Mit offenen Daten zu kreativen Lösungen
Steht eine Gruppe Studierender mit hochgekrempelten Ärmeln vor den Türen des CityLAB, lassen wir sie gerne herein! Ein schönes Beispiel dafür ist ein Kurs der Hochschule Amsterdam, der uns letztes Jahr im Rahmen einer Exkursion nach Berlin besucht hat. Die Design-Studierenden mit Schwerpunkt Interaction Design haben großes Interesse an unseren Themen gezeigt, weshalb wir ihnen ein paar Challenges mit nach Hause gegeben haben. In diesem Beitrag zeigen wir, welche Ergebnisse dabei herausgekommen sind und geben einen Einblick in unsere Projekte.
Zu viele Fachbegriffe? Für den ultimativen Überblick sorgt unser Glossar, der alle Buzzwords und Lieblingswörter unseres Universums ein für allemal erklärt.
Bye Bye, Bicycle!
Im Gegensatz zu Katzen haben Fahrräder leider nur ein Leben -– und das ist in Berlin häufig vergleichsweise kurz. Vor einiger Zeit unterstützte das Team der Open Data Informationsstelle (kurz: ODIS) die Berliner Polizei bei der Bereitstellung eines offenen Datensatzes über Fahrraddiebstähle in Berlin. Hättet ihr gedacht, dass bereits Mitte Februar über 2.000 Fahrräder seit Jahresbeginn in Berlin geklaut wurden? Täglich wird dieser Datensatz aktualisiert und verrät uns, wo und welche Art von Fahrrädern gestohlen wurden und sogar wie hoch der entstandene Schaden ist. Hier ein Beispiel, was mit einem solchen Datensatz machbar ist:
Könntest du ein Fahrrad klauen? Das fragt uns die Studentin Mirthe Vader, als sie eine tolle Idee mit uns teilt: Plakate in der Nähe von Fahrradabstellplätzen, wie vor Bahnhöfen oder Einkaufszentren, könnten auf die entsprechende Anwendung hinweisen. Kurz den QR-Code gescannt und schon erklärt ein Tutorial die Spielregeln: Du bist Fahrraddieb:in und hast damit eine klare “Mission”. Diebstahlwerkzeug, Umgebung und Fahrradschloss sind veränderbar und gestalten die Mission unterschiedlich schwer. Durch spielerische Ansätze soll das Thema der Sicherheit in den Fokus gerückt werden; im Anschluss an jedes gespielte Szenario gibt es Tipps zur Erhöhung des Diebstahlschutzes. Der Perspektivwechsel, das spielerische und gleichzeitig hochwertige UX-Design haben uns begeistert!
. .
Screenshots: Mirthe Vader, Studentin, Hochschule Amsterdam
Lisa Stubert, Leiterin der Open Data Informationsstelle (ODIS), ist Fan dieses Prototyps und ergänzt: “In offenen Datensätzen wie dem zum Fahrraddiebstahl in Berlin stecken so viele Potenziale und Anwendungsfälle. Das zeigen die schon entstandenen Anwendungen wie “Ist mein Fahrrad hier sicher?” mit der die Daten beispielsweise für die eigene Nachbarschaft kontextualisiert werden. Visuell den Überblick behalten, kann man auch mit der Karte “Grand Theft Bike”. Mirthe zeigt uns mit ihrem Prototypen noch einen sehr schönen und spannenden Anwendungsfall, der den Datenbereitstellenden vorher gar nicht bewusst war. Sie legt den Fokus auf die Vorkehrungen und macht die offenen Daten spielerisch erlebbar. Damit präsentiert sie die Informationen nochmal für ganz andere Zielgruppen. – Von kreativen Ansätzen dieser Art brauchen wir mehr!”
Souverän bewegt
Egal ob zur Verabredung zum Abendessen oder auf dem Weg morgen zur Arbeit – in der Stadt sind wir ständig in Bewegung. Im CityLAB und der Technologiestiftung Berlin hat uns darum die Frage beschäftigt, wie viele Menschen sich eigentlich wann, wo und mit welchen Mitteln bewegen. Aus den entsprechenden Bewegungsdaten könnte man spannende Schlüsse, etwa für Verkehrsplanung oder Flächenverteilung ziehen. Das Forschungsprojekt freemove befasst sich mit diesen Mobilitätsdaten, genauer: Mit den Aspekten der Anonymisierung oder Transparenz bei der Bereitstellung und Nutzung. Unter anderem entstehen im Projekt konkrete Rahmenbedingungen, die rechtliche, gesellschaftliche und technische Perspektiven verbinden. Über eine Plattform soll dieser Rahmen zugänglich gemacht werden. Ein Vorschlag, wie diese aufgebaut sein könnte, kommt von der Studentin Evi van der Linden. Die Herausforderung besteht im Wesentlichen darin, Informationen für Bürger:innen, öffentliche Akteure und Unternehmen, die die Daten bearbeiten oder verarbeiten, gleichermaßen verständlich und transparent aufzubereiten.
Screenshots: Evi van der Linden, Studentin, Hochschule Amsterdam
Die Studentin Evi van der Linden entscheidet sich für eine übersichtliche Startseite, die das Projekt knapp erklärt. Von hier aus gelangt man leicht zu Informationen über Mobilitätsdaten und die Leitlinien, dem sogenannten Framework. Es ist durchaus herausfordernd, die Forschungsergebnisse gut erkennbar in sinnvolle Kategorien, die Ziele (Goals), Methoden (Methods), rechtliche Einordnung (Legal classification) und Transparenz (Transparency) zu unterteilen und einen schnellen Überblick über die Bereiche zu ermöglichen.
