Ausgangslage
Wie könnten Berliner Bürger:innen schneller Termine in Bürgerämtern bekommen? Wie sieht ein Arbeitsplatz in einem Bürgeramt der Zukunft aus? Welche Arbeitsabläufe im Bürgeramt können optimiert werden und dazu beitragen, dass das 14-Tage-Ziel, also die Möglichkeit, innerhalb von 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt zu ergattern, in Berlin besser erreicht werden kann? Das Ziel des Projekts Bürgeramt der Zukunft ist es, ein tieferes Verständnis für die Arbeit und die Abläufe in der Verwaltung zu erhalten und diese hinsichtlich ihrer Nutzer:innenorientierung zu verbessern. Dafür durchläuft das Projekt mehrere Phasen.
Vorgehensweise
1. Phase: Erkennen und Verstehen
Die erste Phase fand im Zeitraum November bis Dezember 2021 in Kooperation mit dem Berliner IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) und dem Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg statt. Im Rahmen einer Tagebuchstudie dokumentierten sechs Auszubildende, eine Ausbilderin und eine Praktikantin des Ausbildungsbürgeramtes Friedrichshain-Kreuzberg Hürden und Herausforderungen ihres Arbeitsalltags.
Im Anschluss an die Tagebuchstudie folgt ein Shadowing. Shadowing, auf deutsch „Beschattung“, ist eine Methode, bei der eine zu beobachtende Person bei ihrer Tätigkeit begleitet wird. Das Shadowing teilte sich in zwei Bestandteile auf. Der erste Teil war eine reine Beobachtung ohne Intervention, bei der die Mitarbeitenden im Ausbildungsbürgeramt bei ihrer Arbeit begleitet worden sind. Der zweite Teil war eine Beobachtung mit Intervention. Dort hatten die Beobachtenden Personen die Gelegenheit, Fragen an die Mitarbeitenden und die Bürger:innen zu stellen. Dabei wurden auch Bürger:innen gefragt, die im Wartezimmer auf ihren Termin gewartet haben.
Im Anschluss wurden die Tagebücher und Beobachtungen des Shadowing mit begleitender Umfrage ausgewertet. Dabei konnte ein zentraler Zeitfresser im Arbeitsalltag der Mitarbeitenden identifiziert werden: Das Problem der sogenannten Nicht-Kommenden. Denn wenn Kund:innen zwar einen Termin gebucht haben, diesen allerdings nicht wahrnehmen können und dann vergessen, abzusagen, können die Mitarbeitenden nicht einsehen, wer sich derzeit im Wartezimmer befindet, und wer nicht. Sie müssen die Vorgangsnummer aufrufen und dann etwa zwei bis drei Minuten abwarten, ob die Kund:innen erscheinen. Bereits im Verlauf eines Tages geht so einiges an Zeit verloren.
Um diesen Zeitfresser zu eliminieren und so mehr Termine freizuschalten, wurde in einer späteren Phase des Projekts ein Prototyp für ein Check-In-System entwickelt und getestet.
2. Phase: Ideen und Prototyp entwickeln
Zu Beginn der zweiten Phase wurden die Ergebnisse aus der ersten Phase gemeinsam mit der Leitung der Bürgerdienste Friedrichshain-Kreuzberg ausgewertet und in einem ko-kreativen Workshop weiterentwickelt. Der daraus resultierende Prototyp für ein Check-In-System sollte die Hypothese überprüfen, ob es im Ausbildungsbürgeramt bzw. in einem Bürgeramt in Berlin zu Zeiteinsparungen kommen würde, wenn bekannt ist, ob die Person, die einen Termin vereinbart hat, tatsächlich vor Ort ist.
Nach Abschluss der Ideenfindungsphase wurde ein Prototyp für ein Check-In-System in Zusammenarbeit mit dem Bürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg und der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport entwickelt. Das Check-In-System sollte es Mitarbeitenden ermöglichen, von ihrem Schreibtisch aus einzusehen, welche Kund:innen tatsächlich vor Ort im Wartezimmer sind und welche nicht. Dafür konnten sich Kund:innen nach ihrem Erscheinen im Bürgeramt mit ihrer Kundennummer anmelden. Die Registrierung wurde innerhalb des Check-In-Systems digital vermerkt, sodass die Mitarbeitenden vor dem Aufruf der nächsten Nummer abgleichen konnten, wer bereits vor Ort wartet.
Während eines ersten zweiwöchigen Tests im Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg wurden die Mitarbeitenden mehrmals zu den Abläufen und dem Umgang mit dem Check-In-System befragt. Das Feedback und das Ergebnis war vielversprechend: Auswertungen des Check-In-Systems ergaben eine Steigerung der Terminanzahl von bis zu zehn Prozent.
In einer zweiten Testphase im Bürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg wurde das Check-In-System unter neuen Rahmenbedingungen geprüft. Mehr Kund:innen und eine erhöhte Terminanzahl brachten neue Herausforderungen mit sich. Dennoch waren Rückmeldungen und Ergebnisse auch hier überwiegend positiv. Bürger:innen vor Ort haben das neue System als sinnvoll bewertet, und die Mitarbeiter:innen im Bürgeramt haben das Potenzial für einen signifikanten Effizienzgewinn durch das System erkannt.
Beim zweiten Testverlauf gab es einen besonderen Schwerpunkt auf datenbasierte Erkenntnisse, die durch das neue Check-In-System ermöglicht wurden. Mit solchen Daten können Bürgerämter ihre Kundschaft besser verstehen. Beispielsweise haben die Daten während der Testphase gezeigt, dass Kund:innen im Schnitt 9,5 Minuten früher zu ihrem gebuchten Termin ankommen. Bei Terminen am Nachmittag kommen sie besonders früh an – im Durchschnitt 12 bis 15 Minuten früher für Termine, die zwischen 12 und 14 Uhr stattfinden. Die Daten haben auch gezeigt, dass über die fünf Tage der Testphase durch das Check-In-System insgesamt 2.409 Minuten “zurückgewonnen” werden konnten, durch Kund:innen, die dadurch früher bedient wurden. Diese Zahl deutet darauf hin, dass ein Check-In-System ein klares Potenzial hat, Slots für neue Termine zu generieren.
Wie geht es weiter?
Das CityLAB hat die Ergebnisse der zwei Testverläufe der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport präsentiert. Aktuell prüft diese die technische Machbarkeit einer Integration eines Check-In-Systems in die bestehende IT-Infrastruktur der Bürgerämter. Die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport hat eine Kooperationsvereinbarung mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat geschlossen, um die Entwicklung eines Bürgeramt der Zukunft auch monetär zu unterstützen. Damit geht das Land Berlin und das Bürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg einen bundesseitig unterstützten Weg der pilothaften Entwicklung eines Bürgeramtes der Zukunft und macht sich auf den Weg, den Bürger:innen dieser Stadt ein neues Nutzer:innenerlebnis zu bieten.
Beteiligte
Ausbildungsamt Friedrichshain-Kreuzberg
IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ)
CityLAB Berlin
Kontakt
Tobias Witt (Service Designer)