Das Wissen der Berliner Verwaltung liegt verteilt in tausenden Excel-Dateien

Im Rahmen der Prototypenwerkstatt unterstützt das CityLAB die Berliner Verwaltung bei der Digitalisierung von IT-Kleinstverfahren.

Von Ingo Hinterding

Der folgende Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von future4public und wurde dort am 05. Mai 2021 veröffentlicht.

Das CityLAB Berlin, ein Projekt der Technologiestiftung Berlin und gefördert von der Berliner Senatskanzlei, entwickelt als Innovationslabor prototypische digitale Lösungen für die Stadt von morgen. Eine wichtige Zielgruppe ist die Stadtgesellschaft, mit der partizipativ Projekte entwickelt und getestet werden. So können sich interessierte Bürger:innen zum Beispiel auf der Website Giess den Kiez über den Wasserbedarf der Stadtbäume informieren, Bäume adoptieren und diese gemeinsam mit der Community mit benötigtem Wasser versorgen. Ein weiteres Projekt ist Digital Vereint, welches Berliner Ehrenamtlichen und Vereinen kostenlose Open Source-Infrastruktur in Form von Software für Video-Calls und Gruppen-Chats bereitstellt und mit Workshops und weiteren Informationen bei der digitalen Ausübung ihrer Tätigkeit unterstützt.

Den zweiten Schwerpunkt bildet die Verwaltungsinnovation, in dessen Rahmen die Prototypenwerkstatt fällt. In enger Kooperation mit dem Berliner IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) werden digitale Prototypen entwickelt, die bei der mittelfristigen Ablöse von hunderten IT-Kleinstverfahren der Berliner Verwaltung unterstützen. Neben digitalen Prototypen fokussiert sich das Team der Prototypenwerkstatt auf die nachhaltige Vermittlung von Methodenkompetenzen in der digitalen Verwaltung und gibt Empfehlungen bezüglich der Verbesserung von Prozessen. Das Vorgehen orientiert sich an Methoden des agilen Arbeitens und dem CityLAB Berlin Design Prozess, in dem Prototypen iterativ und in enger Abstimmung mit den beteiligten Akteur:innen entwickelt werden. Hierfür bietet das CityLAB Berlin eine Reihe von Workshops an, in denen Herausforderungen, Akteurskonstellationen und Bedarfsanalysen erfasst, Lösungskonzepte evaluiert und Prototypen entwickelt und getestet werden. Dabei kommen Methoden zum Einsatz, die in unserem frei verfügbaren Handbuch “Öffentliches Gestalten” ausführlich beschrieben werden.

Handbuch „Öffentliches Gestalten“ (Foto: Joshua Pacheco)

Als erstes Pilotprojekt arbeitet das CityLAB Berlin aktuell an der Optimierung der Gratulations- und Jubilarsdatenbanken der zwölf Berliner Bezirke. Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) ermittelt jeden Monat, welche älteren Bürger:innen eines Bezirkes einen runden Geburtstag feiern (z.B. 80, 85 oder 90 Jahre). Die Mitarbeiter:innen der Bezirksämter weisen diese Informationen einer Sozialkommission zu, in denen sich ehrenamtliche Bürger:innen organisieren und Gratulationsanrufe oder persönliche Besuche tätigen.

In den Bezirksämtern kommen häufig individuell programmierte Excel-Makros oder Access-Datenbanken zum Einsatz, um besonders zeitaufwendige oder fehleranfällige Prozessabläufe zu automatisieren. Diese Anwendungen sind jedoch nicht mehr konform mit den neuen IKT-Richtlinien des Landes und dürfen ab der Jahresmitte nicht mehr eingesetzt werden.

Die daraus resultierende Situation ist kritisch, denn dem Nutzungsverbot steht keine einsatzbereite Alternative entgegen. Berlin verfügt noch immer nicht über einen zentralen Data Hub, der die Migration der lokal vorgehaltenen Daten und Programmierlösungen in die Cloud ermöglicht. Eine Standardisierung der unzähligen Fachverfahren als Software as a Service (SaaS) würde nicht nur eine erhebliche Entlastung der Bezirksamtsmitarbeiter:innen bedeuten, sondern langfristig mit Einsparungen in Millionenhöhe einhergehen und das Fundament einer modernen Verwaltung bilden. Gemeinsam mit dem ITDZ entwickelt das CityLAB Lösungsansätze für eine digitale Verwaltung, die schon heute eingesetzt werden können.

Vier Phasen der Innovation: Analyse, Intervention, Evaluation & Prototyp

Analyse: Den Anfang machte ein Workshop, in dem relevante Akteur:innen und Abläufe identifiziert, Ursachen & Effekte untersucht und Schwerpunkte für die weitere Vorgehensweise gesetzt wurden. Warum dürfen Excel-Makros in absehbarer Zeit nicht mehr genutzt werden? Welcher Zeitrahmen existiert für die Umsetzung und Implementierung? Welche IKT-Richtlinien müssen beachtet werden? Die Ergebnisse bilden das Fundament für die weitere Ausarbeitung.

Intervention: In der zweiten Phase fanden sich Sachbearbeiter:innen aus insgesamt sieben Bezirken zusammen, um einen Einblick in ihre sehr individuellen Arbeitsprozesse zu geben. Bedürfnisse und Hindernisse wurden ermittelt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede dokumentiert. Abgerundet wurde die Bestandsaufnahme durch Ideenfindungsprozesse und dem Erarbeiten von ersten Lösungskonzepten.

Abgleich der individuellen Prozesse in sieben der zwölf Berliner Bezirke. (Foto: Joshua Pacheco)

Evaluation: Die dritte Phase übersetzt die gewonnenen Erkenntnisse in visuelle Lösungsvorschläge in Form von Wireframes und Clickdummies. Dabei kommen typische Elemente des Service Designs zur Anwendung: Service Blueprints kartieren Personen, Handlungen und Prozesse, Use Cases und Personas beschreiben Anforderungen aus Sicht der jeweiligen Akteur:innen. Neben pragmatischen Lösungsansätzen für eine zeitnahe Umsetzung bieten spielerische Entwürfe Raum für kreative Ideen, die sich positiv in die prototypische Gestaltung einbringen.

„Mein Ehrenamt“ – Entwurf einer App für modernes Ehrenamt (Bild: CityLAB Berlin)

Prototyp: Die agile Entwicklung in enger Zusammenarbeit mit wichtigen Stakeholdern prägt die vierte Phase. Kurze Entwicklungszyklen (sogenannte Sprints) und regelmäßige Feedbackschleifen garantieren die bedarfsorientierte Entwicklung und ermöglichen flexible Anpassungen an neue Anforderungen. Weitere User Tests und ein elektronisches Lastenheft als Unterstützung für die öffentliche Vergabe der Softwareentwicklung bilden den Abschluß der Umsetzungsbegleitung des jeweiligen Fachverfahrens.

Wir freuen uns gemeinsam mit dem ITDZ die Umsetzung weiterer IT-Kleinstverfahren im Rahmen der Prototypenwerkstatt zu begleiten und einen Beitrag auf dem Weg zu einer modernen, digitalen Verwaltung zu leisten.

Zum Projekt-Steckbrief der „Prototypenwerkstatt“.