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5 Prinzipien für Gute Services

Bei den Prinzipien für gute Services geht im ersten Schritt darum, Dienstleistungen oder Services im öffentlichen Bereich als solche zu identifizieren und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sie aktiv gestaltet werden müssen. Das Themenfeld des Service Designs befasst sich mit Fragen der Nutzerorientierung, der richtigen Sprache und der Gestaltung aller Anknüpfungspunkte für die betreffenden Personen.

Die Prinzipien für gute Services helfen Verwaltungsmitarbeitenden dabei, die Bedürfnisse der Nutzer:innen besser zu verstehen und darauf basierend bessere Dienstleistungen zu gestalten.

Die Prinzipien orientieren sich an dem Buch „Good Services“ von Lou Downe und wurden vom CityLAB Berlin für serviceorientiertes Arbeiten in der Verwaltung überarbeitet. Wir stellen hier fünf von insgesamt 15 Prinzipien vor:

Ein guter Service ist leicht zu finden

Damit Bürger:innen einen Service nutzen können, müssen sie ihn zunächst finden. Bürger:innen suchen mit Begriffen, die sie aus Ihrem Alltag kennen und selber nutzen.

Beispiel aus der Praxis:

Eine Bürgerin möchte Auto fahren und benötigt dafür den Führerschein. Um den dafür nötigen Service leicht zu finden, eignen sich Wörter, die einfach zu verstehen sind und das Ziel der Bürgerin widerspiegeln

Statt “Fahrerlaubnis Ersterteilung beantragen”“Führerschein beantragen”

Das ist wichtig, weil Ihre Nutzer:innen …

  • nicht nach einer Dienstleistung suchen, sondern viel mehr ein Ziel erreichen wollen.
  • über unterschiedlich viel Vorwissen verfügen, inwiefern die Dienstleistung ihnen dabei helfen kann, das Ziel zu erreichen.
  • häufig andere Wörter verwenden, um die Dienstleistung zu finden, als die interne Bezeichnung der Verwaltung lautet.

Einfacher Service: Darauf können Sie achten

Damit die Bürger:innen Ihre Dienstleistung finden, braucht es einen Titel in einfacher Sprache, der sich an dem übergeordneten Ziel der Person orientiert. Verwenden Sie Wörter, die von einer Mehrheit der Nutzer:innen verstanden werden.

  • Vermeiden Sie juristische oder technische Ausdrücke
    Verwenden Sie zum Beispiel statt „Gebührenerlass“ → „Unterstützung bei der Bezahlung“.
  • Beschreiben Sie die Aufgabe und nicht die Technologie
    Vermeiden Sie Wörter bei der Beschreibung einer Dienstleistung, die eine Technologie oder einen technologischen Ansatz beschreiben, wie z. B. „Portal“, „Hub“, oder „eShop“.
  • Verwenden Sie keine Akronyme
    erleichtern Expert:innen möglicherweise auf die Dienstleistung zu verweisen, aber sie sind für Bürger:innen nur mit hohem Aufwand zu entziffern.

Rechtssicherheit erhalten

Für die tägliche Arbeit der Verwaltung ist Rechtssicherheit ein essentieller Bestandteil. Für den Titel, sowie die Beschreibung der Dienstleistung sollten Sie Sich auf die Einfachheit der Wörter und die Verständlichkeit konzentrieren. Rechtssicherheit kann z.B. durch einen weiteren Textabschnitt am Ende der Dienstleistung erreicht werden, der von den informierenden Texten des Service getrennt ist.


Ein guter Service erklärt seinen Zweck

Wenn die Nutzer:innen Ihre Dienstleistung gefunden haben, müssen sie verstehen, wozu sie dient und ob der Service das ist, wonach sie suchen.

Beispiel aus der Praxis:

Die Dienstleistung “Meldebescheinigung beantragen” ermöglicht den Nutzer:innen eine Meldebescheinigung Ihrer aktuell gemeldeten Adresse anzufordern. Im Praxistest fällt jedoch auf, dass diese Beschreibung von Bürger:innen mit der “Anmeldung” bzw. “Ummeldung” bei der Meldebehörde verwechselt wird. Eine leicht verständliche Beschreibung des Zwecks der Leistung hilft den Bürger:innen bei der Orientierung.

