Wie können Berliner Bürgerinnen und Bürger schneller einen Termin in den Bürgerämtern der Bundeshauptstadt erhalten? Wie sieht ein Arbeitsplatz in einem Bürgeramt der Zukunft aus? Welche Abläufe können optimiert werden? Auf der Suche nach Antworten auf diese Problemstellungen führte das Innovationslabor CityLAB Berlin gemeinsam mit dem Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg und der Senatskanzlei Berlin ab November/Dezember 2021 in mehreren Projektphasen einen Test durch. Das CityLAB ist ein Projekt der Technologiestiftung Berlin und wird von der Senatskanzlei gefördert. Aufbauend auf den Erfahrungen aus dem Jahr 2021 fanden Ende 2022 und Anfang 2023 weitere Tests statt.
Während der ersten Projektphase wurden die Mitarbeitenden des Ausbildungsbürgeramts im Rahmen einer Tagebuchstudie und eines Vor-Ort-Shadowing in ihrem Arbeitsalltag begleitet. Um herauszufinden, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert sind und bei welchen Abläufen es häufiger zu Störungen oder Verzögerungen kommt, schaute das CityLAB den Mitarbeitenden wortwörtlich über die Schulter – etwa bei Terminen mit Bürgern oder den Aufgaben zwischen Terminen. Ein zentraler Zeitfresser konnte dabei identifiziert werden: die so genannten Nicht-Kommenden. Denn ob Kunden zu einem gebuchten Termin tatsächlich erschienen sind und bereits im Wartezimmer sitzen, können die Mitarbeitenden von ihrem Schreibtisch aus bislang nicht feststellen. Wenn sie eine Kundennummer aufrufen, müssen sie zunächst einige Minuten abwarten, ob der Kunde auftaucht, bevor sie zur nächsten Nummer übergehen können. Dadurch geht jeden Tag wertvolle Zeit verloren.
Um diese für neue Termine oder bereits wartende Kunden freizusetzen und die Planbarkeit für die Mitarbeitenden zu verbessern, hat das CityLAB gemeinsam mit der Leitung der Bürgerdienste Friedrichshain-Kreuzberg einen Prototypen für ein neues Check-in-System entwickelt. Da es aufgrund technischer Gegebenheiten nicht möglich war, diesen direkt an das Zeit-Management-System (ZMS) der Berliner Bürgerämter anzubinden, entschied man sich für eine Lösung, die unabhängig vom ZMS funktioniert. Diese konnte parallel zum existierenden System getestet und dadurch die Machbarkeit eines Check-in-Systems grundsätzlich evaluiert werden.
In einem Testlauf im Ausbildungsbürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg wurde die Hypothese überprüft, ob sich das Problem der Nicht-Kommenden durch einen Vor-Ort-Check-in im Bürgeramt lösen lässt. Die Kunden konnten sich dazu im Wartebereich des Bürgeramts mit ihrer Vorgangsnummer anmelden, die dann von den Mitarbeitenden vor Ort in das Check-in-System eingetragen wurde. Vor dem Aufruf einer neuen Vorgangsnummer wurde mit dem ZMS abgeglichen, ob diese bereits im Check-in-System vermerkt wurde. Tauchte sie nicht auf, wurde deutlich, dass niemand erschienen war, sodass die Mitarbeitenden gleich zum nächsten Termin übergehen konnten.
Während eines ersten zweiwöchigen Tests wurden die Mitarbeitenden des Ausbildungsbürgeramts mehrmals zu den Abläufen und dem Umgang mit dem Check-in-System befragt. Darüber hinaus gab es eine Online-Umfrage sowie eine quantitative Abfrage für die Bürger, die das System bewerten und mögliche Verbesserungsvorschläge einreichen konnten. Das Feedback war vielversprechend: Auswertungen des Check-in-Systems ergaben eine Steigerung der Terminanzahl von bis zu zehn Prozent.
