Das haben wir unsere Service Designer:innen im CityLAB gefragt – worauf sie bei der Zusammenarbeit mit der Verwaltung achten, lest Ihr hier. 

Von Pia Gralki

Der Begriff Service Design ist bei uns im CityLAB in aller Munde: Bereits im Foyer werden Besucher:innen mit Methoden und Beispielen begrüßt, in unserer Ausstellung können von uns erstellte Materialien und Ressourcen wie das Handbuch Öffentliches Gestalten oder die Methodenbox gleich selbst erkundet werden. Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff genau und wie kann die Verwaltung eigentlich von Service Design-Methoden profitieren? 

Das weiß im CityLAB niemand besser als unsere hauseigenen Service Designer:innen, die die Verwaltung mit ihrer Expertise durch Innovationsprozesse und bei digitalen Vorhaben begleiten – und auch bei unseren Projekten den nutzer:innenzentrierten Ansatz sicherstellen. Wir haben sie gefragt, was sie an Service Design begeistert, welche Erfahrungen sie in Kooperationen mit der Verwaltung gesammelt haben und welche Vorteile sie darin sehen. Hier im Interview nun: Smart City Designerin Anja Lüttmann, Service Designerin Deborah Paluch, Product- und UX-Designer Edmundo Galindo, Projektmanagerin Verwaltungsinnovation Lisa Schmechel und Service Designer Tobias Witt. 

Wir starten mit einer Mammutaufgabe: Was macht gutes Service Design – zunächst unabhängig vom Verwaltungskontext – für Dich in einem Satz aus? 

Lisa : Gutes Service Design löst sich von Erwartungen und öffnet den kreativen Raum, um Prozesse und Dienstleistungen zu gestalten, die im besten Fall nicht nur von allen gut nutzbar sind, sondern auch Spaß machen. 

Anja: Gutes Service Design denkt ganzheitlich und ist realitätsnah: Was machen Menschen tatsächlich? Was passiert bereits unterbewusst? Und wie können wir das dann aktiv durch Service Design gestalten, um Aufgaben zu erleichtern? 

Deborah: Gutes Service Design ist, wenn Menschen, unabhängig von ihren Mitteln und Fähigkeiten, eine von ihnen benötige Dienstleistung auffinden und durchführen können. Idealerweise ist der Prozess möglichst nahtlos. 

Zwei Personen reden an der Theke im CityLAB
Im CityLAB erproben wir neben digitalen Prototypen auch Service Design Methoden – hier diekt in unserem Foyer.

Wir wird Service Design im CityLAB gelebt – wo kommt es bei unserer Arbeit zum Einsatz? 

Tobias: Von Anfang bis Ende. Wir wollen möglichst im gesamten Prozess, von der Anfrage, dem ersten Kontakt, den ersten Ideen bis hin zum Testen eines Prototyps ganzheitlich denken und da spielt Service Design eine wichtige Rolle neben den anderen Disziplinen im CityLAB. Service Design funktioniert nur, wenn wir interdisziplinär denken und handeln. Daher ist es so wichtig mit Menschen, Kolleg:innen und allen Beteiligten zu sprechen, ihre Perspektiven zu integrieren und Service Design als eine Ermöglicherin zu nutzen.  

Anja: Wir leben und atmen Service Design – sei es durch methodische Begleitung von Innovationsvorhaben der Berliner Verwaltung, durch aktive Wissensvermittlung bei Events und Ausstellungsformaten oder mit Hilfe praktischer Erfahrungen in Workshops. Am Ende ist uns wichtig Multiplikator:innen in der Verwaltung zu unterstützen und echte Projekterfolge zu ermöglichen. 

Deborah: Im LAB entwickeln wir Prototypen für die Zivilgesellschaft und müssen dabei die Bedürfnisse der Nutzenden ganz stark priorisieren, um Lösungen mit erlebbarem Mehrwert anzubieten. Unabhängig davon, ob es sich um eine verbesserte digitale Dienstleistung handelt oder die Konzeption eines Workshops, ist es stets unser Ziel einen reibungslosen Prozess zu gestalten, der angepasst ist auf die Wünsche und Fähigkeiten der betreffenden Personen. 

Mehrere Personen stehen vor einem Whiteboard und diskutieren
Bei unseren Workshops coachen wir Verwaltungsmitarbeitende bei der Vorbereitung und Durchführung von Innovationsprozessen.

Inwiefern kann die Verwaltung von Service Design profitieren? 

Edmundo: Die Verwaltung kann von der Anwendung von Service Design profitieren, indem Dienstleistungen so gestaltet werden, dass sie effizienter, benutzerfreundlicher und kundenorientierter werden. Durch eine nutzerzentrierte Herangehensweise können die Bedürfnisse und Anliegen der Bürger:innen besser erfasst werden. Die Dienstleistungen können entsprechend transparent und zugänglich gestaltet werden, mit einem Fokus auf Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit. 

Dadurch kann die Zufriedenheit der Bürger:innen gesteigert werden. Dies trägt dazu bei, das Vertrauen der Bürger:innen in die Verwaltung zu stärken und die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen zu fördern. Gleichzeitig können interne Abläufe der Verwaltung analysiert werden, um die Effizienz ihrer Arbeitsprozesse zu optimieren und Ressourcen besser zu nutzen. Dies führt zu einer verbesserten Servicequalität und einer höheren Zufriedenheit der Bürger:innen. 