Das ist wichtig, weil Ihre Nutzer:innen …

  • zuerst sicherstellen müssen, ob die Dienstleistung den Zweck erfüllt, nachdem sie gesucht haben.
  • den Ablauf und die Anforderungen für die Dienstleistung verstehen möchten.
  • sich einen schnellen Überblick verschaffen wollen, um eine Entscheidung zu treffen.

Einfacher Service: Darauf können Sie achten

Wenn Sie folgende Fragen für Ihren Service beantworten, helfen Sie Nutzer:innen schneller und einfacher ans Ziel zu kommen. Je früher Nutzer:innen verstehen, dass ein Schritt in einer Leistung notwendig ist, um ans Ziel zu gelangen, desto besser. Damit helfen Sie den Bürger:innen die eigenen Wünsche und Voraussetzungen, also Erwartungen, mit den Anforderungen Ihres Services abzugleichen.

  • Was tut die Dienstleistung?
    Erklären Sie, was die Nutzer:innen nach Erledigung der Dienstleistung erhalten und zu erwarten haben.
  • Wie funktioniert die Dienstleistung?
    Manchmal ist die Art und Weise, wie die Dienstleistung funktioniert genauso wichtig für die Bürger:innen, wie das Ziel, dass damit verfolgt wird.
  • Für wen ist die Dienstleistung gedacht?
    Erläutern Sie früh im Prozess wer – und unter welchen Bedingungen – den Service in Anspruch nehmen kann. Unterstützen Sie Nutzer:innen die nicht für die Leistung in Frage kommen dabei, den richtigen Service zu finden, indem sie zusätzliche Informationen und Querverweise anbieten.
  • Warum gibt es die Dienstleistung?
    Erklären Sie den Nutzer:innen warum es die Dienstleistung gibt und welche Konsequenzen sich für die Bürger:innen daraus ergeben. Z.B. sind die unterschiedlichen Arten und Zwecke von Urkunden für Bürger:innen kaum nachvollziehbar. Hintergrundinformationen warum es diese Unterscheidungen gibt, können das Verständnis verbessern.

Ein guter Service setzt Erwartungen

Damit Bürger:innen ihren Alltag organisieren können, müssen sie wissen, was sie von Ihrer Dienstleistung erwarten können.

Beispiel aus der Praxis:

Bei der Dienstleistung “Führerschein beantragen (nach Verlust)” können sich Nutzer:innen das Ergebnis der Dienstleistung, also den Führerschein, komfortabel per Post nach Hause schicken lassen. Ein neu beantragter Personalausweis hingegen muss immer im Bürgeramt abgeholt werden. Auf Basis einer vorherigen Erfahrung, also bei der Beantragung des neuen Führerscheins, könnten Nutzer:innen demnach davon ausgehen, dass auch der Personalausweis zu ihnen nach Hause geschickt wird. Gerade für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, ist diese Information bereits in der Planung wertvoll und sollte demzufolge in der Beschreibung der Dienstleistung erwähnt werden.

Das ist wichtig, weil Ihre Nutzer:innen …

  • nur über ein unvollständiges Wissen verfügen, was für die Inanspruchnahme einer Leistung notwendig ist.
  • viel Aufwand in die Erledigung der Anforderungen von bestimmten Dienstleistungen investieren und sich darauf einstellen müssen.
  • den Service zum Erreichen eines größeren Ziels in Anspruch nehmen müssen und eine ungeplante Verzögerung zu Problemen führen kann.

Die Erwartungen der Nutzer:innen verstehen lernen

Jede Bürger:in verfügt über ein individuelles Wissen, dass bei dem Kontakt mit der Verwaltung angewendet wird. Dieses Wissen wird nicht zuletzt von Annahmen geprägt, die sich aus vorherigen Erfahrungen mit der Verwaltung und ähnlichen Dienstleistungen zusammensetzen. Für viele Nutzer:innen bedeutet das auch explizit Erfahrungen im Ausland. Lernen Sie darauf zu achten, welche – auch falsche – Erwartungen Menschen im Kontakt mit Ihren Dienstleistungen haben und versuchen Sie diese in der Beschreibung des Service zu adressieren.