Es wurde daher entschieden, den Prototypen über zwei Wochen lang erneut zu testen – diesmal unter anderen Voraussetzungen im Bürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg in der Yorckstraße. Unterstützung erfuhr das Projekt unter anderem vom dortigen Fachbereichsleiter Oliver Kühle. „Der damalige Berliner CDO Ralf Kleindiek hatte von unserem ersten Test im Ausbildungsbürgeramt erfahren und meinte, er würde gerne so schnell wie möglich einen weiteren Test im Regelbetrieb in einem anderen Bürgeramt durchführen“, berichtet Kühle. „Da wir den ersten Test mitbetreut haben, wollten wir uns das natürlich nicht aus der Hand nehmen lassen und haben zugeschlagen.“ Der erneute Testlauf brachte neue Herausforderungen mit sich: mehr Kunden, mehr Termine und eine andere Infrastruktur. So befindet sich das Bürgeramt im dritten Stock des Bezirksamts, wodurch ein anderes Leitsystem für den Check-in erforderlich wurde. „Wir haben hier ein ganz anderes Terminaufkommen und andere Durchläufe als im Ausbildungsbürgeramt“, erläutert Oliver Kühle. „Dazu kommt eine etwas unübersichtliche Eingangszone, da geht schon mal der eine oder andere Kunde verloren. Während des Tests mussten wir diese Kunden persönlich ansprechen und auf den Check-in hinweisen.“
Der Test fand jeweils montags, mittwochs und freitags statt. Diese Abwechslung kam auch den Mitarbeitenden zugute, da so ihr normaler Rhythmus im Bürgeramt nicht dauerhaft unterbrochen wurde. Auch bei diesem Testdurchlauf waren die Rückmeldungen und Ergebnisse überwiegend positiv. Die Bürger bewerteten das neue System als sinnvoll, die Mitarbeitenden im Bürgeramt erkannten das Potenzial für einen signifikanten Effizienzgewinn. Eine Hürde im Arbeitsablauf blieb allerdings die parallele Nutzung des internen Termin-Management-Systems. „Technisch war der Check-in nicht schwer zu bedienen. Das Hauptproblem entstand eher dadurch, dass wir zwei Programme nebeneinander nutzen mussten – unser eigenes Termin- ZMS und den Check-in“, berichtet eine Mitarbeitende des Bürgeramts. „Dann hat man beim Überprüfen der Ticketnummer vielleicht mal einen Zahlendreher drin und findet die Person nicht. Das kann dann schon extra belasten.“ Trotz des zusätzlichen Aufwands hätten die positiven Reaktionen überwogen, so Fachbereichsleiter Kühle: „Die Testtage waren natürlich intensiver und erst einmal eine zusätzliche Belastung für unsere Mitarbeitenden. Was geholfen hat, waren die Reaktionen der Kundinnen und Kunden – so haben unsere Mitarbeitenden gemerkt, dass ihre Mühen positiv ankommen.“
Bei der Auswertung des zweiten Testlaufs wurde der Schwerpunkt auf datenbasierte Erkenntnisse gelegt. So zeigten die Daten während der Testphase beispielsweise, dass Kunden im Schnitt 9,5 Minuten früher zu ihrem gebuchten Termin ankommen. Die Daten haben auch gezeigt, dass über die fünf Tage der Testphase hinweg durch das Check-in-System insgesamt 2.409 Minuten „zurückgewonnen“ wurden, indem Kunden früher bedient werden konnten. Das deutet darauf hin, dass ein Check-in-System das klare Potenzial hat, im Bürgeramt Zeit für neue Termine zu generieren und es den Mitarbeitenden ermöglicht, ihre Arbeitszeit noch selbstbestimmter zu gestalten.
Aktuell prüft die Senatskanzlei, inwiefern die Integration eines Check-in-Systems in die bestehende IT-Infrastruktur der Bürgerämter technisch machbar ist. Die Senatskanzlei hat zudem eine Kooperationsvereinbarung mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat geschlossen, um die Entwicklung eines Bürgeramts der Zukunft auch monetär zu unterstützen.
Pia Gralki ist Team-Leiterin Kommunikation beim CityLAB Berlin, Victoria Boeck und Tobias Witt sind Projektverantwortliche für das Check-in-System.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist im Original in der Ausgabe 07/2023 in der Kommune21 erschienen.