“Arbeitet man mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven an einem gemeinsamen Projekt, werden Ergebnisse automatisch vielschichtiger und wirken zunächst komplizierter,” erklärt Markus Sperl, Projektleiter des Forschungsprojekts freemove, Evis Ansätze und Form der interaktiven Darstellung für die Zielgruppen, inspirieren uns. Die Challenge wurde souverän gemeistert: Der Prototyp ist intuitiv und aussagekräftig.”
Aktuelle Informationen zum Projekt finden sich im freemove-Blog.
Mit KI spielt man nicht! Oder doch?
Als Stadtbaum hat man es in Berlin nicht immer leicht: Wenig Niederschlag, Hundeurin oder verdichteter Boden durch kaputte Waschmaschinen neben dem Baum; es gibt viele Stressfaktoren. Viele Berliner:innen bepflanzen aber auch die Baumscheibe oder gießen eifrig! Wie können wir diese Initiativen noch besser datenbasiert unterstützen? Im Projekt „Quantified Trees” (kurz: QTrees) befasst sich ein interdisziplinäres Team mit einem durch Künstliche Intelligenz (KI) gestützten Vorhersagesystem, das verschiedene Daten nutzt, um besonders vor Trockenstress gefährdete Stadtbäume frühzeitig zu identifizieren und dem Baumsterben in Berlin nachhaltig entgegenzuwirken. Entwickelt werden zwei Plattformen, die sowohl der öffentlichen Verwaltung als auch der Zivilgesellschaft Berlins die Möglichkeit bieten, die Stadtbäume zu pflegen und zukünftig besser auf dynamische Wetterbedingungen zu reagieren – für Laien und für Expert:innen. Die Challenge besteht darin, eine Plattform zu gestalten, die es Interessierten ermöglicht, sich leicht über den Zustand der Bäume zu informieren, um selbst aktiv werden zu können.
.
.
Screenshots: Marek Bröz, Student, Hochschule Amsterdam
Für einen spielerischen Ansatz hat sich der Student Marek Bröz entschieden. Mithilfe einer Smartphone-Anwendung sollen die Daten auf vereinfachte Weise verschiedenen Zielgruppen präsentiert werden können. Zunächst bildet eine Karte die eigene Umgebung ab und zeigt, welche Bäume hohen Wasserbedarf haben und bewässert werden müssen. In einem nächsten Schritt sind die verschiedenen verfügbaren Wasserquellen, also zum Beispiel Straßenpumpen, oder in manchen Fällen auch Flüsse oder Seen abgebildet, die zum Gießen genutzt werden können. Man kann die eigenen Aktivitäten sichtbar markieren und der Baum kann anhand der aktiven Gießer:innen seinen Status kommunizieren.
Julia Zimmermann, Projektleiterin des Projekts QTrees, merkt dazu an: “Die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel sind nur in konstruktiver Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Bürger:innen stemmbar. Gerade deshalb sind die verschiedenen kreativen Ansätze der Studierenden so wertvoll, da sie dem Thema die Schwere nehmen und Menschen auf eine spielerische Art und Weise aktivieren und sensibilisieren. Es gibt so viel, was wir auf Grundlage der offenen Daten in Berlin über unsere Stadtbäume wissen. Künstliche Intelligenz hilft uns dabei, große Datenmengen zu verarbeiten und auszuwerten, aber die menschliche Kreativität braucht es, um eine Plattform unter didaktischen und menschlichen Aspekten zu gestalten. Das zeigt die App von Marek Bröz.”
Informationen zum Projekt finden sich auf der QTrees-Homepage.
Wir haben viele gute Vorschläge, Designs und Entwürfe erhalten und mussten uns für diesen Beitrag auf ausgewählte Ansätze fokussieren. Fest steht: In allen Studierendenprojekten ist es gelungen, komplexe Sachverhalte in der Bearbeitungszeit weniger Wochen und lediglich digitalem Feedback sehr nachvollziehbar aufzuarbeiten.
Ergebnisse wie diese sind eine große Inspiration – auch für unsere Projektarbeit! Hier wird einmal mehr deutlich, wie wertvoll offene Daten für die verschiedenen Herausforderungen unseres Alltags und die Lebensqualität in Berlin sind und wie sie dazu dienen können, die Bürger:innen noch besser in das Geschehen der Stadt einzubinden. Indem wir konkrete Produkte erarbeiten, wollen wir alle Akteure in der Stadt davon überzeugen, weitere interessante Datensätze mit der Öffentlichkeit zu teilen.
Fazit
Egal ob Sicherheit, Nachhaltigkeit oder digitale Souveränität; die Möglichkeiten, offene Daten in Berlin richtig erlebbar zu machen, sind vielfältig. Es bieten sich wie bei diesen Beispielen viele Gelegenheiten, gemeinsame Sache für Berlin zu machen. Wir hatten großen Spaß am Austausch, an der Neugier der Gäste aus Amsterdam sowie an der guten Zusammenarbeit und sagen: Dank je wel!
Die Zusammenarbeit mit Studierenden bei uns im CityLAB gestaltet sich vielfältig. Ein Beispiel ist die Ausstellung “Let’s get physical”, das interdisziplinäre Lernformat im Rahmen der Summer School und einer Reihe weiterer Aktivitäten. Mit unserem Newsletter kannst du über alle News und Angebote aus dem CityLAB auf dem Laufenden bleiben.