Einfacher Service: Darauf können Sie achten

  1. Universelle Erwartungen
    Diese sind für die Dienstleistung von grundlegender Bedeutung und gelten für fast alle Nutzer:innen, weil andere Dienstleistungen genauso funktionieren. Zum Beispiel die Erwartung, dass Kund:innen im Bürgeramt sowohl in Bar oder mit Girokarte bezahlen können.
  2. Angenommene Erwartungen
    Umfassen alles, was die Menschen nicht über die Dienstleistung wissen und daher (zu Recht oder zu Unrecht) annehmen, zum Beispiel dass alle fertigen Dokumente nach Erledigung der Dienstleistung nach Hause geschickt werden.
  3. Außergewöhnliche Erwartungen
    Hier geht es um frühere Erfahrungen mit ähnlichen Services, die die Erwartungshaltung einiger Nutzer:innen prägen. Das können zum Bleispiel Erfahrungen im Ausland gewesen sein, wo alle Dienstleistungen digital erbracht werden können.

Ein guter Service hilft, ein Ziel zu erreichen

Damit eine Dienstleistung genutzt wird, muss diese Nutzer:innen dabei unterstützen, ihr persönliches Ziel zu erreichen – von dem Moment, in dem sie in Erwägung ziehen, etwas zu tun, bis zu dem Moment, in dem sie ihr Ziel erreicht haben.

Beispiel aus der Praxis:

Der Erhalt des Führerscheins ist für Bürger:innen oftmals ein langwieriger Prozess. Unterschiedliche privatwirtschaftliche Leistungen werden dafür benötigt, um am Ende die eigentliche Dienstleistung bei der Verwaltung zu beantragen (Fahrerlaubnis – Ersterteilung beantragen). Diese Berührungspunkte einer Nutzerin mit einem Service werden auch als User Journey bezeichnet.

Durch die Bereitstellung von Kontextinformationen in Form von Verlinkungen zu Inhalten des Stadtportal (berlin.de) entsteht ein Ende-zu-Ende Service. Das kann in unserem Beispiel eine Unterstützung bei der Suche nach weiteren Dienstleistungen, wie z.B. Fahrschulen und Erste-Hilfe Kursen, sein. Aber auch die Erläuterung aller notwendigen Schritte, auch über die Verwaltung hinaus, um den Führerschein zu erhalten.

Die User Journey der Kund:innen verstehen

Finden Sie heraus, welche Bedürfnisse und Aufgaben Ihre Nutzer:innen vor und nach der Dienstleistung haben oder erledigen müssen, um ihr Ziel zu erreichen. Die User Journey umfasst häufig einen längeren Prozess: Informationen einholen, Erledigungen planen und durchführen, Entscheidungen treffen, etc.

Auch wenn Sie innerhalb Ihrer Abteilung in den meisten Fällen nur einen Teil dieses Prozesses selber abbilden können, hilft ein Verständnis der User Journey dabei bessere und effektivere Services anzubieten.

Einfacher Service: Darauf können Sie achten

  • Die übergeordneten Ziele hinter der Dienstleistung verstehen lernen.
  • Einen Überblick verschaffen, welche Organisationen und Services (auch abseits der Verwaltung) sonst noch relevant für die Kund:innen sein könnten.
  • Prüfen, ob die Dienstleistung um weitere Zusatzleistungen ergänzt werden kann, die für die Nutzer:innen relevant sind.
  • Welche Daten müssen für die Dienstleistung zwischen unterschiedlichen Organisationen ausgetauscht werden? Gibt es die Möglichkeit den Austausch von Informationen zu erleichtern, um den Service für die Nutzer:innen zu verbessern?

Ein guter Service ist von allen gleichermaßen nutzbar

Ihre Dienstleistungen müssen von allen genutzt werden können, unabhängig ihrer persönlichen Fähigkeiten und Umständen. Niemand sollte weniger in der Lage sein, den Service zu nutzen als irgendjemand anderes.