Portraits: Anja Lüttmann, Edmundo Galindo und Deborah Paluch
Servicedesignerin Anja Lüttmann, Product- und UX-Designer Edmundo Galindo und Servicedesignerin Deborah Paluch

Anja: Verwaltungsdienstleistungen sind Services, die bewusst und Bürgernah gestaltet werden müssen. Besonders in der steigenden Komplexität einer Smart City, in der viele Akteure in Prozessen beteiligt sind, ist es wichtig diese trotzdem schlank, barrierefrei und aus Nutzer:innenperspektive zu gestalten. Die Verwaltung ist aber nicht nur Bereitstellerin, sondern auch Nutzer:in und profitiert dementsprechend genauso von gutem Service Design. Die Service Designer:innen im CityLAB zeigen, wie das gelingen kann, in Zusammenarbeit mit Verwaltung und Bürger:innen. 

Lisa S.: Die Verwaltung ist in erster Linie auf Prozesse ausgerichtet, sei es bei der Bereitstellung von Dienstleistungen nach außen oder bei internen Abläufen. Der Mehrwert von Service Design liegt – im Gegensatz zum klassischen Ansatz der Prozessoptimierung – im Dialog verschiedener Gruppen. Durch die Einbindung der Bürger:innen entstehen Dienstleistungen, die ihren Bedürfnissen gerecht werden. Frühzeitige Tests von Ideen und Lösungsansätzen sind entscheidend, um Kosten für Dienstleistungen zu vermeiden, die nicht den gewünschten Mehrwert bieten. Darüber hinaus sind die Erfahrungen und Vorschläge der Mitarbeitenden oft eine wertvolle Quelle für Service Design-Ansätze, da sie die Prozesse im Detail kennen und Ideen einbringen können, die zuvor möglicherweise übersehen wurden. 

Eine Person steht in der CityLAB Ausstellung vor einem Laptop und benutzt den Chatbot Öffentliches Gestalten
In unserer Ausstellung können unsere Service Design-Materialien direkt selbst ausprobiert werden.

Hast Du ein Lieblingsbeispiel außerhalb des CityLAB, das für Dich das Potenzial von Service Design auf den Punkt bringt? 

Edmundo: Ein herausragendes Beispiel für die Anwendung von Service Design im Bereich der Verwaltung ist das „Trámites CDMX“ Programm in Mexiko. Diese Initiative der Regierung von Mexiko-Stadt zielt darauf ab, den Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen zu erleichtern. Dienstleistungen wurden benutzer:innenfreundlicher gestaltet, sowohl online als auch in physischen Standorten (Bürgerbüros, Kioske oder Poststellen). Dies gewährleistet, dass vielseitige Zielgruppen, einschließlich Menschen mit Behinderungen oder Analphabeten, Zugang zu den Dienstleistungen haben, sei es durch persönliche Betreuung oder Assistenz.  

Deborah: Mir ist neulich ein Straßenmagazin begegnet, dass sich über einen QR-Code digital aufs Smartphone einkaufen lässt: Ich finde den Ansatz spannend, dass wohnungslose Personen digital und bargeldlos Zeitschriften verkaufen können – eine logische Konsequenz, wenn immer weniger Menschen Münzgeld bei sich haben. Ob und wie nachhaltig das Projekt wirklich ist, kann ich nicht bewerten. 

Lisa: Mein Lieblingsbeispiel sind die Packstationen und andere Abholstation, die immer mehr Verbreitung finden. Durch sie löst sich die Verbindung zu Öffnungszeiten und Standorten der Filialen und Geschäfte. Dies ist für viele Menschen praktisch, die die Öffnungszeiten aus verschiedensten Gründen nicht gut wahrnehmen können, oder weiter entfernt wohnen. Speziell die Packstationen sind interessant, da es erst eine Pilotphase gab, nach deren Erfolg dann skaliert wurde. 

Portraits: links, Tobias Witt; rechts, Lisa Schmechel
Servicedesigner Tobias Witt und Projektmanagerin Verwaltungsinnovation Lisa Schmechel

Was begeistert Dich persönlich an der Arbeit mit Service Design im Austausch mit der Verwaltung immer wieder aufs Neue? 

Tobias: Der Austausch mit Menschen aus der Verwaltung ist jedesmal eine Bereicherung für mich und für unsere Arbeit im CityLAB. Service Design sehe ich hier als eine Art Hilfsmittel um auf unterschiedlichen Ebenen mit Menschen aus der Verwaltung in Kontakt zu kommen, Emphatie für Herausforderungen zu entwickeln und zu verstehen, wo die Ursachen liegen und entstehen. Service Design ist für mich nicht nur ein Ansatz aus dem Design, sondern auch eine große Methodenbox, die es uns ermöglicht, ganzheitlich zu denken. 

Edmundo: Was mich persönlich immer wieder begeistert, ist die Möglichkeit, durch Service Design im Austausch mit der Verwaltung positive Veränderungen zu bewirken. Der enge Dialog mit den Bürger:innen und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessengruppen ermöglichen es, Lösungen zu entwickeln, die wirklich auf die Bedürfnisse und Anliegen der Menschen eingehen. Die Vielfalt der Projekte und die Möglichkeit, innovative Ideen umzusetzen, machen die Arbeit mit Service Design in der Verwaltung äußerst spannend und erfüllend. 

Lisa: Ich freue mich immer wieder darüber, wenn Mitarbeitende der Verwaltung Gefallen an Service Design finden. Bei der digitalen Verwaltung gestaltet man perspektivisch für alle, und gleichzeitig für jeden, was nicht immer einfach ist, gerade wenn es viele Sonderfälle außerhalb eines Standard-Prozesses gibt. Die Möglichkeit, einen Prozess noch mal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, genau zu analysieren und zu hinterfragen, führt zu Aha-Momenten, die neue Wege des Denkens und Handelns eröffnen und letztendlich zu einer effizienteren und nutzerfreundlicheren digitalen Verwaltung beitragen können.