Beispiel aus der Praxis:

Das Inklusionsspektrum ist vielfältig. Wir nennen an dieser Stelle zwei Beispiele, um die Herausforderung zu erläutern.

  1. Formulare, die bei der Auswahl des Geschlechts mehr als die Option “m” und “w” anbieten, sind inklusiver. Bei direkter Ansprache im Formular die Nennung des Geschlechts vermeiden: statt “Guten Tag Herr Mustermann” → “Guten Tag Max Mustermann”.
  2. Ein Bürgeramt mit einem vollem Warteraum und mehreren Mitarbeiter:innen pro Büro kann für viele Menschen sehr unangenehm sein; zum Beispiel für Menschen, die sich im autistischen Spektrum befinden oder unter Angstzuständen leiden. Auf diese Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen hilft nicht nur den Betroffenen, sondern fördert für alle eine ruhige und angenehme Atmosphäre.

Das ist wichtig, weil Ihre Nutzer:innen …

  • nicht einer fiktiven “Norm” entsprechen, sondern jede:r über individuelle Fähigkeiten und Einschränkungen verfügt.
  • die Missachtung ihrer Bedürfnisse nur mit hohem persönlichen Aufwand und Stress kompensieren können.
  • darauf angewiesen sind alle Dienstleistungen der Verwaltung auch wahrnehmen zu können.

Inklusion ist immer notwendig und nie optional

Inklusion geht über die Zugänglichkeit zu Dienstleistungen hinaus. Deshalb ist es besonders wichtig möglichst viele Perspektiven von Menschen zu berücksichtigen und die diversen Anpassungsstrategien zu kennen, die sich aus der individuellen Mischung von Fähigkeiten und Bedürfnissen ergeben. Achten Sie deshalb auf die Stärken und Schwächen Ihrer Nutzer:innen und sorgen Sie dafür, dass sich alle Menschen zu jeder Phase Ihrer Dienstleistung repräsentiert fühlen.

Einfacher Service: Darauf können Sie achten

Wir verstehen, dass die Umsetzung inklusiver Maßnahmen ein fortlaufender Prozess ist und nicht von heute auf morgen passiert. Umso wichtiger ist es daher in kleinen Schritten anzufangen und diese stetig zu erweitern:

  • Stellen Sie sicher, dass der Service sicher ist. Das schließt mit ein, dass die Bürger:innen sich an dem Ort der Dienstleistung sicher und repräsentiert fühlen müssen, dass sie verstanden werden und sich wohlfühlen.
  • Stellen Sie sicher, dass der Service wahrnehmbar ist. Die Nutzer:innen müssen in der Lage sein, physisch auf die Informationen Zugriff zu haben. Das bedeutet alle Inhalte müssen zum Sehen, Hören und Tasten verfügbar sein.
  • Stellen Sie sicher, dass der Service verständlich ist. Die Bürger:innen müssen verstehen, was sie zu tun haben, indem sie z.B. Ihre Anweisungen nachvollziehen können.
  • Stellen Sie sicher, dass der Service funktionsfähig ist. Das Mindestmaß einer guten Dienstleistung sollte sein, dass die Bürger:innen den Dienst ohne fremde Hilfe nutzen können, das heißt z.B. mit Maus und Tastatur, via Telefon oder vor Ort. Kein Service sollte ausschließlich über eine Interaktionsform nutzbar sein.
  • Stellen Sie sicher, dass der Service gleichberechtigt ist. Das bedeutet, dass jede Kund:in innerhalb Ihrer Dienstleistung gleichbehandelt werden muss und zu keinem Zeitpunkt auf einen Service verwiesen wird, der weniger gut ist.

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Arbeitsblatt “Skala für gute Services” (von Good Service Scale by Lou Downe)

Quelle: Die Prinzipien für gute Dienstleistungen orientieren sich an dem Buch „Good Services“ von Lou Downe und wurden vom CityLAB Berlin für serviceorientiertes Arbeiten in der Verwaltung überarbeitet.